Kreis Borken.
Es hört sich im ersten Moment etwas abstrakt an: „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ ist neues Angebot des Jobcenters. Seit Beginn des Jahres gibt es damit für Menschen, die seit mehr als fünf Jahren Leistungen des Jobcenters erhalten, neue Chancen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Arbeitgeber können für die Dauer von bis zu fünf Jahren umfangreiche Zusatzleistungen erhalten, wenn sie diesen Menschen eine Beschäftigung anbieten. Viel weniger abstrakt ist es dann, wenn man beim Verein Fortuna e.V. an der Johannes-Reithalle in Stadtlohn vorbeischaut. Dort nutzen Katja Effing und Nina Klein-Reesink diese Chance, beruflich wieder Fuß zu fassen. Beide sehen die Beschäftigung dort als einen Glücksfall – ebenso wie Arbeitgeber und Arbeitsvermittler.
Im Kreis Borken haben sich inzwischen rund 30 Arbeitgeber bereit erklärt, entsprechende Beschäftigungsverhältnisse anzubieten. Auf diese Weise konnten bislang mehr als 50 Menschen eine Beschäftigung aufnehmen. Das Programm läuft über fünf Jahre, im ersten und zweiten Jahr wird das Gehalt komplett über das Jobcenter gefördert, in den folgenden Jahren prozentual. Um sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich zu unterstützen wird für jedes Beschäftigungsverhältnis eine begleitende Betreuung organisiert. Zusätzlich können erforderliche Weiterbildungen finanziert werden.
Franz Marpert, Geschäftsführer von Fortuna e.V., beschäftigt inzwischen vier Mitarbeiter über die „Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Insgesamt gibt es 18 Angestellte: Reittherapeuten, Reitlehrer, Stallmeister und Physiotherapeut beispielsweise. Dazu kommen zahlreiche Ehrenamtliche. Der Verein bietet Reittherapie, Reitstunden und Voltigieren sowie Reiterferien an, betreibt ein Café, das sonntags und auf Reservierung geöffnet ist. Der Einsatzbereich von Katja Effing und Nina Klein-Reesink ist entsprechend vielseitig: Pflege der zehn Pferde, Mithilfe bei den Reit- und Therapieangeboten, Telefondienst, Vorbereitungen und Bedienung im Café, Reinigungsarbeiten und vieles mehr.
Anfangs, berichtet Kaja Effing, sei sie schon an ihre Grenzen gekommen – körperlich und auch, weil es für sie ungewohnt war, wieder feste Beschäftigungszeiten zu haben. Als gelernte Verkäuferin, Kosmetikerin und Altenpflegehelferin war sie mit drei Kindern lange aus dem Job raus, oft nur in 450-Euro-Jobs und rutschte in die Langzeitarbeitslosigkeit. Jetzt sind die Kinder groß und die Chance auf den Neuanfang nutzte die 48-Jährige: Die Arbeit ist sehr vielseitig, ich habe viel mit Menschen zu tun – jetzt läuft es richtig gut!“
Ihre Chance will auch Kollegin Nina Klein-Reesink nutzen: „Mein Ziel war es, weg vom Jobcenter zu kommen, also mein eigenes Geld zu verdienen. Jetzt bin ich froh, wenn ich auf mein Konto gucke und weiß: Dafür habe ich gearbeitet, das habe ich verdient und ist meins.“
Franz Marpert lobt die Einsatzfreude der beiden Mitarbeiterinnen: „Ich frage anfangs immer: Sind Sie auch bereit, eine Karre Mist zu schieben? Lautet die Antwort ‚Nein‘, dann ist das schon das Ende“, sagt er und lacht. Was er damit sagen will: Rund um die Reithalle, auf dem Hof und den weitläufigen Anlagen gibt es viel zu tun, man muss sich auch mal die Hände schmutzig machen. Kein Problem für Nina Klein-Reesink und Kaja Effing. Marpert: „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir sie über die Maßnahme hier haben.“
„Wir haben hier wirklich eine absolute Win-Win-Situation“, sagt Dirk Schlattmann, Arbeitsvermittler beim Jobcenter der Stadt Stadtlohn, und hebt hervor, dass auch bei dieser Maßnahme sorgfältig geprüft wurde, für wen sie in Frage kommt. „Wir haben im Vorfeld viel gesprochen, vorbereitet und geguckt: Ist das was für sie?“ Gemeinsam wurde jeweils das passende Modell besprochen: So ist Katja Effing 30 Stunden pro Woche dort, Nina Klein-Reesink arbeitet 40 Stunden. Die Arbeitszeiten hat sie mit Franz Marpert so abgestimmt, dass sie die Betreuung ihres Sohnes regeln konnte. „Das ist wirklich toll – denn ich wollte schon, wenn ich das mache, auch in Vollzeit einsteigen“, sagt die 28-Jährige. Auch Katja Effing ist mit ihrer neuen Beschäftigung glücklich: „In den vergangenen Jahren war manche Maßnahme nicht das richtige für mich. Aber das ist jetzt etwas, das passt“
Für weitere Informationen zum Thema „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ ist Susanne Lökes, stellvertretende Leiterin des Jobcenters im Kreis Borken unter der Telefonnummer 02861/821249 zu erreichen. Rückfragen zu den konkreten Beispielen beantwortet Dirk Schlattmann vom Jobcenter der Stadt Stadtlohn, Tel. 02563/87514.
Zum Hintergrund: Teilhabe am Arbeitsmarkt gem. § 16i SGB II
Zielgruppe:
- 6 Jahre Leistungsbezug in den letzten 7 Jahren,
- 5 Jahre Leistungsbezug in den letzten 7 Jahren für Schwerbehinderte und Leistungsberechtigte mit mindestens einem minderjährigen Kind
Inhalt:
sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse (ohne Beiträge zur Arbeitslosen-Versicherung)
Förderdauer:
bis zu 5 Jahren
Förderumfang:
- Zuschuss zum Arbeitsentgelt in Höhe von:
im 1.+2. Jahr: 100%
im 3. Jahr: 90%
im 4. Jahr: 80%
im 5. Jahr: 70%
- Vergütung und Bemessungsgrundlage für Lohnkostenzuschuss:
- Mindestlohn oder
- tarifgebundenes bzw. tariforientiertes Arbeitsentgelt
Betreuung:
- ganzheitliche beschäftigungsbegleitende Betreuung
- Freistellungsverpflichtung des Arbeitgebers im ersten Jahr der Beschäftigung (in angemessenem Umfang)
Qualifizierung
- angemessene Zeiten einer erforderlichen Weiterbildung oder eines betrieblichen Praktikums während der Beschäftigung,
- max. 3.000 Euro je Förderfall
Pressekontakt: Kreis Borken, Ellen Bulten 02861 / 82-2111
Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten: