Meldungsdatum: 22.04.2024

„Zwischen den Welten“: Erstes queeres Literaturfestival in Osnabrück

Gay in May und das Literaturbüro Westniedersachsen veranstalten zusammen mit weiteren Projektpartnern „Zwischen den Welten“, das erste queere Literaturfestival in Osnabrück. An zwei aufeinanderfolgenden Tagen, Samstag, 4. Mai, und Sonntag, 5. Mai, sind im Rahmen von Gay in May in der Kunsthalle Osnabrück, Hasemauer 1, sechs Autorinnen und Autoren mit ganz unterschiedlichen Texten vom Sachbuch bis zum Roman zu erleben.

Sie alle erzählen von der Suche nach sich selbst und der Freude in den eigenen Farben zu leuchten. Außerdem wird es für die Zeit vor und nach den Lesungen weitere Kurztexte als Hörstationen in der Kunsthalle geben, die man ganz individuell anhören kann. Diese Audiolesungen sind während des Festivalzeitraums auch im Internet verfügbar und machen so Lust auf einen Festivalbesuch. Literatur bringt unterschiedliche Welten zusammen und bietet den Erfahrungsraum andere Realitäten kennenzulernen!

Den Auftakt macht am Samstag um 10 Uhr der fulminante Debütroman „Sieben Sekunden Luft“ von Luca Mael Milsch, der kürzlich auf der Leipziger Buchmesse große Aufmerksamkeit fand. Wie jeden Morgen sitzt Selah auf der Veranda und wartet in die Stille hinein. Drei Monate sind vergangen, seit Selah sich krankgemeldet hat, um zu verschwinden. Doch die gewünschte Einsamkeit wird unerwartet zur Triebfeder für Vergangenes und Verdrängtes: Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen, ist Selahs Beziehung zur Mutter von Erwartungsdruck, Schweigen und Scham. Als die Mutter im Sterben liegt und Selah längst ein Leben mit der eigenen Familie führt, werden die noch immer klaffenden Wunden offenbar. Luca Mael Milsch schreibt von Fragilität, die zur Stärke wird, von einer Welt voller Ambivalenzen, von der Sehnsucht nach einer selbstbestimmten Verortung in einer starren Struktur. Und darüber, was von uns übrigbleibt, wenn alles andere verschwindet.

Am Samstag um 12 Uhr folgt ein weiterer Debütroman, den es zu entdecken gilt: Duygu Ağals „Yeni Yeşerenler“. Es erzählen heranwachsende junge Frauen, die im Denken zwischen deutscher und türkischer Sprache hin- und her-mäandern. Sie alle befinden sich im Zustand queeren Erwachens, sie lieben Frauen. Sie wollen leben, wie sie wollen. Doch sehen sie sich mit Konflikten konfrontiert mit den teils üblichen Verdächtigen (Familie, Gesellschaft), aber auch mit dem weißen feministischen Establishment. Die Einsamkeit ist ihr Begleiter. Schonungslos ehrlich, verletzlich: Mit klaren Worten bringt Ağal die Komplexität ihrer Figuren zur Geltung.

Mit Lion Christs „Sauhund“ geht es am Samstag um 14 Uhr in die Münchener Szene von 1983. Flori kommt vom Land und sucht das pralle Leben, Glanz und Gloria, einen Mann, der ihn mindestens ewig liebt. Er ist ein unverbesserlicher Glückssucher und Taugenichts, ein Sauhund und Optimist. Im München von Franz Josef Strauß und Freddie Mercury, von erstickendem Biedersinn und wildem Hedonismus, ist jeder eigene Schritt eine kleine Befreiung. Flori rennt vor seinen Eltern davon, vor seiner ersten großen Liebe, vor jedem mit Erwartungen an ihn. Er wirft sich in die Clubs und Klappen, die heimlich zweckentfremdeten Ehebetten und Berührungen in aller Öffentlichkeit. Mit „Sauhund“ setzt Lion Christ Flori und allen vergessenen Liebenden des ersten AIDS-Jahrzehnts ein rauschhaftes Denkmal.

Ins 18. Jahrhundert geht es dann am Samstag um 16 Uhr mit Angela Steideles Roman „In Männerkleidern“. Catharina Linck war die letzte Frau, die in Europa wegen der »Unzucht mit einem Weybe« hingerichtet wurde. Aufgewachsen im Waisenhaus in Halle, legte sie schon als Fünfzehnjährige Männerkleider an, nannte sich Anastasius Rosenstengel und »caressierte« mit einem »von Leder gemachten ausgestopfften Männlichen Glied« zahlreiche »schöne Weibspersonen«. Kenntnisreich und voller Sympathie erzählt Angela Steidele die verblüffende Lebensgeschichte einer furchtlosen Frau aus ärmlichen Verhältnissen, die mit Witz und Abenteuerlust alle Grenzen sprengte, die ihr durch Geschlecht und Stand gesetzt waren. Ergänzt um die – aus heutiger Sicht – skurrilen Gerichtsakten verändert In Männerkleidern unseren Blick auf die Frühe Neuzeit und gleicht dabei einem Schelmenroman voll tragischer Komik.

Den Abschluss am Samstag macht dann um 18 Uhr Alicia Zett mit dem Roman „Wie Wellen im Sturm“. Die 16-jährige Louise hat das Gefühl, nicht dazuzugehören. In der Schule verbringt sie die Pausen meist allein, und in ihrer Freizeit flüchtet sie sich in ihre Fantasy-Geschichten, denn Schreiben ist Louises größte Leidenschaft. Als sie durch ihre Schriftstellerei ein Stipendium für das renommierte Internat Schloss Mare an der Nordseeküste erhält, steht ihr Leben plötzlich Kopf. Im Fußballteam des Internats findet sie schnell Anschluss, und zum ersten Mal fühlt sich Lou angenommen. Nur aus Kapitänin Mika wird sie nicht richtig schlau. Umso verwirrter ist Lou, als sie bemerkt, dass ihre wachsenden Gefühle für Mika weitaus mehr als nur freundschaftlich sind …

Am Sonntag um 14 Uhr liest dann noch der in Osnabrück schon bekannte Theologe und ehemalige Priester Pierre Stutz aus seinem autobiografischen Text „Wie ich der wurde, den ich mag“.  Hier schildert er, wie er nach und nach zu dem Menschen wurde, der er ist: „Jahrelang war mein Leben ein Ringen um Selbstannahme, äußerlich sehr erfolgreich, innerlich zerrissen, gefangen in der Angst wegen seinem Schwulsein im Abfalleimer zu landen".

An den im Kreuzgang der Kunsthalle aufgebauten Hörstationen sind die von folgenden jungen Autorinnen und Autoren selbst eingelesenen Kurztexten zu hören: Anna Hetzer, Samira El-Maawi, Ahmed Sadkhan, Tessa Hart, Juri Wasenmüller und Lou Dietz. Auch hier ist die große Themen- und Formenvielfalt der queeren Literatur zu entdecken.

Die Veranstaltung wird gefördert vom Landschaftsverband Osnabrücker Land e.V.

Veranstalter sind Gay in May e.V., Kunsthalle Osnabrück, Buchhandlung zur Heide, Altstädter Bücherstuben, Bücher Wenner und das Literaturbüro Westniedersachsen.

Das genaue Programm ist auch auf den Homepages des Literaturbüros und von Gay in May zu finden: https://gayinmay.de/

https://www.literaturhaeuser-niedersachsen.de/die-haeuser/literaturbuero-westniedersachsen.html

Der Eintritt ist frei. Reservierungen sind über das Literaturbüro (Am Ledenhof 3-5, Telefonnummer 0541/202-7908 oder per Mail unter LitOs-info@osnabrueck.de) möglich.

Pressekontakt: Dr. Jens Peters, Leiter Literaturbüro Westniedersachsen, 0152-53232276, peters.je@osnabrueck.de

Pressekontakt: Silke Brickwedde | Telefonnummer 0541/ 323-2328 | E-Mail brickwedde@osnabrueck.de


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©  Bahar Kaygusuz
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Duygu Ağal


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©  Peter-Andreas Hassiepen
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