Meldungsdatum: 07.11.2019

Rückzug des Kindes - wann müssen sich Eltern Sorgen machen?

Vortrag der Reihe "Dienstags in den Märkischen Kliniken"

Wenn junge Menschen sich emotional und sozial zurückziehen, belastet dies viele Eltern, da sie der Situation meist ratlos gegenüberstehen, Angst davor haben, dass der Rückzug sich negativ auf die gegenwärtige Lebenssituation, aber auf die Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen und somit auch auf deren späteres Leben auswirkt.

Dr. Tamara Jacubeit, Direktorin der Klinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie am Klinikum Lüdenscheid, vermittelte im Rahmen ihres Vortrags "Wenn Kinder sich zurückziehen - was tun?", wie es Eltern gelingen kann, einen guten Weg zu finden, in Phasen des Rückzugs der Kinder, zu reagieren. Eine gewisse ‚Mundfaulheit' und auch das Zurückziehen gehöre jedenfalls zur normalen Entwicklung, insbesondere in der Pubertät, dazu, so die erfahrene Fachärztin. Doch wenn ein Jugendlicher regelmäßig die Schule - auch mit durchschnittlichen Schulnoten - besucht, dort auch guten Kontakt zu Mitschülern hat und im Großen und Ganzen ‚offen' bleibt, bewege es sich zumeist alles im "grünen Bereich".

Anhand von Beispielen zeigte Dr. Jacubeit den interessierten Besuchern auf, wann man sich als Eltern überhaupt Sorgen machen muss und beschrieb sehr gut den Unterschied zwischen Rückzug als angemessener Reaktion und Rückzügen, die professionelle Hilfe beispielsweise einer Beratungsstelle oder Klinik erfordern. Ganz normal sei die Tatsache, dass das Elternhaus mit zunehmendem Alter an Einfluss verliere und Eltern von den Kindern nicht mehr als Hauptansprechpartner betrachtet werden, sondern sich lieber mit ihrem Smartphone auf ihrem Zimmer zurückziehen als mit der Familie am Esstisch sitzen. "Aber auch über das Handy finden ja Kontakte zu Gleichaltrigen statt und über das Geschehen in der Klasse mit dem Freund oder Freundin zu quatschen, ist doch viel spannender als mit der Mutter über den Alltag," erklärte sie.

Ziehen sich Jugendliche aber komplett zurück, schwänzen dauerhaft die Schule und vermeiden Kontakt auch zu Gleichaltrigen, sollten die Alarmglocken klingeln. Auch wenn ein Rückzug von Begleiterscheinungen in Form von Alkohol oder Drogen verstärkt wird oder der Jugendliche durch eine Essstörung auffällt. Oder wird das eigene Kind in der Schule oder über die sozialen Medien gemobbt? Besteht in diesen Fällen ein begründeter Verdacht, so appellierte Dr. Jacubeit, ist es wichtig, sich Hilfe von außen zu holen. Wichtig sei auch, dass Eltern in Kontakt mit ihren Kindern bleiben und sich bemühen, auf Augenhöhe und wertschätzend mit ihnen zu sprechen. Selbst wenn öfters mal die Türen knallen oder man sich als Eltern einen Begriff aus der Fäkaliensprache gefallen lassen muss.
Von Bedeutung sind zudem gemeinsame Rituale in der Familie, die das Miteinander stärken, beispielsweise gemeinsame Mahlzeiten oder Spielabende - selbst wenn Jugendliche sich daran eher lustlos beteiligen. Und: Bei allem Verständnis der Eltern für die Kommunikation über Smartphone: Die Referentin empfahl den Eltern, regelmäßige Pausen einzufordern, damit die Jugendlichen wenigstens nachts ausreichend zu Ruhe kommen.

Am Ende des informativen Vortrags gab es noch einen regen Austausch mit den Besuchern.