Meldungsdatum: 26.07.2023
(pen) Großes Unverständnis – das hat die Kreisverwaltung jetzt an die Bundestagsabgeordneten aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis adressiert. Stein des Anstoßes sind Absprachen innerhalb der Bundesregierung, die Betreuung der Jugendlichen unter 25 Jahren ab 2025 von den Jobcentern in die Agenturen für Arbeit zu verlagern.
Empfänger des von Heiner Dürwald, Leiter Jobcenter EN, unterzeichneten Schreibens sind Axel Echeverria (SPD), Timo Schisanowski (SPD), Dr. Janosch Dahmen (Bündnis90/Die Grünen) und Katrin Helling-Plahr (FDP).
Hintergrund der Absprache innerhalb der Ampel-Koalition: Das Bundesarbeitsministerium muss Sparziele erfüllen und so einen Beitrag zum ausgeglichenen Bundeshalt leisten. Die Idee: Wenn die Betreuung der jungen Menschen von den Jobcentern in die Agenturen für Arbeit wechselt, müssen die damit verbundenen Ausgaben von 900 Millionen Euro nicht mehr aus den Bundeshalt gezahlt werden.
„Stattdessen“, so Dürwald, „würden sie über die Arbeitslosenversicherung und damit aus den Sozialbeiträgen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber finanziert. Dies ist weder gerechtfertigt noch sozial gerecht.“ Das Verschieben der Ausgaben ist für ihn mit Blick auf die Folgen für die Betroffenen aber noch der deutlich kleinste Kritikpunkt.
„Wir als Jobcenter EN kümmern uns seit Jahren um die unter 25-jährigen, die Leistungen von uns erhalten. Für die allermeisten von ihnen ist der Start ins Berufsleben kein Spaziergang. Ihre Lebenswelt ist vielfach mit Herausforderungen jenseits von Ausbildung und Beschäftigung gekennzeichnet“, macht Dürwald deutlich. Dazu gehörten auch Sucht, Schulden und gesundheitlich Beeinträchtigungen, das Wohnen in schwierigen Verhältnissen und das Leben als Alleinerziehende.
„Im Gegensatz zu uns haben die Agenturen für Arbeit auf dem Feld der gezielten Integration und engen Begleitung keine Erfahrungen“, so Dürwald. Dies sei kein Vorwurf an die Arbeitsagenturen, sondern ein besorgter Hinweis an die Bundesregierung. Werde die Aufgabe, Jugendliche unter 25 zu betreuen, komplett an die Agenturen für Arbeit übertragen, wäre dies mit erheblichen organisatorischen Umstellungen und Aufwand verbunden, Personal und Know-how würden ohne Frage verloren gehen.
„Den Preis dafür zahlen am Ende die betroffenen jungen Menschen“, ist sich nicht nur Dürwald sicher. Auch der Deutsche Landkreistag, der Städtetag sowie eine Vielzahl von Jobcentern warnen nachdrücklich vor dem Umsetzen der Pläne. Im Ennepe-Ruhr-Kreis wären davon Stand heute mehr als 3.300 junge Menschen betroffen. Nur 350 von ihnen werden als direkte Bewerber um einen Ausbildungsplatz eingestuft.
Weiteres Manko: Förderangebote, für die dem Jobcenter EN jährlich 3,5 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sollen von der Agentur für Arbeit nicht fortgesetzt werden. Die Zeichen stehen hier offenbar auf „auslaufen lassen“.
Neben dem Schreiben setzt die Kreisverwaltung auch auf den direkten Austausch mit den Abgeordneten. Der nächste Termin hierfür steht für Ende August im Kalender. Schon jetzt macht Landrat Olaf Schade als Gastgeber deutlich: „Als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger vor Ort kann und werde ich keine Rücksicht darauf nehmen, wer in Berlin gerade Regierungsverantwortung trägt. Wo Kritik anzubringen ist, werde ich dies machen.“
In nächster Zeit werde er daher jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um das Thema anzusprechen. Dazu gehöre auch der Austausch mit der Agentur für Arbeit Hagen, die von den Berliner Plänen ebenso überrascht worden sein dürfte wie das Jobcenter EN.
Stichwort Kindergrundsicherung
Diese neue Leistung soll an die Kindergeldkassen übertragen werden. Auch dies stuft die Kreisverwaltung als einen erheblichen Bürokratieaufwand ein. Besser wäre es, die Kindergrundsicherung in den bestehenden organisatorischen Strukturen des Jobcenters EN abzuwickeln. Dann könnten die Leistungen aus einer Hand gewährt werden.
Die Pläne, die finanziell gut ausgestattete Kindergrundsicherung, überwiegend digital und ohne eine begleitende Beratungs- und Vermittlungsarbeit zu gewähren, komme für die Vielzahl der älteren Jugendlichen einer Grundsicherung ohne Bedingungen und Vorgaben gleich. Dies berge die Gefahr, dass die Betroffenen wenig Anreize für eine Beschäftigung sehen. Dies sei in jedem Einzelfall nicht zielführend und mit Blick auf den Arbeits- und Fachkräftemangel auch wenig sinnvoll.
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