Meldungsdatum: 17.03.2021

Update zur Covid-19-Schutzimpfung: Es geht um Tage, nicht um Wochen

Kurz kommentiert von Dr. Thorsten Kehe

Die Schulen in NRW haben in dieser Woche wieder geöffnet. Als Vater zweier schulpflichtiger Kinder sehe ich, dass sich die Schüler freuen, wenn sie einander wieder begegnen. Obwohl die Kinder und Jugendlichen die Sozialen Medien besser als jede andere Altersgruppe zu nutzen verstehen und - unter den gegebenen Umständen - recht gut gegen Vereinsamung gewappnet sind, machen persönliche Kontakte doch einen großen Unterschied aus.

"Ich betrachte die Öffnungen mit Sorge"

Als Arzt und Geschäftsführer eines großen Krankenhauses betrachte ich die Öffnungen von Schulen und anderen Einrichtungen aber mit Sorge. Die Kinder und Jugendlichen, die ich beobachte, tragen zwar alle den Nasen-Mundschutz. Aber die Vorstellung, dass es ihnen unter diesen schulischen Bedingungen gelingt, zu jeder Zeit den Mindestabstand und alle anderen Regeln einzuhalten, ist wirklichkeitsfern. Es gibt schließlich auch genug Erwachsene, denen das schwerfällt. Auch weil die meisten Menschen in ihrem Alltag die Folgen einer ernsthaften Erkrankung nicht sehen.

Klinikalltag: Jede Woche werden es zehn Patienten mehr

Aber in unserem Klinikum sehe ich jeden Tag, was passiert: Die Zahl der Patienten, die an Covid-19 erkrankt sind, steigt schon seit Mitte Februar wieder in den Märkischen Kliniken von knapp 30 über 40 auf nunmehr 50. Jede Woche werden es zehn mehr. Im Dezember 2020, auf dem Höhepunkt der letzten Welle, waren es 70. Bei diesem Wert sind wir bald wieder.

Ein Teil der Covid-Patienten muss auf der Intensivstationen behandelt werden. 35% dieser Patienten, die auf der Intensivstation invasiv beatmet werden müssen, sterben. Auch die Zahl der Intensivpatienten mit Covid-Erkrankungen bei uns steigt im Moment wieder kontinuierlich und beträgt jetzt zwölf, nach neun in der vorigen Woche. Diese Patienten kommen zu den anderen Intensivpatienten hinzu, denn weiterhin gibt es Herzinfarkte und schwere Unfälle und sie müssen weiterhin behandelt werden.

Die Öffnung des öffentlichen Lebens und auch der Schulen in die dritte Welle hinein, die von einer sehr ansteckenden Virus-Variante angetrieben wird, widerspricht allen bisher verfolgten Strategien. Hinzu kommt noch das Aussetzen des Impfens mit dem Wirkstoff von AstraZeneca. Die Prognose des Robert Koch-Instituts, dass wir nach Ostern mehr kranke und sehr schwer kranke Patienten haben werden als zu Weihnachten, dürfte sich bewahrheiten.

An die beschlossenen Regeln halten

Um die dritte Welle abzuschwächen wäre es entscheidend, dass sich die Politik an die Regeln hält, die sie Anfang März auf ihrem Bund-Länder-Treffen verabredet hat - sprich die Notbremse. Ab einer Inzidenz von 100 sollten wir regional in den Lockdown gehen. Im Märkischen Kreis haben wir eine Inzidenz von mehr als 150. Wir müssten Kindergärten und Schulen schließen sowie das öffentliche Leben dringend wieder runterfahren. Aber wer handelt? Für wen hat das Nicht-Handeln eine Konsequenz, außer für die Menschen, die erkranken oder sterben, und für jene, die sie behandeln und pflegen?

Wir werden in den Krankenhäusern schon bald die ohnehin ausgeweiteten Grenzen der Behandlungsmöglichkeiten erreichen. Im Normalbetrieb haben in unserem Klinikum der Maximalversorgung 28 Intensivplätze. Wegen Corona haben wir zusätzliche Plätze geschaffen. An Weihnachten - auf dem Höhepunkt der zweiten Welle - hatten wir 51 von 54 Intensivbetten belegt. Da waren wir schon fast am Limit. Wir können auf maximal 56 Plätze erweitern, wenn unser Personal noch dazu in der Lage sein wird nach einem Jahr Arbeiten im Ausnahmezustand.

Selbst dann werden wir bei Operationen stark eingeschränkt sein, da sich das verfügbare Personal um die Intensivpatienten kümmern muss. Genau auf diesen Punkt bewegen wir uns jetzt zu. Es geht um Tage, nicht um Wochen. Wie bereits im Herbst 2020: Der harte Lock-down vom Dezember hätte schon im Oktober kommen müssen, wie es die Kanzlerin gewollt hatte. Aber die Länder haben anders entschieden.

Es sind vor allem die Jüngeren, die sich infizieren

Dies alles besorgt mich - als Arzt und als Vater. Denn unter den Patienten sind auch junge und jüngere Menschen, die schwer erkranken, und es sind seit einiger Zeit vor allem die jungen Menschen im Alter bis 24 Jahre, unter denen die Zahl der Neuinfektionen steigt, während die Alten immer besser geschützt werden.

 

Über Dr. Thorsten Kehe:
Dr. Thorsten Kehe war viele Jahre als leitender Arzt und Medizinischer Direktor tätig, bevor er 2014 zum Medizinischen Geschäftsführer und dann zum Vorsitzenden der Geschäftsführung der Märkische Kliniken GmbH mit Sitz in Lüdenscheid berufen wurde. Seit 2017 ist er zudem noch Vorsitzender der Märkische Gesundheitsholding GmbH & Co. KG. Im Impf-Update berichtet er über seine Erfahrungen und Überlegungen aus dem Klinikalltag mit dem Coronavirus.


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Dr. Thorsten Kehe

Dr. Thorsten Kehe, Vorsitzender der Geschäftsführung der Märkischen Kliniken in Lüdnescheid