Meldungsdatum: 04.10.2023

Arbeitsmarktdialog Kassel 2023: Gemeinsam den Arbeitsmarkt von morgen gestalten

Chancen für Arbeitssuchende mit besonderem Förderbedarf verbessern – darum ging es beim Arbeitsmarktdialog 2023 der Stadt Kassel. Expertinnen und Experten aus den Bereichen Schule und Bildung, Arbeitsmarktförderung, Institutionen und Verbänden, Träger von Maßnahmen sowie aus der Politik und Unternehmen berieten, welche Bedingungen vorhanden sein müssen, um etwa junge Menschen oder aber Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen auf ihrem Weg in den Beruf besser unterstützen zu können.

„Es gibt einerseits viele Menschen, denen bisher der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt ist und gleichzeitig suchen viele Unternehmen händeringend nach Fachkräften“, so Bürgermeisterin Friedrich. „Mit dem Arbeitsmarktdialog wollen wir Lösungsansätze weiterentwickeln und neu schaffen, wie wir potenzielle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Arbeitsgebern zusammenbringen können.“

Trotz verbesserter Arbeitsmarktdaten gibt es große Herausforderungen
„Die Herausforderungen an den Arbeitsmarkt sind zweifellos groß, reichen sie doch vom Fachkräftemangel über die Integration von Geflüchteten bis hin zu der Motivation junger Erwachsener für die duale Ausbildung. Unsere Wirtschaft wachstumsorientiert am Laufen zu halten, ist hier die Zielmarke. Doch Arbeit ist mehr als Ökonomie und Beschäftigung dient nicht nur der eigenen Existenzsicherung. Auch wegen der gewaltigen Umbrüche in der Berufswelt allein durch KI und dem Innovationsmuss im globalen Konkurrenzdruck, ist es wichtig, die Zufriedenheit, das Engagement und die Neugier von Mitarbeitenden stets zu unterstützen“, so Dorothée Sachse, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kassel.

Sie gab gemeinsam mit Jutta Kahler, Geschäftsführerin des Jobcenter Stadt Kassel, einen kurzen Einblick in die aktuellen Kasseler Arbeitsmarktdaten. Allgemein kann dabei festgestellt werden, dass die Arbeitslosenquote in Kassel (8,1 Prozent) über der hessischen Quote liegt (5,1 Prozent).

Zwar gibt es seit 2019 einen Rückgang der Bewerbungszahlen für Berufsausbildungsstellen allgemein, aber einen überdurchschnittlichen hohen Anteil von Bewerbenden über 25 Jahren. Liegt er hessenweit bei 8,4 Prozent, so sind es in Kassel fast doppelt so viele (16, 4 Prozent). Zudem bemühen sich überdurchschnittlich viele Bewerberinnen und Bewerber mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen um einen Ausbildungsplatz (Kassel: 31,4 Prozent, Hessen: 23,3 Prozent).

Auffällig ist, dass von den rund 13.230 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten des Jobcenters (Stand August 2023) etwa 4.730 Personen zwar einen Schulabschluss, aber keine Ausbildung vorweisen konnten. „Alle unsere Kundinnen und Kunden haben ganz individuelle Unterstützungsbedarfe. Das erfordert in jedem Fall die passenden Angebote. Gleichzeitig gibt es Kundengruppen, die auch im nächsten Jahr besonders im Fokus stehen und für die wir spezielle Angebote haben“, erläutert Jutta Kahler, Geschäftsführerin des Jobcenter Stadt Kassel. So werden bereits seit diesem Jahr Erziehende durch das neu im Jobcenter Stadt Kassel eingerichtete Chancenbüro unterstützt. Bei aus der Ukraine geflüchteten Menschen stehen für das Jobcenter neben der Begleitung des Spracherwerbs und der Anerkennung der Berufsabschlüsse auch die direkte Vermittlung in Arbeit im Mittelpunkt, da die Sprache in manchen Fällen auch berufsbegleitend erfolgen kann. 

Mut auf beiden Seiten
Sowohl Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer mit einem Förderbedarf brauchen manchmal nur ein bisschen Mut und Vertrauen, wie das Beispiel von Thomas Barth, Vertriebsleiter des Immobilienunternehmens Hoesch-Kröger-Kampe, sowie dessen Mitarbeiterin Natalia Klievtsova zeigt.

Natalia Klievtsova floh im vergangenen Jahr aus der Ukraine nach Kassel. Für die Mutter war klar, dass sie hier wieder in ihrem Beruf als Maklerin arbeiten möchte. „Meine in der Schule erlernten Deutschkenntnisse lagen brach und mussten aufgefrischt und aufgebessert werden, aber ich wollte unbedingt so schnell wie möglich eine Arbeit finden“, so Natalia Klievtsova. „Menschen aus der Ukraine fällt es sehr schwer, Hilfe anzunehmen. Es ist für uns sehr wichtig zu arbeiten.“ Dieser Wille und ihre Fachkenntnisse überzeugten Thomas Barth: „Natalia hat mich mit ihrer Art und ihrer Energie so begeistert, dass wir ihr eine Stelle als Maklerin angeboten haben, obwohl wir uns im Bewerbungsverfahren für einen anderen Bewerber entschieden hatten. Große Herausforderungen waren die bürokratischen Hürden, aber auch Vorurteile bei Kundinnen und Kunden, die jedoch schnell ausgeräumt waren.“
Das Jobcenter Stadt Kassel konnte mit einem Eingliederungszuschuss die Beschäftigungsaufnahme unterstützen. Mittlerweile hat Natalia Klievtsova die die sogenannte B1-Sprachprüfung erfolgreich bestanden, nimmt jetzt sogar am Kurs für fortgeschrittene Kenntnisse teil. Sie hat sich die fehlenden Kenntnisse autodidaktisch erarbeitet und die Prüfung mit Bravour bestanden. Dieser Fall zeigt, dass es sich lohnt auf Mitarbeitende mit Förderbedarf zu setzen!

Durch Workshops zu neuen Projekten
In intensiven dialogisch ausgerichteten Workshops wurden nach den Inputs und auf Basis der Erfahrungen der vergangenen Jahre von allen Teilnehmenden wichtige Impulse und Anregungen für die Ausrichtung und Ausgestaltung der Kasseler Ausbildungs- und Arbeitsmarktstrategie gegeben. Diese ist Voraussetzung für die Gewährung von Fördermitteln des Landes Hessen aus dem jährlichen Ausbildungs- und Qualifizierungsbudget, welches in 2023 ein Volumen von rd. 1,1 Mio. € umfasste und in ähnlicher Höhe auch in den kommenden Jahren erwartet wird.

Das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HSMI) war digital dem Arbeitsmarktdialog zugeschaltet und wies in seinem Grußwort auf die bisherige vertrauensvolle Zusammenarbeit hin. „Wir nehmen ein großes Engagement der Kommunalen Arbeitsförderung der Stadt Kassel und der Arbeitsmarktakteure wahr und freuen uns über die intensive und passgenaue Nutzung unseres vielfältigen Förderangebots, um Menschen den Einstieg oder Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, so Herr Bieräugel vom Referat Hessische Arbeitsmarktförderung des HMSI.

Als erste Ergebnisse aus den intensiven Workshops des Arbeitsmarktdialogs ist festzustellen, dass die bisherigen Fokusgruppen (junge Erwachsene unter 25 Jahren, Frauen, Geflüchtete und Menschen mit Migrationshintergrund, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Erwerbsminderung (im Leistungsbezug des SGB XII)) noch immer im Blick behalten werden müssen. Auch zeichnet sich ab, dass psychische Belastungen bei ihnen in den letzten Jahren zugenommen haben, was mit der Corona-Pandemie und den Auswirkungen des Angriffskriegs auf die Ukraine zusammenhängt. Aufgrund der Arbeitsmarktdaten und der Beschäftigungsquote können aber auch weitere Fokusgruppen entstehen, wie z. B. Menschen ab 55 Jahren, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Auf Basis der Ergebnisse der Workshops wird von der im Sozialamt der Stadt Kassel angesiedelten Kommunalen Arbeitsförderung die Ausbildungs- und Arbeitsmarktstrategie für die kommenden Jahre formuliert. Zudem werden mit unterschiedlichen Kooperationspartnern Maßnahmen und Projekte entwickelt, die den Zugang zum Arbeitsmarkt für benachteiligte Fokusgruppen schaffen und erleichtern sollen. „Es wird gelingen, auch in den kommenden Jahren passgenaue Angebote mit unterschiedlichen Schwerpunkten zu schaffen, um Menschen (wieder) eine Perspektive am Arbeitsmarkt zu geben und gleichzeitig für die Unternehmen Fachkräfte zu akquirieren.“ sind sich Anja Deiß-Fürst, Leiterin des Sozialamtes und Denis Müller, Leiter der Kommunalen Arbeitsförderung einig. „Wichtig ist dabei, dass alle aufeinander zugehen und sich nicht scheuen, auch einmal besondere Herausforderungen anzunehmen.“

Hintergrund:
Vielen Menschen ist der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt oder zumindest erschwert. Das Land Hessen und die Stadt Kassel schaffen mit dem Arbeitsmarkt- sowie dem Ausbildungs- und Qualifizierungsbudget in Kooperation mit den Arbeitsmarktakteuren Angebote, die sich an Menschen mit besonderem Förderbedarf richten. Dabei handelt es sich um Strategien und Maßnahmen, die zum Beispiel zur Ausbildungsvorbereitung, zur Arbeitsmarktintegration, zur Fachkräftesicherung und zur (Re)Integration nicht Erwerbsfähiger in den Arbeitsmarkt dienen. Auch Ausbildung und Ausbildungscoaching bei besonderen Bedarfen können zu den Maßnahmen gehören.

Im diesjährigen Arbeitsmarktdialog wurden die bisherigen Fokusgruppen – Jugendliche und junge Erwachsene, Frauen, Menschen mit Migrations- und/oder Fluchthintergrund, Langzeitarbeitslose und erwerbsgeminderte Menschen, die sich bereits im Leistungsbezug des SGB XII befinden – weiter geschärft und Ansätze für neue Projekte geschaffen.

Pressekontakt: Simone Scharnke


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:

Arbeitsmarktdialog 2023

©  Stadt Kassel/Harry Soremski
Arbeitsmarktdialog 2023

v. l.: Dorothée Sachse (Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kassel),Jutta Kahler (Geschäftsführerin des Jobcenter Stadt Kassel), Denis Müller (Kommunale Arbeitsförderung Stadt Kassel), Natalia Klievtsova (Maklerin), Thomas Barth (Hoesch Kröger Kampe Immobilien), Anja Deiß-Fürst (Leiterin Sozialamt Stadt Kassel), Bürgermeisterin Ilona Friedrich


Arbeitsmarktdialog 2 - Veranstaltungsbild

©  Stadt Kassel/Harry Soremski
Arbeitsmarktdialog 2 - Veranstaltungsbild

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