Meldungsdatum: 17.11.2021
„Das Finale des Emscher-Umbaus markiert mit der Abwasserfreiheit des zentralen Flusses im Ruhrgebiet einen der wichtigsten Meilensteine im Rahmen des Strukturwandels in unserer Region. Dieses Ereignis steht gleichzeitig jedoch nicht für das Ende von etwas, ganz im Gegenteil: Die neue, saubere Emscher symbolisiert den Aufbruch in eine blau-grüne Zukunft. Mit Blick auf die Herausforderungen, die der fortschreitende Klimawandel mit sich bringt, stehen wir vor einer sozial-ökologischen Transformation des Ruhrgebietes – denn im Vordergrund aller Maßnahmen muss letztlich das Wohl der Menschen in unserer Region stehen“, fasst Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Emscher-Gebietes zusammen.
Vor exakt 30 Jahren, im November 1991, war auf der damaligen Jahreshauptversammlung der Emschergenossenschaft in Essen das Generationenprojekt Emscher-Umbau beschlossen worden. Drei Jahrzehnte später kann für die Abwasserkanäle und Gewässer nach heutigem Stand folgender Fertigstellungsgrad zum 31. Dezember 2021 prognostiziert werden: Von 436 km Abwasserkanälen der Emschergenossenschaft sind 430 km fertiggestellt. Von 627 km Gesamt-Gewässerlänge des Emscher-Systems sind rund 620 vollständig abwasserfrei. Die Emscher ist vollständig abwasserfrei – und mit ihr auch nahezu alle Nebengewässer! Die letzten sechs Kilometer an Abwasserkanälen werden im kommenden Jahr noch im Bereich des Berne-Einzugsgebietes auf Essener Stadtgebiet gebaut – hier hatte im Bereich des Borbecker Mühlenbachs ein seltener Vogel, die Wasserralle, für eine fünfjährige Verzögerung der Bauarbeiten gesorgt. Ein Provisorium sorgt jedoch bereits ab Ende 2021 dafür, dass das Abwasser anstatt wie bisher in die Emscher künftig dann in den unterirdischen Kanal umgelenkt wird. Rund 5,5 Milliarden Euro hat die Emschergenossenschaft insgesamt in die Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität an den Emscher-Gewässern investiert.
„Der Emscher-Umbau zeigt, dass die Menschen im Ruhrgebiet in der Lage sind, Großartiges zu leisten. Wir haben uns auf den Weg gemacht, grünste Industrieregion der Welt zu werden und geben mit der abwasserfreien Emscher den Bürgerinnen und Bürgern ein Stück Heimat zurück, machen die Region klimaresillienter und schützen die Anrainer noch besser vor Hochwasser, sagt Dr. Frank Dudda, Oberbürgermeister der Stadt Herne und Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft.
Herausforderung Hochwasserschutz
Bei allem Stolz und aller Freude darüber, das Generationenprojekt Emscher-Umbau Ende 2021 im Kosten- und Zeitrahmen abschließen zu können, blickten die Verantwortlichen am Mittwoch realistisch auf die anstehenden Herausforderungen. „Bei dem Juli-Hochwasser hat der Hochwasserschutz an der Emscher sehr gut funktioniert. Dabei hatten wir jedoch auch Glück, auf das wir uns aber nicht verlassen können. Ein Regenereignis wie etwa in Hagen mit ca. 200 Liter Niederschlag pro Quadratmeter hätte auch in unserer Region erhebliche Schäden verursacht“, so Dudda, der als Vorsitzender des Ruhrparlaments immer auch die gesamte Metropole Ruhr im Blick hat. Als Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft hat er deshalb bereits im Oktober mit dem Genossenschaftsrat den Vorstand des Wasserwirtschaftsverbandes beauftragt, ein langfristiges Konzept für die weitere Optimierung des Hochwasserschutzes zu entwickeln. Erste Handlungen ließen nicht lange auf sich warten: Bereits in der vergangenen Woche führte die Emschergenossenschaft im Essener ChorForum eine Informationsveranstaltung für die Emscher-Kommunen durch. Mehr als 100 Teilnehmende, darunter auch zahlreiche Berufsfeuerwehren, beteiligten sich an dem Austausch, der unter anderem folgende Themenbereiche umfasste: Kommunikation gegenüber der Bevölkerung, Zusammenarbeit der Krisenstäbe, bauliche Maßnahmen.
Konkrete Maßnahmen, die die Emschergenossenschaft umsetzen möchte, stellte Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand, den Beteiligten vor: „Neben dem überströmungssicheren Ausbau und der Erhöhung von Deichabschnitten müssen wir langfristig Rückhalteräume für kommende Hochwasserereignisse sichern. Darüber hinaus werden wir unser Netz an Pegelmessstellen verdichten und auch für die Nebenläufe an der Emscher die Hochwasservorhersage weiterentwickeln. Um im Ernstfall schnell und vor allem frühzeitig reagieren zu können, werden wir zudem die Update-Frequenz der Hochwassersimulationen von 30 Minuten auf die Hälfte reduzieren“, sagt Grün.
Bedingt durch den Klimawandel entstehen mittlerweile kleinere, schwer zu prognostizierende Starkregenzellen. Gerade diese Zellen wirken sich beim Niederschlag auf kleine Gewässer aus und machen aus plätschernden Bächen reißende Ströme. Insbesondere dieser Aspekt ist für die Emschergenossenschaft herausfordernd, denn sie ist auf Niederschlagsprognosen des Deutschen Wetterdienstes angewiesen, auf deren Grundlage sie die Hochrechnungen für Pegelstände vornimmt.
Die Pegelstände insbesondere an der Emscher haben im Juli aufgezeigt, dass ein Ausbau der technischen Schutzanlagen stellenweise alternativlos ist. Deichabschnitte müssen überströmungssicher ausgebaut und der Ausbaugrad der Deiche an einigen Stellen erhöht werden – zum Beispiel auf ein Hochwasser, das statistisch betrachtet alle 500 Jahre vorkommen kann. Im Emscher-Lippe-Gebiet haben im Juli die 22 Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft Schlimmeres verhindert. Aufgrund der besonderen Situation im Ruhrgebiet mit seiner hohen Bevölkerungsdichte, dem hohen Grad an versiegelten Flächen, einem enormen Schadenspotenzial und der Belastung durch Bergsenkungen sieht die Emschergenossenschaft gerade beim Thema „Rückhalteräume“ Handlungsbedarf. Hier ist besonders die Flächenknappheit ein Problem. Über neue Formen der gemeinsamen Flächennutzung von Landwirtschaft und Wasserwirtschaft ist in jedem Fall nachzudenken.
Schon immer ein „Mitmach-Fluss“ gewesen
Alle anstehenden Herausforderungen will die Emschergenossenschaft gemeinsam mit ihren Mitgliedern angehen. Das demokratische Mittel der Mitgestaltung hat bei der Emschergenossenschaft bereits seit ihrer Gründung im Jahr 1899 Tradition. Über die einmal im Jahr stattfindende Genossenschaftsversammlung sowie über den Genossenschaftsrat, der einem Aufsichtsrat entspricht, erhalten die Mitglieder der Emschergenossenschaft die Gelegenheit, die Geschicke des Verbandes mitzuentscheiden. Ein über Jahrzehnte bewährtes Grundprinzip, welches die Emschergenossenschaft in diesem Jahr auch auf die Bürgerinnen und Bürger in der Region ausdehnte: Mit der Initiative „Mach mit am Fluss!“ denkt der Verband das genossenschaftliche Prinzip weiter und ermöglicht Basisdemokratie bei wichtigen Themen, die die Gesellschaft mit am meisten bewegen: Natur- und Umweltschutz sowie Klimafolgenanpassung.
Ein wichtiges Instrument ist dabei eine neue Crowdfunding-Plattform: die Emscher-Lippe-Crowd. Mit ihr gibt der Verband allen Kreativen und Engagierten die Möglichkeit, ihre eigenen Ideen und Projekte nicht nur zu präsentieren, sondern mit der Unterstützung von vielen Menschen umzusetzen. Auch die Emschergenossenschaft selbst wird sich an der finanziellen Förderung von Projekten beteiligen. Für eine erfolgreiche Teilnahme gibt es konkrete Anforderungen: Die Projekte sollten einen Bezug zu Wasser haben und/oder einen ökologischen Zweck verfolgen. Projektstarter*innen können dabei Vereine, Organisationen, Initiativen, Schulen, Stiftungen, Privatpersonen etc. sein.
Die blau-grüne Zukunft des Ruhrgebietes zu entwickeln und zu gestalten ist die nächste große Aufgabe, vor der die Region aktuell steht. „Wir als Emschergenossenschaft übernehmen gerne gemeinsam mit unseren Mitgliedern Verantwortung für die Zukunft der Region“, so Paetzel. Dass Großartiges gelingen kann, wenn gemeinsam agiert wird, beweist der Emscher-Umbau: Als das Projekt vor 30 Jahren beschlossen wurde, haben nicht gerade wenige Menschen der Emschergenossenschaft den sprichwörtlichen Vogel gezeigt – heute brütet der Eisvogel wieder an den Ufern der Emscher und ihrer Nebenläufe. Er gilt als Indikator einer guten Gewässerqualität!
Die Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft ist ein öffentlich-rechtliches Wasserwirtschaftsunternehmen, das als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip lebt. Sie wurde 1899 als erste Organisation dieser Art in Deutschland gegründet und kümmert sich seitdem unter anderem um die Unterhaltung der Emscher, um die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie um den Hochwasserschutz. Seit 1992 plant und setzt die Emschergenossenschaft in enger Abstimmung mit den Emscher-Kommunen das Generationenprojekt Emscher-Umbau um, in das über einen Zeitraum von rund 30 Jahren knapp 5,5 Milliarden Euro investiert werden. www.eglv.de
In weiten Teilen sind die Emscher und ihre Nebenläufe bereits von der Emschergenossenschaft vom Abwasser befreit und renaturiert worden - so wie in Dortmund-Deusen. Dort erinnert nichts mehr an die einstige Köttelbecke. Hier ist die Emscher längst wieder ein idyllisches Gewässer.
Dass Pumpwerk Bottrop ist 2018 in Betrieb genommen worden. Es leitet das Abwasser aus dem AKE direkt in die Kläranlage Bottrop ein.
Ein Blick ins Innere von Deutschlands größtem Schmutzwasserpumpwerk: Zehn Pumpen werden das Abwasser aus einer Tiefe von rund 40 Metern heben – mit einer Maximalleistung von 16.500 Litern pro Sekunde.
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