Meldungsdatum: 06.02.2023
Muaiad Abd Alrahman, Mitglied des Integrationsrates und selbst syrischer Geflüchteter, begrüßte die Gäste im Namen der Volkshochschule Bocholt-Rhede-Isselburg und des Integrationsbüros und Integrationsrates der Stadt Bocholt, die gemeinsam diesen Vortrag organisiert hatten.
„Ich bin seit 2016 in Deutschland und freue mich, dass die VHS und das Integrationsbüro Lutz Jäkel für den Vortrag heute gewinnen konnten“.
Jäkel, Fotojournalist, Autor und Vortragsreferent, berichtete, dass heutzutage viele Menschen – auch in Bocholt – mittlerweile syrische Nachbarn, Arbeitskollegen und ja – auch schon syrische Freunde – hätten. „Viele haben sicherlich auch Kontakt über ihre ehrenamtliche Arbeit, und ich möchte euch heute zeigen, wie Syrien vor dem Krieg aussah“, so Jäkel.
Massa Al-Kher und Massa An-Nour
Jäkel brauchte nicht lange, um mit den Gästen warm zu werden. Ein bisschen Arabisch gab es gleich zu Beginn, als er die Gäste mit „Massa Al-Kher“, was „Guten Abend“ bedeutet, begrüßte. „Und was antworten Sie mir dann? Massa An-Nour, das heißt so viel wie „Ich wünsche Dir eine Nacht voller Licht“. Im zweiten Anlauf klappte das auch gut.
Der studierte Islamwissenschaftler war 1993 zum ersten Mal im Rahmen seines Studiums in Syrien und war gleich begeistert. „Kein Land meiner vielen Reisen hat mich so beeinflusst und beeindruckt wie Syrien“, betonte Jäkel. Er startete mit Aufnahmen des Kriegsfotografen Christian Werner, die das Ausmaß der Zerstörung von mittlerweile über 12 Jahren Krieg zeigten. „Das haben wir als Erstes vor Augen, wenn wir heute an Syrien denken: Krieg, Zerstörung und Leid“, sagte Jäkel. Seine ganz persönlichen Erinnerungen und Fotos aus zwanzig Jahren Reisen durch Syrien wolle er den Kriegsbildern entgegensetzen.
Das ist Syrien
Erste Station von Jäkels Reise war Damaskus, die Hauptstadt und älteste Stadt der Welt, in der seit über 6.000 Jahren Menschen leben. Der Legende nach hat Kain seinen Bruder Abel hier erschlagen, ist es die Geburtsstadt von Abraham, und dort soll sich auch das Grab Johannes des Täufers befinden. Wenn er in Damaskus am Flughafen angekommen war, führte ihn der erste Weg stets zu „Bagdash“, der ältesten Eisdiele im Nahen Osten. „Das musste einfach sein…“ sagte Jäkel. „Das ist Syrien“, betonte er bei einem Bild des Cafés Nofarah. „Hier sitzen Frauen und Männer zusammen, alte und junge, es zeigt einen Querschnitt aller Lebensstile, die Syrien zu bieten hat“, berichtete Jäkel.
Zerstörtes Palmyra
Von Palmyra, das in weiten Teilen von der Terrormiliz IS zerstört wurde, hat er noch Bilder, die ein wenig an die Blütezeit der antiken Wüstenstadt vor 2.000 Jahren erinnern können. „Wenn ich heute die Bilder sehe, z.B. vom Hadriansbogen an der Kolonnadenstraße und weiß, dass vieles zerstört ist, dann frage ich mich, was aus all den Menschen geworden ist, die ich dort kennengelernt habe.“
Kultureller Reichtum
Weitere Landschaftsbilder erinnerten leicht an die italienische Toskana. „Was die wenigsten wissen, auch die Zypresse, die so typisch für die Toskana ist, hat Migrationshintergrund, sie hat einst den Weg aus Persien nach Italien gefunden.“ Vieles komme einem vertraut vor, wenn man sich damit beschäftige. „Es gibt viele Gemeinsamkeiten, wenn man auf das schaut, was uns verbindet“, zeigt sich Jäkel zum Ende des Vortrags nachdenklich und bringt ein Zitat des Journalisten Christoph Reuter, der viele Jahre über den Krieg in Syrien berichtete: „Es war nicht schwer, ein Postkartenidyll über Syrien zu zeichnen, es war auch nicht vollkommen falsch, es war nur unvollständig.“ Damit ging Jäkel darauf ein, dass die über 50 Jahre andauernde Diktatur in Syrien, nicht das ist, was das Land bis heute prägt und so besonders macht. „Es blutet mir das Herz, wenn ich sehe, welch schmutziges Spiel mit diesem kulturell und menschlich so reichen Land gespielt wird. Wir dürfen schließlich nicht vergessen: Syrien ist kulturell und menschlich ein so reiches Land, nicht wegen der Diktatur, sondern trotz der Diktatur.“
Zum Abschluss ließ er den syrisch-deutschen Youtuber Firas Alshater, auch er wegen des Krieges aus Damaskus geflohen, zu Wort kommen. Denn Firas Alshater ist überzeugt, dass es egal sei, wie sehr ein Volk unterdrückt und ein Land zerstört würde, am Ende bleibt die verbindende Botschaft: „Alle Menschen lachen in der gleichen Sprache“.
Pressekontakt: Integrationsbüro, Integrationsbeauftragter Bruno Wansing, Telefon: +49 2871 21765-612, E-Mail: bruno.wansing@bocholt.de
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