Meldungsdatum: 23.01.2020

"Nicht von der Angst leiten lassen"

Dienstags in den Märkischen Kliniken zum Thema Organspende

Eine Transplantation bedeutet oft die letzte Chance für schwer kranke Menschen. Im vergangenen Jahr haben nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) in Deutschland 932 Menschen nach ihrem Tod insgesamt 2.995 Organe für eine Transplantation gespendet. Es könnten aber viel mehr Patienten gerettet werden, stünden mehr Organe zur Verfügung. Im Rahmen eines informativen Vortrags der Reihe "Dienstags in den Märkischen Kliniken" beleuchteten Dr. Michael Klein, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie/Spezielle Unfallchirurgie am Klinikum Lüdenscheid, und Bettina vom Brocke, Ev. Krankenhausseelsorgerin, medizinische und ethische Fragen rund um das Thema Organspende .

Wer sich mit dem Thema Organspende auseinandersetzt, beschäftigt sich mit dem möglichen eigenen Tod - und das macht man nicht gerne und verdrängt diese Gedanken. Und doch: "Das Thema Organspende geht uns alle an", erklärte Dr. Klein. Schließlich könne es vorkommen, dass man selbst oder ein Familienmitglied durch Krankheit oder Unfall ein neues Organ zum Weiterleben benötigt. "Aber nur wer sich mit Organspende beschäftigt hat, kann eine Entscheidung für sich selbst treffen und nimmt mit dem Tragen des Organspendeausweis zu Lebzeiten den Angehörigen für den Fall des eigenen Todes die unglaublich schwierige Entscheidung für oder gegen eine Transplantation ab."

Eine Organspende ist oft die letzte Möglichkeit, todkranken Patienten zu helfen. Für Herz-, Leber- und Lungenpatienten bedeutet die Transplantation eine gute Chance auf längerfristiges Überleben, für Nierenpatienten ein Ende der sehr belastenden Zeit an der Dialyse. So steht auch die große Mehrheit der Menschen in Deutschland einer Organ- und Gewebespende positiv gegenüber, dennoch besitzen zu wenige einen Organspendeausweis. "Personen, die sich für eine Spende entschieden haben, möchten mehrheitlich anderen helfen, ihrem Tod einen Sinn geben und dank der Organspende anderen ein neues Leben schenken. Menschen, die sich dagegen entschieden haben, nehmen häufig an, ungeeignet zu sein, oder haben Angst vor Missbrauch", so Bettina vom Brocke.

Bin ich auch wirklich tot, wenn meine Organe entnommen werden? Diese Frage lässt beispielsweise viele Menschen zweifeln, wenn sie über das Thema nachdenken. Die beiden Experten traten Ängsten und Wissensdefiziten mit sachgerechten Informationen entgegen: "Organe dürfen in Deutschland nur bei Patienten entnommen werden, deren unumkehrbarer Funktionsausfall des Gehirns, auch Hirntod genannt, zweifelsfrei festgestellt wurde. Ein Mensch ohne jegliche Gehirnfunktion kann nie wieder in dieses Leben zurückkehren und empfindet auch keine Schmerzen mehr, da auch das im Gehirn sitzende Schmerzzentrum nicht mehr funktionsfähig ist", so Dr. Klein. So muss der Hirntod durch spezielle, sehr zuverlässige Untersuchungen festgestellt werden. Diese Hirntoddiagnostik muss im Falle einer Organspende von zwei in der Intensivmedizin erfahrenen Fachärzten, von denen einer ein Neurologe oder Neurochirurg ist, unabhängig voneinander durchgeführt werden.

Allerdings bildet Deutschland mit einer durchschnittlichen Spenderrate von 11,2 Spendern pro eine Million Einwohner nach wie vor eines der Schlusslichter im europäischen Vergleich. Was nicht zuletzt an der so genannten Widerspruchslösung für Organspenden liegt, die in vielen Ländern Europas Alltag ist, im deutschen Bundestag am 16. Januar aber abgelehnt wurde. Mit Hilfe des Ausweises kann aber jeder genau festlegen, welche Organe man spenden, welche man ausschließen möchte. Die Entscheidung kann auch jederzeit widerrufen werden. "Wichtig ist, dass man sich überhaupt entscheidet und vor allem mit den nächsten Angehörigen darüber spricht", appellierte Dr. Klein.

Auch die christliche Kirche in Deutschland hat nach Erklärung der Seelsorgerin eine eindeutige Position: "Christen, die sich zur Organspende entscheiden, müssen auch im Glauben an die Auferstehung keine Vorbehalte gegenüber der Organspende haben. Der Körper ist für diese Welt, nach dem Tode braucht es den irdischen nicht mehr, wohin unsere Seele auch geht". Bei der Entscheidung für oder gegen Organspende solle man sich nicht von der Angst leiten lassen. Und Menschen, die unerwartet mit dem Thema Organspende bei einem Angehörigen konfrontiert werden, rät sie, sich mit einem Seelsorger oder anderen Gesprächspartner in Ruhe auszutauschen. Am Ende des Abends gab es noch einen regen Austausch mit den Besuchern der Veranstaltung.


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