Meldungsdatum: 09.12.2021

Sonderausstellungen 2022 in der Kunsthalle Osnabrück

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Stand: 09.12.2021

 

Bis 27.02.2022: Jahresthema „Barrierefreiheit“

Mit zwei neuen Ausstellungen und einem inklusiven Filmprogramm zeigt die Kunsthalle Osnabrück den zweiten Teil ihres Ausstellungs- und Vermittlungsprogramms „Barrierefreiheit“. Die unterschiedlichen künstlerischen Positionen legen auf poetische Weise noch einmal verstärkt den Fokus auf gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen durch Exotisierung oder herrschende Gesundheitsparadigmen. Gleichzeitig werden in den jeweiligen Positionen Strategien der Selbstermächtigung aufgezeigt.

Die in Los Angeles lebende Künstlerin Candice Lin hat für die Kirche der Kunsthalle eine neue raumgreifende Installation entwickelt, die sich mit den kolonialgeschichtlichen Kontexten von heute beschäftigt. Text, Skulptur, Zeichnung, Keramik und Video werden dabei gleichwertig zu einem Raumbild zusammengeführt. Assoziierte Materialien wie Gold, Silber, Kupfer oder Opium verwandeln die Kunsthalle in einen verwunschenen Ort, der die Ideale von Heilung und Wohlstand als fortwirkende Zeichen von Macht und Ungleichheit in der Geschichte spielerisch demaskiert.

Katrin Mayer thematisiert in ihrem Ausstellungsraum künstlerisch den Wandel vom Kreuzgang als Wandelhalle hin zum Ausstellungskorridor der Kunsthalle. Dabei wird die Institution als historischer, sozialer und infrastruktureller Ort in verschiedenen Ebenen freigelegt. Die Geschichten der Mitarbeiter:innen der Kunsthalle stehen gleichberechtigt neben Abbildungen von Frauen in der Kirchengeschichte, die unter anderem daran erinnern, dass das erste Dominikanerkloster ein Kloster für Frauen war oder dieser oft vergessene Teil der Geschichte gleichermaßen unsere Gegenwart mitgestaltet hat.

Die Künstlerin und Kuratorin Inga Zimprich hat das Filmprogramm der Ausstellung „We Cannot Skip This Part“ übernommen, die gestaltet wurde von dem Künstler:innenduo „Die Blaue Distanz“ im Dialog mit dem Behindertenforum Osnabrück. Die Filme sind in Deutsch, Englisch, einfache Sprache, Gebärdensprache, Audiodeskription sowie in Braille übersetzt. Das Programm beschäftigt sich noch einmal verstärkt mit den Fragen von Teilhabe, Körpernormierung und Fürsorge als solidarische Praxis in unserer Gesellschaft. 

Ausgehend von der eigenen Geschichte beschäftigt sich die Kunsthalle mit den Ein- und Ausschlussmechanismen in der Gesellschaft und in der Kunst. Wir leben in einer Gesellschaft der Vielfalt und gleichzeitigen Ausgrenzung. Nicht alle Menschen haben gleichberechtigt Zugang zu Wohnraum, Bildung oder Sichtbarkeit. Normierungen lassen selten sich unterscheidende Bedürfnisse und Wahrnehmungen zu. Daher stellt die Kunsthalle mit ihrem Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm gemeinsam mit den eingeladenen Künstler:innen die Frage: Kann es eine Gesellschaft ohne Barrieren geben?

 

 

März

  1. - 20.03.2022: YUP Festival 2022

Das YUP Festival wird in der Kunsthalle Osnabrück, im Haus der Jugend Osnabrück und im öffentlichen Raum stattfinden. In diesem Jahr verhandeln die Performances die Themen Pleasure, Intimität, Nähe und Sexyness. Die künstlerischen Arbeiten lehnen sich gegen sexistische, heteronormative und rassifizierende Zuschreibungen auf. Erotik wird hier zum Ausdrucksmittel und Politikum gegen verinnerlichte und gelebte, etablierte Strukturen in intimen Beziehungen verstanden.

 

April

Mit “I’ll walk with you these streets, one last time” präsentiert Larisa Crunțeanu eine ortspezifische Soundarbeit für den öffentlichen Raum in Osnabrück, kuratiert von Anja Lückenkemper. Die Arbeit führt das Format einer künstlerisch-auditiven Stadtführung ein und verwendet als Methodik die fiktive Rückschau aus einer spekulativen Zukunft zurück auf unsere Gegenwart und Vergangenheit.  Crunțeanu folgt der Wasserlinie des Flusses Hase, der die Stadt durchquert und für viele der im 16. und 17. Jahrhundert in Osnabrück verurteilten angeblichen Hexen sowohl Zeuge als auch Todesursache war.

 

April/Mai

20.04.-29.05. Ausstellung des European Media Art Festivals (EMAF)

Das EMAF zählt zu den bedeutendsten Foren der internationalen Medienkunst. Als Treffpunkt für Künstler:innen, Kurator:innen, Verleiher:innen, Galerist:innen und Fachpublikum prägt es entscheidend die Thematik, Ästhetik und Zukunft der medialen Kunst. Neben Arbeiten der „klassischen“ Gattungen der Medienkunst wie (mehrkanaligen) Videoinstallationen oder raumgreifenden skulpturalen Arbeiten werden auch Klangarbeiten, Fotografien und Performances präsentiert. Besonderes Gewicht wird dabei auf Arbeiten liegen, die Medien nutzen, um in dreidimensional erfahrbarer Form Position zu gesellschaftlichen und politischen Themen in einer zunehmend digital bestimmten Welt zu beziehen.

 

Juni

25.06.2022 – 19.02.23 Jahresthema 2022: Romantik – mit den Künstlerinnen Anna Haifisch, Rosie Hasting/Hannah Quinlan, Gabriella Hirst, Irène Mélix, Henrike Naumann, Cemile Sahin und dem Forum demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst

Die Kunsthalle Osnabrück widmet sich in sechs Einzelausstellungen sowie einem künstlerischen Forschungs- und Vermittlungsprojekt dem Thema „Romantik“.

In Zeiten einer globalen Pandemie möchte die Kunsthalle Osnabrück mit ihrem Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm im Jahr 2022 fragen: Wie steht es mit unserer Sehnsucht nach Liebe, Identität und Zugehörigkeit? Das Jahres-thema „Romantik“ der Kunsthalle nimmt dazu die gleichnamige Kunst- und Literatur-Epoche als Zerrspiegel zur gegenwärtigen Verfasstheit der Gesellschaft zur Hand. Kaum eine andere Epoche hat in Deutschland und Europa mit ästhetischen Mitteln so sehr ein kollektives Gefühl geprägt — ein Gefühl zwischen Aufbruch, Nostalgie und Nationalismus. Im Kontext der mittelalterlichen Architektur der Kunsthalle soll zusammen mit den eingeladenen Künstler:innen, Kooperationspartner:innen und dem Publikum analysiert werden, ob das aktuelle Gefühl einer globalen Zerrissenheit mit einem Comeback der Bild- und Sprachwelten der Romantik einhergeht. Und was für Bestrebungen gibt es für ein neues Verständnis von Romantik als Gegenentwurf dazu?

Anna Haifisch – Comiczeichnerin und Illustratorin – wurde bekannt mit ihrem Comic „The Artist“: einem gebeutelten, dünnen Vogel, der als Spiegel zeitgenössischer Kämpfe einer Künstler:in im Neoliberalismus gelesen werden kann, aber auch als Abrechnung mit der immer noch präsenten Vorstellung eines Künstler-Genius. Für den Eingangsbereich und den Kreuzgang der Kunsthalle Osnabrück wird Anna Haifisch eine neue Arbeit entwickeln, die mehrere neue Geschichten des „Artist“ installativ in den Raum übersetzt und von Ende Juni 2022 bis Februar 2023 gezeigt wird. ­­

Seit 2014 arbeitet Gabriella Hirst an einem stetig wachsenden Archiv von Pflanzen, die nach Konflikten oder Siegen, Schlachten oder Waffen sowie politischen und militärischen Persönlichkeiten benannt sind. Als Fortführung ihres Archivs konzipiert sie für die Kunsthalle Osnabrück unter dem Arbeitstitel „Battlefield“ ein dreiteiliges Ausstellungsprojekt, das sich mit Pflanzensorten als Erbe und Erinnerungskultur beschäftigt. Über die Zusammenstellung der Züchtungen entsteht eine alternative Erzählung der Geschichte, die im Gewand romantischer, phantastischer Pflanzenformen umso gewaltvoller erscheint (25. Juni 2022 bis 19. Februar 2023).

Im Zentrum der Filminstallation von Cemile Sahin (ab 5. November 2022) stehen die Verträge von Sèrves (1920) und Lausanne (1923), die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges unterzeichnet wurden und das Territorium des Osmanischen Reiches aufteilten. Der Film, den die kurdisch-alevitische Künstlerin für die Kirche der Kunsthalle Osnabrück entwickeln wird, führt eine fiktive, zeitgenössische Figur in die historischen Fakten ein und zeichnet die Auswirkungen der Verträge auf die Region und die Familie der Protagonistin ein Jahrhundert nach deren Unterzeichnung nach.

Henrike Naumann ist eine der wichtigsten Künstler:innen, der sogenannten dritten Generation Ostdeutschlands, die die deutsch-deutsche Geschichte als Ausgangspunkt nimmt, um über grundsätzliche Fragen rechtsextremer Kontinuitäten in unserer Gesellschaft nachzudenken. In den 1990er Jahren selbst mit rechter Jugendkultur konfrontiert, interessiert sie sich in ihrer Arbeit für Mechanismen der Radikalisierung und der schweigenden Akzeptanz sowie Beiläufigkeit rechter Tendenzen und Ereignissen in unserem Alltag. Anlässlich von „Romantik“ wird Henrike Naumann ab 5. November 2022 im Neubau der Kunsthalle mehrere ihrer Arbeiten zum Thema Verschwörung erstmalig in einer raumgreifenden Installation miteinander in Beziehung setzen. Unter dem Titel „The Cathedral“ untersucht sie Strukturen der patriarchalen Dominanzgesellschaft und die Träume vom Systemumsturz.

Mit ihren Arbeiten mit den Medien Film, Zeichnung, Installation, Performance und Fresko setzen sich Rosie Hastings und Hannah Quinlan mit den soziokulturellen und politischen Strukturen auseinander, die Konservatismus und diskriminierende Praktiken innerhalb und im Umfeld der LGBTQ+-Gemeinschaft verstärken. Für das Kirchenschiff der Kunsthalle (25.6.–2.10.2022) wird das Künstler:innen-Duo eine ortsspezifische Installation aus neuen und bestehenden Arbeiten schaffen, mit der es die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Geschichte des Feminismus und der politischen Rechten in Großbritannien von der Edwardianischen Zeit bis heute fortsetzt.

Aufbauend auf der Auseinandersetzung mit antimodernen Bewegungen und Denkweisen wird das Forum demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst (Forum DCCA) ab 25. Juni 2022 im Neubau der Kunsthalle eine neue Ausstellung entwickeln, die sich mit den heutigen politischen und kulturellen Auswirkungen sowie den Wechselwirkungen von Romantik, Idealismus und Kulturpessimismus beschäftigt. Die Neuproduktion, bestehend aus einer Gesamtinstallation aus Objekten, Text und Videos legt dabei ihren Fokus auf den Antisemitismus als eine Jahrhunderte alte globale Kulturtechnik. Dabei wird untersucht, wie unterschiedliche Bewegungen, beispielsweise in Deutschland, der Türkei oder den USA einen stark ausgeprägten Antisemitismus verfolgen, der sich vor allem aus einer Ablehnung der Moderne und einer gleichzeitigen Hinwendung zu einer identitären, völkischen und essentialistischen Gesellschaftsordnung ergibt.

Angelehnt an ihr langjähriges, transnationales Forschungsprojekt zu historischen Kontaktanzeigen, die in komplexer Weise als Stellvertreter: innen über die kollektiven Erfahrungen queeren Lebens erzählen, wird die Künstlerin Irène Mélix in Osnabrück vor Ort während der gesamten Laufzeit von „Romantik“ zu historischen und gegenwärtigen, queeren Erzählungen forschen. Das Projekt ist ergebnisoffen, Ort und Forschungsprozess zugleich. Es entsteht aus vielfältigen Gesprächen der Künstlerin mit den Menschen vor Ort und wird begleitet und erweitert durch das Team der Kunstvermittlung der Kunsthalle Osnabrück.

Das Jahresprogramm Romantik wird maßgeblich gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes mit 135.000 Euro.

Pressekontakt: Heiko Mitlewski | Fachbereich Kultur | Tel. 0541 323-3217 | E-Mail: mitlewski@osnabrueck.de


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©  Lucie Marsmann
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Candice Lin, The Glittering Cloud, Installationsansicht Kunsthalle Osnabrück, 2021.


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©  Anna Haifisch
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The Artist - Ode an die Feder, 2021 (Reprodukt Berlin), Tusche auf Papier, digital koloriert. Courtesy die Künstlerin