Meldungsdatum: 10.12.2021
Die Deportation von Bocholt nach Riga am 10. Dezember 1941
von Josef Niebur und Hermann Oechtering (VHS-Arbeitskreis Synagogenlandschaften)
Luzia Sundermann sah am Morgen des 10. Dezember 1941 auf ihrem Weg zur Liebfrauenkirche den Beginn der Deportation vor dem „Judenhaus“ in der Niederbruchstraße 20. Die Einundachtzigjährige erinnerte sich 1991 an diesen kalten Dezembermorgen: „Mir fiel sofort eine Gruppe Männer auf, die vor dem Haus der Familie Metzger stand. Die Männer hatten Abzeichen am Arm. Als ich näher kam, sah ich, daß sie Metzgers aus dem Haus holten. Dabei wurden Metzgers geschlagen; die Frauen weinten. In den Gesichtern der Juden stand Angst, sie sträubten sich.
Angst und Schläge
Doch die Männer schrien sie an. Sie schlugen noch die Scheiben ein. Die Juden mußten in den Bus einsteigen.“ Der Bus, den die Gestapo nach Bocholt geschickt hatte, fuhr auch die „Judenhäuser“ Bahnhofstraße 16 und Stiftstraße 32 an. Schließlich hielt er neben der Polizeidirektion Münsterstraße 76. Hier wurden die Eheleute Speyer und Steinberg gezwungen, in den Bus zu steigen. Gegen 8.30 Uhr setzte sich der Transport in Richtung Münster in Bewegung. Vierundzwanzig Bocholter jüdischen Glaubens mussten ihre Heimat verlassen, in der sie längst nicht mehr zu Hause waren. Sie wurden zum Sammelpunkt für die etwa 400 Juden aus Münster und dem Münsterland gebracht, dem Saal der Gaststätte Gertrudenhof an der Warendorfer Straße in Münster. Hier mussten sie zwei Tage unter unerträglichen Bedingungen vegetieren. Am 13. Dezember 1941 verließ der Deportationszug Münster. Er kam am Abend des 15. Dezember 1941 in Riga an.
Wilhelmine Süsskind (Coesfeld) erinnert sich
Was die verängstigten Menschen dort erwartete, schilderte Wilhelmine Süsskind aus Coesfeld, eine der wenigen Überlebenden dieser Deportation, die in das Münsterland zurückkamen. Die 1995 in Coesfeld Verstorbene erinnerte sich: „Und wie wir in Riga ankamen, stand die SS mit Hunden und Gewehren am Zug und nahm uns in Empfang. Und da hieß es - es war ja Winter und es lag hoher Schnee - alte Leute, die nicht laufen können, und kleine Kinder können mit Wagen ins Lager fahren. Aber leider sind diese Menschen nicht angekommen, wir haben sie nie wiedergesehen.“ Die Ankommenden wurden unter dem Geschrei der SS mit Peitschenhieben in das Ghetto Riga getrieben. Hier und im später folgenden Konzentrationslager Kaiserwald mussten sie bei völlig unzureichender Verpflegung Zwangsarbeit leisten und drakonische Bestrafungen über sich ergehen lassen. Willkürliche Erschießungen waren an der Tagesordnung
Von Riga in das KZ Stutthof
Als sich im Spätsommer 1944 sowjetische Truppen Riga näherten, wurden die in Kaiserwald Inhaftierten in das KZ Stutthof bei Danzig deportiert. Damals lebten nur noch fünf Bocholterinnen und Bocholter, die am 10. Dezember 1941 deportiert worden waren.
Als Letzter von ihnen starb am 23. April 1945 Paul Hochheimer in Buchenwald, der noch die Befreiung des KZ miterlebt hatte.
Nur Henny Hochheimer und Meta Metzger überlebten.
Meta Metzger
Meta Metzger, die 1922 im Haus Niederbruchstraße 20 geborene Tochter von Hedwig und Josef Metzger, wurde am 9. Mai 1945 durch sowjetische Soldaten aus dem Konzentrationslager Stutthof befreit. Sie kehrte am 11. Juli 1945 nach Bocholt zurück. Gemeinsam mit der im KZ-Außenlager Lauenburg befreiten Henny Hochheimer wohnte sie im Haus Stiftstraße 32. Sobald es die damals sehr eingeschränkten Reisemöglichkeiten erlaubten, reiste sie zu ihren Eltern nach Buenos Aires aus. Erna Grünebaum-Metzger schrieb 1981 in der BBV-Weihnachtsbeilage: „Leider habe ich meine ganze Familie (ca. 20 Personen) im KZ verloren. Eine Schwester von mir konnte sich retten. Sie war von 1941 bis 1945 in Stutthof bei Danzig und in Riga/Lettland im KZ. Sie wurde in letzter Stunde von den Russen befreit. Wir fanden uns aber erst 1948 durch das Rote Kreuz. Sie hieß Meta Metzger [...] und starb im Frühjahr [1980] als Witwe."
Meta Herlitz (geb. Metzger) starb am 27. November 1980 im Alter von nur 58 Jahren.
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