Meldungsdatum: 28.02.2019
Rückblick: Im Frühjahr 1979 erkundigte sich die Staatsgalerie Stuttgart im Bocholter Stadtarchiv nach Quellen zu einem um 1600 in Bocholt tätig gewesenen Glasmaler namens Johan van Lintelo. Diese Anfrage veranlasste das Stadtarchiv zur Durchforstung seiner Bestände.
Durchgesehen wurden vor allem die streng strukturierten Stadtrechnungen des 16. und 17. Jh., in denen man schnell fündig wurde. Demnach vergab die Stadt Bocholt Aufträge für Glas- und künstlerische Arbeiten an die Gebrüder Johan und Derck van Lintelo. Sie fertigten u. a. Glasmalereien für die Fenster des 1618-22 neu erbauten Rathauses am Markt.
Im Gegensatz zu dem Auftragswerk blieben jedoch die Lebensumstände und das familiäre Umfeld der wohlhabenden Künstler weitestgehend ungeklärt. Licht ins Dunkel brachten schließlich im letzten Jahr bislang kaum beachtete Archivalien, die eine Fülle von Informationen preisgaben: die Schöffenprotokolle aus der Zeit 1560-1670. Als vorrangiges Dokument kann dabei die Niederschrift vom 20. April 1629 angesehen werden, deren erste Zeilen (siehe Foto) hier frei übersetzt wiedergegeben sind:
"Vor den Schöffen Ludwig Mumme und Ludwig Brauns erschienen die Erben des verstorbenen Johan von Lintelen, nämlich Johan von Lintelen der Jüngere und Anna Nachtigal, Eheleute, ferner Evert von Lintelen und Elisabeth ten Holderen, Eheleute, beide für sich selbst. Zudem Eßele Sternebergh und Lambert von Lintelen, gegenwärtig, im Namen von Henrich, Gerdt und Mechtelt von Lintelen als deren angeborene Vormünder. Sie tätigten eine brüder- und schwesterliche Teilung der nachfolgend aufgeführten und in fünf Lote aufgeteilten elterlichen Immobilien, wovon jeder eines zu sich nahm."
Vermögender Glasmaler
Im weiteren Verlauf des Protokolls über die Erbteilung werden dann die Immobilien des vermögenden Glasmalers aufgeführt und deren Aufteilung an seine Kinder detailliert beschrieben. Demnach besaß Meister Johan van Lintelo der Ältere das Gut ten Radde (Rodde) in Stenern, ein Wohnhaus in der Osterstraße, einen Garten auf dem „Raesfeldts Kamp“, ein Stück Land auf dem „Nien Esch“ (Neuen Esch), eine Parzelle genannt der „Hagen“ sowie Grundstücke auf dem „Hausarmenkamp“, auf dem „Knuf“ und vor dem Ostertor.
In den weiteren Amtsbüchern und Schöffenprotokollen, die im Allgemeinen wichtige Rechtsgeschäfte enthalten, sind nach intensiver Suche weitere bedeutende Angaben zu den Vermögens- und Familienverhältnissen des 1979 entdeckten Glaskünstlers offenbar geworden, der sich im Übrigen zwei Mal verheiratet hatte. Selbst dessen Eltern finden darin Erwähnung und lassen die Vermutung zu, dass Johan van Lintelo der Ältere um 1570 im benachbarten Borken geboren wurde. Auf Grund von Religionswirren musste er 1625/26 mit weiteren „unkatholischen Bürgern“ Bocholt vorübergehend verlassen und fand möglicherweise Zuflucht bei seinen Söhnen in Dülmen. In Anbetracht der genannten Erbteilung verstarb der Glasmaler offenbar im Frühjahr 1629, vor nunmehr 390 Jahren.
Text: Wolfgang Tembrink, Stadtarchiv Bocholt
Pressekontakt: Büro des Bürgermeisters, Pressesprecher Karsten Tersteegen, Telefon 0 28 71 95 33 27, E-Mail: karsten.tersteegen@mail.bocholt.de
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