Meldungsdatum: 04.04.2022
Nachdem in der vorausgegangenen Folge der Güterschuppen an der Kaiser-Wilhelm-Straße vorgestellt worden ist, wechselt der Fotograf die Straßenseite und begibt sich an die Kreuzung mit der Einfahrt zum Güterbahnhof. Dabei fällt sein Blick unweigerlich auf den imposanten, im Stil der Industriearchitektur der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts errichteten Fabrikbau an der Ecke zur Frankenstraße.
Das viergeschossige Backsteingebäude hatte die Geschäftsleitung der Spinnerei und Weberei der Firma Rudolph Karstadt AG für ihre Zweigniederlassung in Bocholt errichten lassen. Es handelte sich um ein Fabrikations- und Lagergebäude, dessen Bauantrag am 2. März 1925 gestellt wurde.
Sechs Wochen später genehmigte die städtische Bauverwaltung die Planungen. Neun Monate darauf erfolgte die Rohbauabnahme, und im Laufe des Jahres 1926 konnte das vollendete Werk schließlich in Betrieb genommen werden.
Das Gebäude, so wie es noch heute existiert, ist insgesamt 82 Meter lang und 17,70 Meter breit. Seine Höhe beträgt 17,44 Meter. Im Erdgeschoss wurden seinerzeit die Packerei, die Passiererei und die Andreherei eingerichtet. Die Warenaufmachung und die Näherei kamen im ersten Stock unter.
Im zweiten Obergeschoss, wie auch im Keller, befand sich das Lager, wohingegen die Kettspulerei und die Zettelei im dritten Stockwerk Einzug fanden. Das Dachgeschoss nahm schließlich die Schuss-Spulerei auf. Das Unternehmen investierte damals rund 840.000 RM in den Neubau.
Schaut man rechts in die Frankenstraße, so erkennt man hinter dem Fabrikhochhaus die Schlichterei, das Kesselhaus, den 75 Meter hohen Fabrikschornstein sowie daneben einen Kühlturm. Unmittelbar vor ihrem Fabrikations- und Lagergebäude, wo der Abstand zwischen der Straße und der Baufluchtlinie nur 8,50 Meter betrug, verfügte die Firma Karstadt über ein Anschlussgleis, welches quer über die Kaiser-Wilhelm-Straße führte und das Betriebs- mit dem gegenüberliegenden Eisenbahngelände verband. Diese Schienenverbindung war aber schon Ende 1918 dem Vorgängerunternehmen Gebr. Braunschweig genehmigt worden.
Im Zuge der Weltwirtschaftskrise kam es im Oktober 1931 zur Stilllegung der Firma Rudolph Karstadt AG mit ihren 1.200 Beschäftigten. Die Fabrikbauten wurden nach und nach verkauft. Das Fabrikationsgebäude übernahm 1941 die Firma Siemens und Halske aus Berlin. Gegenwärtig ist darin ein Großteil der Stadtverwaltung untergebracht.
Text: Wolfgang Tembrink, Foto: Stadtarchiv Bocholt
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