Meldungsdatum: 10.02.2020

„Forum Migration“ 2020 des Museumsquartiers Osnabrück

Zivilgesellschaftliches Engagement in Osnabrück – im Kontext von Flucht und Asyl

Der „Lange Sommer der Migration“ im Jahr 2015 ging in die Geschichte ein: Etwa 1 Millionen Menschen machten sich, in erster Linie über die sogenannte Balkanroute, auf den Weg nach Deutschland, um Asyl und Schutz zu suchen. Als unmittelbare Reaktion darauf erlebten wir eine große Welle des zivilgesellschaftlichen Engagements, aber auch eine zusehends restriktivere Gesetzgebung sowie die Zunahme rassistischer Übergriffe.

Wo stehen wir heute, fünf Jahre später? Was hat sich seitdem verändert? Was meint „zivilgesellschaftliches Engagement“? Warum ist es auch im Jahr 2020 noch von Relevanz? Das „Forum Migration“ des Museumsquartiers Osnabrück möchte sich in diesem Jahr diesen Fragen widmen und dabei auf die lokale Spurensuche von widerständigen sowie solidarischen Praktiken des zivilgesellschaftlichen Engagements im Kontext Flucht und Asyl gehen.

Das Forum Migration wird gefördert durch die Stiftung Stahlwerk Georgsmarienhütte und Stiftung Niedersachsen.

Am Donnerstag, 27. Februar, 17 Uhr, findet in der Villa Schlikker ein offener Diskussionsabend unter dem Titel „Osnabrücker Initiativen der Zivilgesellschaft im Kontext Flucht und Asyl“ statt.

Gemeinsam mit Osnabrücker Initiativen möchte das Museumsquartier Osnabrück den ersten Termin des Jahres nutzen, um zu diskutieren, wie Osnabrück als solidarische Stadt in Zukunft zu gestalten ist. Zu Beginn können die eingeladenen Initiativen sich und ihre Arbeit kurz vorstellen und im Anschluss sind alle Interessierten zu Gespräch und Austausch eingeladen: Warum sind solidarische und widerständige Praktiken zivilgesellschaftlichen Engagements auch noch im Jahr 2020 wichtig? Welchen Einfluss nimmt dabei die Osnabrücker Stadtgesellschaft? Wie kann eine Stadtgesellschaft, in der alle solidarisch miteinander leben, zukünftig aussehen?

Am Dienstag, 24. März, 19 Uhr, gestaltet die Bühne für Menschenrechte Berlin unter dem Titel „Die Mittelmeer-Monologe – Dokumentarisches Theater“ das Forum Migration im Veranstaltungssaal des Museumsquartiers Osnabrück. Die Mittelmeer-Monologe erzählen von Menschen, die den riskanten Weg übers Mittelmeer auf sich nehmen, in der Hoffnung, in Europa in Sicherheit leben zu können, von libyschen Küstenwachen, italienischen Seenotrettungsstellen und deutschen Behörden, die dies verhindern und von Aktivistinnen und Aktivisten, die dem Sterben auf dem Mittelmeer etwas entgegensetzen.

Es ist, als ob die Schauspielerinnen und Schauspieler die Menschen im Publikum direkt ansprechen, ihnen die Hand reichen und sie hineinziehen in eine Welt, die sie von nun an nicht mehr kalt lassen wird: Verwickelt, verschlungen, verbunden und vernetzt mit den Protagonistinnen und Protagonisten, folgt das Publikum – ganz nach dem diesjährigen Motto der Internationalen Wochen gegen Rassismus „Gesicht zeigen – Stimme erheben“ – gespannt den Wegen der erzählten Geschichten. Die deutlich werdende rassistische Haltung gegenüber Geflüchteten, die zur Abschreckung ertrinken gelassen werden, wird hinterfragt. Alle Texte werden mehrsprachig (Englisch, Französisch, Arabisch) projiziert. Karten im Vorverkauf kosten 10 Euro, an der Abendkasse 12 Euro. Inhaberinnen und Inhaber mit Schwerbehinderten-Ausweis ab 70 Prozent, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende zahlen einen Eintritt von 5 Euro, Besitzer der KUKUK-Karte und der Karten für Geflüchtete bei Exil e.V. zahlen 1 Euro. 

Die Veranstaltung ist eine Kooperation von Museumsquartier Osnabrück, Seebrücke Osnabrück, Kritnet sowie dem Büro für Friedenskultur der Stadt Osnabrück im Rahmen der „Internationalen Wochen gegen Rassismus“, mit Unterstützung von Exil e.V. Weitere Informationen sind unter Tel. 0541-323 2322 erhältlich.

„Umkämpfte Räume des Asyls in Osnabrück“ ist der Titel eines Impulsvortrags mit anschließender Diskussion mit Sophie Hinger am Donnerstag, 23. April, 17 Uhr, in der Villa Schlikker. 

Welche Rolle spielen pro-migrantische zivilgesellschaftliche Initiativen für den Umgang mit (Flucht-)Migration vor Ort? Das ist die zentrale Frage des Vortrags. Mit einem besonderen Fokus auf die Aufnahme und Unterbringung von Geflüchteten zeichnet Sophie Hinger die Entstehung, Dynamiken und Folgen zivilgesellschaftlichen Engagements für und mit Geflüchteten in Osnabrück nach. Dabei schlägt sie den Bogen von der Entstehung solidarischer Initiativen und Proteste rund um die Eröffnung der ersten Sammelunterkünfte für Geflüchtete Anfang der 1980er Jahre bis zu den Reaktionen auf den „Langen Sommer der Migration 2015“.

Sophie Hinger ist Sozialgeographin am Osnabrücker Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS).

Beim Impulsvortrag und der anschließenden Diskussion mit Margret Pues und Frieder Marahrens geht es am Donnerstag, 18. Juni, 17 Uhr, in der Villa Schlikker um „Rückblick und Ausblick zum zivilgesellschaftlichen Engagement am Beispiel des Kirchenasyls“.

Das Kirchenasyl steht in einer jahrhundertealten Schutztradition und ist als „ultima ratio“ immer Nothilfe in einem konkreten Einzelfall. Es dient dazu, Gefahren für Leib und Leben, drohende Menschenrechtsverletzungen oder individuell unzumutbare Härten für die geflüchtete Person abzuwenden.

Das erste Kirchenasyl der Neuzeit in Osnabrück wurde 1996 gewährt. Dazu gründeten Vertreterinnen und Vertreter aus Zivilgesellschaft und Kirchen das ökumenische Netzwerk „Asyl in der Kirche“. Im Rahmen des christlichen Engagements für Geflüchtete kommt es auch heute immer wieder dazu, dass Kirchengemeinden und Ordensgemeinschaften von Zurück- oder Abschiebung Bedrohte vorübergehend in kirchlichen Räumen aufnehmen, um ihnen in einer konkreten Notsituation beizustehen. Margret Pues ist Referentin für Flüchtlingshilfe beim Caritasverband für die Diözese Osnabrück e.V. Frieder Marahrens ist Pastor i.R.

Am Donnerstag, 27. August, 17 Uhr, findet im Akzisehaus unter dem Titel „Mach´s doch selbst!“ eine Projektvorstellung und ein Workshop mit Lara Benteler und Maria Neunteufel statt.

Im Projekt „Mach’s doch selbst!“ möchte das Museumsquartier Osnabrück das ehrenamtliche Engagement bei Exil e.V. stärken. Es sollen sowohl Menschen mit Fluchterfahrung dazu ermutigt werden, sich zu engagieren und dabei unterstützt werden, eigene Projektideen umzusetzen, als auch Menschen ohne Fluchterfahrung in ihrem Engagement gefördert werden. In ihrem Workshop möchten Lara Benteler und Maria Neunteufel „Ergebnisse“ von „Mach’s doch selbst!“-Projekten präsentieren und sie als Objekte mit Migrationsgeschichte vorstellen, die Eingang in das Virtuelle Osnabrücker Migrationsmuseum finden können.

Maria Neunteufel und Lara Benteler sind Ehrenamtskoordinatorinnen bei Exil e.V.

Beim Impulsvortrag und der anschließenden Diskussion mit Sandra Steinkühler

geht es am Donnerstag, 1. Oktober, 17 Uhr, im Akzisehaus um „Trauma und Flucht – Psychosoziale Versorgung von Geflüchteten in Niedersachsen“.

Viele Geflüchtete sind von Ereignissen in den Kriegszonen ihrer Herkunftsländer sowie Ereignissen auf ihrem Fluchtweg tief traumatisiert. In Osnabrück wurde im November 2017 ein Psychosoziales Zentrum des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen (NTFN) eingerichtet. Sandra Steinkühler vom NTFN berichtet über die aktuelle psychosoziale Versorgungslage von Geflüchteten in und um Osnabrück. Außerdem benennt sie, wie auch die Zivilgesellschaft traumatisierte Menschen mit Fluchterfahrung unterstützen kann.

 „‚Wir wollen keine Angst vor Abschiebung haben! Wir wollen gleiche Rechte für alle!‘ Proteste gegen Dublin-Abschiebungen in Osnabrück (2014-2017)“ ist der Titel des Impulsvortrags mit anschließender Diskussion mit Maren Kirchhoff am Donnerstag, 26. November, 17 Uhr, im Akzisehaus.

Das Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück verhinderte 2014/15 zahlreiche Dublin-Abschiebungen. Seine Strategie war es, sich vor Unterkünften zu versammeln und so die Überschreitung der in der Dublin-Verordnung festgeschriebenen sechsmonatigen Überstellungsfrist herbeizuführen. 2015 verabschiedete der Deutsche Bundestag im Rahmen des Asylpakts ein Ankündigungsverbot für Abschiebetermine. Dennoch konnten Bewohnerinnen und Bewohner der Unterkunft am Ickerweg mehrere Abschiebungen kollektiv verhindern und feierten im September 2017 „100 Tage abschiebefrei“. In diesem Vortrag führt die Referentin kurz in die Dublin-Verordnung ein, erläutert die Funktionsweise der Proteste gegen Dublin-Abschiebungen in Osnabrück und bettet diese in den größeren gesellschaftlichen Kontext ein.

Maren Kirchhoff promoviert mit einem Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung an der Universität Osnabrück. Zuvor hat sie im vergleichenden Forschungsprojekt "Taking Sides. Protests against deportation in Austria, Germany and Switzerland" am Osnabrücker Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) gearbeitet.

Pressekontakt: Heiko Mitlewski | Fachbereich Kultur | Tel. 0541 323-3217 | E-Mail: mitlewski@osnabrueck.de