Meldungsdatum: 24.11.2023

„Die Architektursprache der Stadtbücherei ist einzigartig“

Stadtbücherei Münster feiert 30. Geburtstag / Architektin Julia Bolles-Wilson im Interview

Münster (SMS) Entworfen von Julia Bolles-Wilson und Peter Wilson, gehört die Stadtbücherei bis heute zu den architektonischen Höhepunkten in Münster. Im Jahr 1987 hatte das Architekturbüro „Bolles+Wilson“ (London/Münster) den ausgelobten Wettbewerb für sich entschieden und die unverwechselbare Gebäudegruppe zwischen dem historischen Krameramtshaus und dem Kiffepavillon aus den 50er-Jahren geschaffen. An diesem Wochenende feiert der Neubau der Stadtbücherei seinen 30. Geburtstag. 

Zu den Feierlichkeiten lädt die Stadtbücherei am Samstag, 25. November, gemeinsam mit dem Bund Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) Münster-Münsterland um 19 Uhr unter anderem zu einem „A-Z Architekturabend“ mit Julia Bolles-Wilson und Peter Wilson ein. Wir haben vorab mit der gebürtigen Münsteranerin Julia Bolles-Wilson über eines der letzten großen Bauprojekte gesprochen. 

Frau Bolles-Wilson, was macht die Stadtbücherei Münster so besonders?
Julia Bolles-Wilson: Die Architektursprache der Stadtbücherei ist eine ganz besondere, die es nirgendwo anders auf der Welt noch einmal gibt. Sie ist artikuliert, das heißt: Sie zeigt deutlich, wo der Eingang ist, thematisiert Dächer, Erker und eine Vielfalt an Fenstern. Sie erzählt innen wie außen, wie die tragende Struktur funktioniert, welchen Verlauf ein Brief im Briefkasten nimmt, wie unterschiedliche Materialien im Detail miteinander verbunden werden. Obwohl sie mit ihrer Architektursprache eine Singularität in der Innenstadt ist – wie übrigens auch der Kiffe Pavillon oder das Krameramtshaus –, nimmt sie alle Eigenarten ihrer Nachbarn auf und erfindet daraus etwas Schönes.     

Das Innenleben diente später als Vorbild für Bibliotheksneubauten weltweit. War Ihnen bereits damals klar, dass die Stadtbücherei eine derartige Vorreiterrolle einnehmen könnte?
Öffentliche Bibliotheken waren damals oft langweilige, vollgestopfte Räumlichkeiten, in kleineren Städten auch einfach in den Rathäusern mit untergebracht, mit seelenloser Beleuchtung und einer sehr schlichten Möblierung. Wir hatten das Glück, im berühmten Rundraum des British Museums arbeiten zu dürfen, in dem auch Karl Marx schon gesessen hat. Und wir kannten schöne Bibliotheksräume von Hans Scharoun oder Gunnar Asplund und wollten die Räume in Münster so vielfältig und fantasievoll gestalten, wie das Bücherlesen selbst ist. Dies hat einen Ruck durch die Bibliothekswelt gesendet, sodass in der Folge viele interessante Bibliotheksbauten entstanden sind. 

Bis heute ist die Stadtbücherei das vielleicht letzte große Bauprojekt der Stadt Münster. Wenn Sie an die Zeit damals denken: Welche besonderen Herausforderungen haben die Planung und Umsetzung der Stadtbücherei vor 30 Jahren mit sich gebracht? 
Wir standen vor den typischen Herausforderungen bei der Planung und Umsetzung, die allerdings für uns als damals noch junge Architekten durchaus neu und entsprechend anspruchsvoll waren. Es galt, die Regeln und Gesetze zu beachten, ein großes Team an Ingenieuren und Baufirmen zu koordinieren, das gewünschte Programm umzusetzen und dabei innerhalb des vorgegebenen Budgets zu bleiben. Das ist uns gelungen: Am Ende lagen wir sogar zwei Millionen Mark unter dem Budget und haben dabei eine tolle Architektur erschaffen. 

Dankbar waren wir vor allem für den Rückhalt, das Vertrauen und die Begeisterung, die uns im Vorfeld zum Baubeschluss 1989 und auch danach entgegengebracht worden sind. Sei es von der damaligen Büchereileiterin Monika Rasche und ihrem Team, von Münsters früherem Oberbürgermeister Jörg Twenhöven, von Stadtdirektor Hermann Jansen oder von dem Planungsdezernenten Lutz Rupprecht, der Vorsitzenden des Kulturausschusses, Hildegard Graf und dem gesamten Stadtparlament. 

Wird sich die Stadtbücherei nicht nur inhaltlich, sondern auch architektonisch an die neuen Nutzungsgewohnheiten der Menschen im Zuge der Digitalisierung anpassen müssen?   
Der Prozess der Digitalisierung ist in der Stadtbücherei bereits recht weit fortgeschritten. Viele Bücher, vor allem Sachbücher, sind aus den Regalen verschwunden, verdrängt durch effizientere Recherche im Internet. Der hierdurch frei werdende Raum wird durch Lese- und Lernplätze besetzt, eine sehr sinnvolle und attraktive Nutzung vor allem für junge Menschen, denen Räume mit Zugriff auf Nachschlagewerke und WLAN, in denen auch gemeinsam gelernt werden kann, häufig nicht zur Verfügung stehen.

Im Zuge der Automatisierung von Aus- und Rückgaben haben wir bereits massive Änderungen im Eingangsbereich geplant. Und an manchen anderen Stellen ist eine räumliche Anpassung erforderlich. Zum Beispiel soll der ehemalige Zeitungslesesaal mehr als Veranstaltungsraum genutzt werden. Wenn es gut gemacht ist, verträgt die Architektur auch Veränderungen, allerdings gibt es eine Grenze, an der die Harmonie und der Zusammenhalt der einzelnen architektonischen Elemente bei diesem genau auf das spezielle Raumprogramm der Bibliothek maßgeschneiderten Gebäude schnell verloren gehen kann.

Bild: Julia Bolles-Wilson, hier mit dem Architekten und Journalisten Stefan Rethfeld, informiert auf dem „A-Z Architekturabend“ über die Planungen und den Bau der Stadtbücherei Münster. Foto: Stadt Münster/Meike Reiners. Veröffentlichung mit dieser Pressemitteilung honorarfrei
 


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Julia Bolles-Wilson

©  Stadt Münster/Meike Reiners
 Julia Bolles-Wilson

Julia Bolles-Wilson, hier mit dem Architekten und Journalisten Stefan Rethfeld, informiert auf dem „A-Z Architekturabend“ über die Planungen und den Bau der Stadtbücherei Münster.