Meldungsdatum: 04.07.2024

Am 6. Juli: Internationaler Tag der Genossenschaften

Für das Allgemeinwohl: Die Emschergenossenschaft wurde vor 125 Jahren aus wohlüberlegtem Grund nach dem gemeinschaftlichen Prinzip gegründet

Am kommenden Samstag, 6. Juli, wird international der Tag der Genossenschaften begangen. Auch die Emschergenossenschaft, die in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen feiert, wurde 1899 bewusst als Gemeinschaft gebildet. Auch heute noch agiert Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband nach dem genossenschaftlichen Prinzip – immer im Interesse des in der Gemeinschaft hergestellten Konsenses, zudem ohne Gewinnorientierung. Und das aus gutem Grund, wie ein Blick in die Historie zeigt.

Die Geburtsstunde der Emschergenossenschaft war vor 125 Jahren eine Zwangsentscheidung des damaligen preußischen Staates – aber eine, die das wirtschaftliche Überleben dieser Region gesichert hat! Um die Überlastung der Abwasserentsorgung in Folge der Industrialisierung und des Bergbaus in den Griff zu bekommen, baute die Emschergenossenschaft das Emscher-System in den ersten Jahren und Jahrzehnten von Grund auf um. Der Fluss Emscher und seine Nebenbäche haben die Region seitdem maßgeblich geprägt. Über mehrere Dekaden gehörten die zu offenen Schmutzwasserläufen umgestalteten Gewässer zum Städtebild dazu. Doch mittlerweile hat sich das Bild verändert. „In den ersten Jahren musste die Emscher gebändigt werden – in den vergangenen Jahren wurde sie von der Emschergenossenschaft und ihren Mitgliedern, darunter die Kommunen, wieder zu neuem Leben erweckt“, sagt Dr. Frank Dudda, Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft.

Einmal mehr baute die Emschergenossenschaft das Emscher-System um: Doch dieses Mal wurde das Abwasser unter die Erde verbannt, aus einstigen „Köttelbecken“ wurden wieder blaue Flüsse mit grünen Ufern. „Genauso wie der Emscher-Umbau von 1992 bis 2021 eine gemeinschaftliche Leistung war, musste auch die erste – technische und naturferne – Umgestaltung des Flusses in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Gemeinschaft bewerkstelligt werden. Und das aus gutem Grund, denn Wasser macht nicht an Stadtgrenzen Halt. Alleine waren die Abwasser- und Hochwasserprobleme von den damaligen von den damaligen Zechenbetreibern und Emscher-Anrainerkommunen nicht in den Griff zu bekommen, das konnte nur genossenschaftlich gelingen“, sagt Dudda.

Es war in den letzten Tagen des ausgehenden 19. Jahrhunderts im Bochumer Ständehaus, als sich die damaligen Stadt- und Landkreise des Ruhrgebietes zwischen Dortmund und Duisburg zur Emschergenossenschaft zusammenschlossen. Eine federführende Rolle bei der Gründung übernahm der Essener Oberbürgermeister Erich Zweigert, der sich das „Emscherregulierungsprojekt“ auf seine Fahnen schrieb. Repräsentanten der großen Bergwerksgesellschaften wie Hibernia oder der Gelsenkirchener Bergwerks AG waren ebenfalls unter den Gründungsmitgliedern.

„Emscher-Problem“ konnte nur gemeinsam gelöst werden

Der Zusammenschluss zur Emschergenossenschaft geschah auf Geheiß des preußischen Staates, nachdem die Versuche der jeweiligen Städte und des Bergbaus, das „Emscher-Problem“ in den Griff zu bekommen, an den Ruhrbaronen gescheitert waren. Das „Emscher-Problem“ sah wie folgt aus: Mit der Industrialisierung ließen sich zahlreiche Fabriken im Emscher-Gebiet nieder. Nicht nur diese Unternehmen produzierten reichlich Abwasser, sondern auch die Haushalte der zahlenmäßig drastisch gestiegenen Bevölkerung in dieser Region. Während man anderswo in solch einem Fall Abwasserkanäle gebaut hätte, war dies Ende des 19. Jahrhunderts an der Emscher aufgrund des Kohleabbaus nicht möglich: Wegen der Bergsenkungen wären unterirdische Abwasserkanäle beschädigt worden.

Also wurde alles Schmutzwasser in die Emscher und ihre Nebenarme eingeleitet. Doch schon bald war dieses eigenwillige und durch ein ohnehin schwaches Gefälle gekennzeichnete Flusssystem völlig überfordert und uferte immer wieder aus. Ganze Stadtteile standen nahezu ständig unter Wasser, aufgrund der Fäkalien im Wasser breiteten sich auch Krankheiten wie Typhus und Cholera schnell aus. Lösungen mussten her. Doch die Städte scheiterten, denn Wasser macht – wie zuvor erwähnt – an Stadtgrenzen nun einmal nicht Halt. Um das Kirchturmdenken in den Rathäusern zu überwinden, wurde Deutschlands erster Abwasserverband bewusst nach dem Prinzip der Genossenschaft gegründet: Alle Verursacher müssen sich einbringen, damit letztlich auch alle einen Nutzen haben.

Das genossenschaftliche Prinzip gilt bis heute. „Auch 125 Jahre nach Gründung der Emschergenossenschaft stehen wir als technischer Infrastruktur-Dienstleister für eine moderne, nachhaltige Wasserwirtschaft – in enger Kooperation mit unseren industriellen, gewerblichen und kommunalen Partnern“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.

In den ersten Jahren nach der Gründung galt es aber zunächst, die Abwassermassen in den Griff zu bekommen. Da der Bau unterirdischer Kanäle aufgrund des Bergbaus nicht möglich war, opferte man schließlich das Emscher-System und baute es zu einem Netz offener Schmutzwasserläufe um: Die Gewässer wurden in ein Korsett aus Beton eingezwängt. Deiche wurden errichtet und Pumpwerke wurden gebaut, um die durch den Bergbau verursachten Poldergebiete (abgesackte Stadtteile) zu überwinden. „Um das wirtschaftliche Überleben des Ruhrgebietes zu sichern, ließ die Emscher sprichwörtlich ihr Leben“, fasst Paetzel zusammen.

Genossenschaftliches Prinzip hat auch in Zukunft Bestand

Seit der Nordwanderung des Bergbaus Ende der 1980er-Jahre sind keine Bergsenkungen mehr zu befürchten, so dass nun auch unterirdische Abwasserkanäle gebaut werden können. Von 1992 bis 2021 plante und setzte die Emschergenossenschaft den Emscher-Umbau um. Jedes Gewässer erhielt ein unterirdisches Pendant, durch das die Abwässer zu den Kläranlagen abgeleitet werden. „Die oberirdischen Bäche sind damit abwasserfrei und können nun naturnah umgebaut werden: Die Betonsohlschalen werden entfernt, die Böschungen weiter und vielseitiger gestaltet. Dort, wo der Platz es zulässt, erhalten die einst technisch begradigten Flüsse wieder einen kurvenreicheren Verlauf und Aufweitungen für einen verbesserten Hochwasserschutz. Mehr als 170 Kilometer an Gewässerläufen sind bereits parallel zum Emscher-Umbau revitalisiert worden“, sagt Dr. Frank Obenaus, Vorstand für Wassermanagement und Technik bei der Emschergenossenschaft.

Auch die Zukunft geizt nicht mit wasserwirtschaftlichen Herausforderungen. Die klimawandelbedingte Zunahme von Starkregenereignissen auf der einen Seite sowie Dürreperioden und Heißzeiten auf der anderen Seite erfordern neue Maßnahmen: „Auch diese gehen wir als Emschergenossenschaft zum Beispiel mit der Zukunftsinitiative Klima.Werk gemeinschaftlich mit unseren Mitgliedskommunen und weiteren Partnern aus der Region an. Eben ganz nach dem Prinzip einer Genossenschaft: Selbsthilfe, Selbstorganisation, Selbstverwaltung“, sagt Uli Paetzel.

Der Nutzen einer Genossenschaft für das Allgemeinwohl wurde nach Gründung der Emschergenossenschaft schnell auch von anderen Regionen erkannt: Vor 111 Jahren, im Jahr 2013, wurde nach dem Vorbild der Emschergenossenschaft zunächst die Sesekegenossenschaft gegründet – sie kümmerte sich um die Regulierung des Lippe-Zuflusses. 1926 wurde die Sesekegenossenschaft auf das Lippe-Gebiet von Lippborg im Osten bis Wesel im Westen erweitert. Es war die Geburtsstunde des Lippeverbandes, der seither gemeinsam mit der Emschergenossenschaft als EGLV unter einem Dach verwaltet wird – im Interesse des Gemeinwohls, in der Vergangenheit wie in der Zukunft.

125 Jahre Emschergenossenschaft

Die Emschergenossenschaft feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Am 14. Dezember 1899 als erster deutscher Wasserwirtschaftsverband gegründet, ist die Emschergenossenschaft heute gemeinsam mit dem 1926 gegründeten Lippeverband Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Unternehmens sind die Abwasserentsorgung, der Hochwasserschutz sowie die Klimafolgenanpassung. Ihr bekanntestes Projekt ist der Emscher-Umbau (1992-2021), bei dem die Emschergenossenschaft im Herzen des Ruhrgebietes eine moderne Abwasserinfrastruktur baute. Dafür wurden 436 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen verlegt und vier Großkläranlagen gebaut. Rund 340 Kilometer an Gewässern werden insgesamt renaturiert. Parallel entstanden über 130 Kilometer an Rad- und Fußwegen, die das neue blaugrüne Leben an der Emscher und ihren Nebenläufen erleb- und erfahrbar machen. www.eglv.de

 


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Hochwasserrückhaltebecken "Emscher-Auen"

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Hochwasserrückhaltebecken

Das gewaltige Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft an der Stadtgrenze Dortmund/Castrop-Rauxel ist eines der besten Symbole für das genossenschaftliche Prinzip: Es schützt nicht nur die unmittelbar anliegenden Bereiche in Dortmund und Castrop-Rauxel, sondern maßgeblich auch die an der Emscher gelegenen Stadtgebiete von Recklinghausen, Herne, Herten, Gelsenkirchen, Essen, Bottrop, Oberhausen und Dinslaken. Was im Starkregenfall nahe des Oberlaufs an Wassermassen zurückgehalten werden kann, kommt erst gar nicht im Westen der Emscher an. Das Hochwasserrückhaltebecken "Emscher-Auen" kann insgesamt ein Volumen von 1,1 Millionen Kubikmeter fassen - das entspricht dem Inhalt von sieben Millionen Badewannen. Finanziert wird der Bau von allen Emscher-Städten, eben nach dem genossenschaftlichen Prinzip: Alle bringen sich ein, alle haben einen Nutzen!