Mit Bangen blickte man auch im Landkreis Leer im Februar nach Moskau. Die zarte Hoffnung, dass der befürchtete Angriff Russlands auf das Nachbarland Ukraine noch abgewendet werden könnte, verflüchtigte sich am 24. Februar. Seit diesem Tag ist wieder Krieg in Europa, für viele Menschen unvorstellbar. Und die Erschütterungen sind bis nach Ostfriesland zu spüren. Der Krieg und seine schrecklichen Folgen werden zum beherrschenden Thema.

Der Landkreis Leer reagiert: politisch mit Worten, dann mit Taten. Im März beschließt der Kreistag mit großer Mehrheit eine gemeinsame Erklärung, die den völkerrechtswidrigen Überfall Russlands auf die Ukraine verurteilt, den Ukrainerinnen und Ukrainern Solidarität verspricht und die eigene Bevölkerung zur Hilfe aufruft. Bei Worten bleibt es nicht; der Landkreis sowie viele Bürgerinnen und Bürger machen sich ans Werk, den bedrängten Menschen zu helfen. Denn schon kurz nach Kriegsbeginn kommen die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine ins Kreisgebiet, um hier Schutz und Unterkunft zu suchen.

Die Zahl der ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer geht schnell in die Hunderte. Wer Interesse hat, meldet sich bei der Ehrenamtsstelle des Landkreises oder in den Rathäusern der Städte und Gemeinden, um Hilfe anzubieten, gerne Wohnungen zur Miete oder Dolmetscherdienste. Damit sich die Flüchtlinge zurechtfinden, stellt der Landkreis auf seiner Internetseite wichtige Informationen für den Alltag zusammen, übersetzt ins Ukrainische und Russische. Die Informationen gibt es auch gedruckt.

Bereits im Sommer überschreitet die Zahl der geflüchteten Ukrainer und der Asylbewerber aus anderen Ländern die Zahl derer, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung 2015/16 in den Landkreis kamen. In Zahlen: Kurz vor Jahresschluss zählt die Kreisbehörde rund 2.030 Kriegsflüchtlinge und 860 Asylbewerber.

Die große Zahl an Geflüchteten in diesem Jahr stellt den Landkreis und seine Kommunen vor Unterbringungsprobleme. Mit Hilfe des Technischen Hilfswerks verwandelt der Landkreis bereits im Frühjahr die Sporthalle der Berufsbildenden Schulen in Leer in eine Ankunftsstelle für bis zu 180 Personen, im Sommer wird zusätzlich ein ehemaliges Hotel in Moormerland angemietet. Im Herbst treffen so viele Menschen ein, dass es kaum noch möglich ist, genügend passende Wohnungen zu finden. Deshalb bringt der Landkreis schließlich Flüchtlinge in der Jugendherberge auf Borkum unter, wo bis zu 500 Menschen zwischen Mitte Oktober und Ende März eine Unterkunft finden können. Die leer stehende Oberschule an der Floorenstraße in Weener dient als Übergangs-Unterkunft.

Landrat Matthias Groote dankt in seinem Jahresrückblick besonders den Bürgerinnen und Bürgern, die ehrenamtlich helfen, dass sich die Flüchtlinge „bei uns willkommen fühlen können und gut untergebracht werden“. Doch ebenso hebt er die gute Zusammenarbeit mit den kreisangehörigen Städten und Gemeinden hervor: „Es war ein Kraftakt, aber gemeinsam haben wir es in diesem Jahr ganz gut geschafft.“