Meldungsdatum: 05.10.2023

Unterstützung, die ankommt

Einblicke in die Arbeit des Kreisjugendamtes am Beispiel von Sadio

Mit ihrer Kampagne „Unterstützung, die ankommt“ will die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter lebenswirkliche Einblicke in die Arbeit der Jugendämter vermitteln. Auf ihrer Homepage hat sie Reportagen über beispielhafte Erfolgsgeschichten der Jugendhilfen veröffentlicht. Vier davon haben ihren Ursprung im Jugendamt des Märkischen Kreises.

Die Arbeit im Jugendamt des Kreises ist vielseitig. Dort passieren jeden Tag Geschichten mitten aus dem Leben. Dem Aufruf der Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter der Journalistin Renate Eder-Chaaban, positive Beispiele aus der täglichen Arbeit zu erzählen, folgte der Märkische Kreis dementsprechend gerne. Vier dieser Geschichten finden sich jetzt als Reportagen auf der Internetseite www.unterstuetzung-die-ankommt.de. Dafür hat die Journalistin einige Interviews geführt. Die Mitarbeiterinnen der Sozialen Dienste nahmen die Chance wahr, Einblicke in ihre Arbeit zu gewähren und mit Vorurteilen aufzuräumen. Ausführlich zu Wort kommen aber auch die betroffenen Kinder, Jugendlichen und Eltern. Sie gaben der Journalistin bereitwillig Auskunft und berichteten über ihre Erfahrungen mit dem Jugendamt. Die Gespräche drehten sich um häusliche Gewalt, Vernachlässigung, Inobhutnahmen, sexuellen Missbrauch. Die Rede war aber auch von warmherzigen Pflegeeltern, gelungener Heimerziehung, Hilfeplangespräche und immer wieder von zugewandten, empathischen Jugendamtsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern.

 

Kreisjugendamt betreut aktuell 51 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge

Die Geschichte von Sadio aus Guinea, Westafrika, hat Kathrin Dudeck, Sachgebietsleiterin Soziale Dienste, besonders berührt. Sie zeigt, dass sich Bemühungen zur Integration durchaus lohnen und Verminderung des Fachkräftemangels beitragen können. Angesichts des derzeitigen Flüchtlingssituation ist die Geschichte auch aktueller denn je. Derzeit betreut das Team des Kreisjugendamtes 51 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie kommen schwerpunktmäßig aus Syrien, Afghanistan und Afrika. Im Mittelpunkt stehen die pädagogische Begleitung sowie die Unterstützung durch wirtschaftliche Erziehungshilfe. Die Quote steigt kontinuierlich. Da aktuell zu wenig Plätze in der Jugendhilfe vorhanden sind, sind die Jugendämter vom Land gehalten, sogenannte `Brückenlösungen`, also Heimeinrichtungen mit pädagogischer Betreuung und fachlichem Konzept, aber noch ohne Betriebserlaubnis, zu fördern. Davon betreibt das Jugendamt MK vier Brückenlösungen gemeinsam mit verschiedenen Jugendhilfeträgern. 

Doch zurück zu Sadio: Seine Eltern verunglückten bei einem Autounfall in Westafrika tödlich, als er sieben Jahre alt war. Sein Onkel nimmt ihn auf und lässt ihn auf seinem Feld und im Haus arbeiten. Die Schule darf Sadio nur unregelmäßig besuchen. Die Situation eskaliert, als ein Onkel den Jungen nach dem Besuch eines christlichen Gottesdienstes verprügelt und bedroht. Mit 14 Jahren flieht der Guineer ohne Ausweispapiere. Sein Ziel: Deutschland. Dort wohnt ein anderer Onkel, von dem er nur eine Telefonnummer auf einem Zettel besitzt.

Sadios gefährliche Reise

Die abenteuerliche und gefährliche Reise führt den Jungen über Mali und Niger, wo er sich als Straßenverkäufer über Wasser hält. Um nach Europa zu gelangen, macht er sich mit einer Gruppe Jugendlicher und der Hilfe eines Schleppers im Lkw quer durch die Wüste auf den Weg nach Libyen. Dort wird der 14-Jährige von dem Schlepper als Arbeitssklave verkauft. Sadio hat Glück im Unglück. Sein „Herr“ hat Mitleid und verschafft ihm einen Platz auf einem Schlauchboot übers Mittelmeer. Doch der Motor versagt bereits nach einer Stunde. Wasser schwappt ins Boot. „Manche sind über Bord gegangen und ertrunken“, berichtet Sadio der Journalistin Renate Eder-Chaaban. Seine Rettung durch ein Schiff des Deutschen Roten Kreuzes erlebt er nicht bei Bewusstsein. Erst in einem Krankenhaus in Pisa wacht er auf. Sein Anker, die Telefonnummer seines Onkels, ist verloren. Trotzdem bricht er mit gleichaltrigen Flüchtlingen über Frankreich und Belgien nach Deutschland auf.

In Köln wird der inzwischen 16-jährige Westafrikaner aufgegriffen und nach einiger Zeit in die Obhut des Jugendamtes des Märkischen Kreises übergeben. Seine Hauptansprechpartnerin ist die Sozialpädagogin Kathrin Dudeck. Obwohl sie kein Französisch spricht, verstehen sich die beiden auf Anhieb: „Ich hatte immer einen Dolmetscher dabei und konnte so Vertrauen aufbauen. Das war dringend nötig, denn der Junge hatte Schreckliches erlebt“, erzählt Dudeck der Journalistin. Der junge Guineer ist intelligent und ehrgeizig. Anderthalb Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland spricht er gut Deutsch und besteht die Hauptschule nach der 9. Klasse. In einem kleinen Dorf beginnt er eine Lehre als Koch. Er fühlt sich allein, findet keinen Anschluss. Die Lehre bricht er ab. Stattdessen besucht er ein Berufskolleg in der nächst größeren Stadt.

Ausbildung zum Sozialassistenten

Nach einem qualifizierten Abschluss beginnt Sadio eine Ausbildung zum Sozialassistenten. In der Zwischenzeit kümmert sich seine Ansprechpartnerin beim Kreisjugendamt um eine Anschlussmaßnahme in Dortmund. „Ich wusste, dass er in einer größeren Stadt besser aufgehoben ist. Auch eine afrikanische Community war wichtig“, erklärt die Sozialpädagogin Kathrin Dudeck. Sadio zieht um und erhält in den ersten Monaten noch Unterstützung vom Jugendamt in Form von Hilfen zur Erziehung. Er ist glücklich. Die Abschlussprüfung ist bestanden, er findet Arbeit in einer Behinderteneinrichtung, zieht in eine eigene Wohnung und bezahlt seine Miete selbst. Doch es gibt noch einen Haken: Weil er keine gültigen Ausweispapiere hat, ist seine Aufenthaltsgenehmigung nur befristet. Nach mehreren Anläufen bei der guineischen Botschaft erhält er nach langer Ungewissheit seine originalen Ausweispapiere und kann eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Allerdings hat er seinen Onkel in Deutschland trotz aller Bemühungen des Deutschen Roten Kreuzes bislang noch nicht gefunden. Aber Aufgeben ist für Sadio keine Option.

Pressekontakt: Ursula Erkens 02351 966


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgendes Medium anbieten:

51 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge werden aktuell vom Team des Jugendamtes betreut, Symbolbild Raffi Derian/ Märkischer Kreis

©  
51 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge werden aktuell vom Team des Jugendamtes betreut, Symbolbild Raffi Derian/ Märkischer Kreis