Meldungsdatum: 03.10.2024
Landrätin Eva Irrgang blickte in ihrem Grußwort auf das Erstarken antidemokratischer Kräfte nicht nur in Ostdeutschland, sondern in Gesamtdeutschland und Europa. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen und friedlichen Entspannungspolitik, die auf die Wiedervereinigung folgte, sei es darüber hinaus deprimierend, 35 Jahre später vor einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Russland und der Ukraine zu stehen. „Der seit Februar 2022 geführte Angriffskrieg Russlands ist eine Zäsur und stellt den Westen und die NATO vor ganz neue sicherheitspolitische Herausforderungen. Internationales Recht sowie rechtsstaatliche und demokratische Werte werden brutal missachtet“, stellte Irrgang heraus.
Unmissverständlich hob sie die Solidarität mit den Ukrainerinnen und Ukrainern hervor, die überzeugt, mutig und entschlossen ihr Land und ihre Freiheit verteidigten und dabei auch für die Menschen auf ihrem europäischen Weg, für die Stärke des internationalen Rechts, für Demokratie und Menschenrechte kämpften.
Mit Brigadegeneral Björn F. Schulz konnte für den Festakt nicht nur ein ausgewiesener Experte in sicherheitspolitischen Fragen gewonnen werden, sondern auch ein Referent, der eben diese sicherheitspolitische Entwicklung hautnah begleitet hat. Geboren 1967, studierte Schulz nach der Ausbildung zum Offizier in der Panzergrenadiertruppe Politikwissenschaften an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Nach seinem Studium wurde er unter anderem Kompaniechef in Thüringen und Bataillonskommandeur in Niedersachsen, war im Einsatz im Kosovo und in Afghanistan, danach Referatsleiter im Bundesministerium der Verteidigung in Berlin, Kommandeur der Panzerbrigade 12 in Cham und schließlich Kommandeur der Panzertruppenschule in Munster in Niedersachsen.
Mit der Deutschen Einheit habe sich die Idee, die den selbstbestimmten Menschen in einem regelbasierten, solidarischen Gemeinwesen in den Mittelpunkt stellt, durchgesetzt, erklärte Schulz. „Die ehemals totalitären Gesellschaften des östlichen Mitteleuropas wandelten sich in teils atemberaubendem Tempo in den nächsten Jahrzehnten zu relativ prosperierenden Mitgliedern der EU und der NATO.“ Die Hoffnung, dass die neu geborene Idee von Freiheit und Recht das System der Gewaltherrschaften dauerhaft sprengt und eine globale Friedensordnung etabliert, sei jedoch in der Folge und werde bis heute immer wieder auf eine harte Probe gestellt.
Deutlich machte er dies an den zahlreichen Auslandseinsätzen, die die Bundeswehr seither geleistet habe, so unter anderem in Kroatien, Bosnien-Herzegowina, im Luftkrieg der NATO gegen Serbien, im Kosovo sowie von 2002 bis 2021 in Afghanistan. Auch für Deutschland gelte die Verpflichtung zur Geschlossenheit und Einigkeit, die sich aus dem NATO-Vertrag ergebe. Der Brigadegeneral lobte vor diesem Hintergrund die 2022 von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene Zeitenwende angesichts des noch immer andauernden russischen Angriffskriegs auf die Ukaine. „Mit dem 100-Milliarden-Paket für die Ertüchtigung der Bundeswehr wurden und werden Ausstattungs- und Fähigkeitslücken der Streitkräfte geschlossen.“
Um die Streitkräfte jedoch nachhaltig zu stärken, müsse der Haushalt für Verteidigung signifikant gesteigert werden. „Erfolgt das nicht, ist die nationale Sicherheit gefährdet, weil die militärischen Fähigkeiten nicht ausreichend aufgestellt werden können“, warnte Schulz. „Unser gutes 75 Jahre altes Grundgesetz – die beste Verfassung, die Deutschland je hatte – sagt alles: Herrschaft des Rechts, Freiheit, universelle und unveräußerliche Menschenrechte! Verteidigen wir diese Werte im Inneren wie im Äußeren!“
IGCS-Vorsitzender Dirk Pälmer, Oberst der Reserve, analysierte in seinem Grußwort, ob die Wiedervereinigung Deutschlands gelungen ist. „Nach wir vor kämpfen wir mit Vorbehalten und unterschiedlichen Sichtweisen“, musste er feststellen. Umso gravierender seien die aktuellen Meinungsbildungen am rechten und linken Rand, sowohl in Ostdeutschland als auch in Westdeutschland. Klar sei jedoch: „Die Deutsche Einheit war und ist ein Glücksfall der Geschichte – nicht nur für unser Volk. Auch wenn es momentan im Angesicht des russischen, völkerrechtswidrigen Angriffskriegs auf die Ukraine und dem damit wieder über uns schwebenden Damoklesschwerts des Dritten Weltkriegs so scheint, dass wir Menschen aus der Geschichte nichts gelernt haben, denke und hoffe ich, dass am Ende die Vernunft, die Einsicht und der Wille zum Frieden die Oberhand gewinnen werden.“
Abschließend ergriff Erwittes Bürgermeister Hendrik Henneböhl das Wort. „Es ist die Aufgabe eines jeden einzelnen, unser freiheitlich-demokratisches Wertekonzept zusammenzuhalten“, appellierte er eindringlich an die zahlreich erschienenen Gäste. Es gelte, auch aus der jüngeren deutschen Geschichte zu lernen und die eigene Verpflichtung wahrzunehmen, für diese Lehren einzustehen.
Durch die Feierstunde führte erneut Moderator Jochen Siering, Fregattenkapitän der Reserve. Den musikalischen Rahmen gestalteten Sofie Kaufmann und Birk Fischer (Gesang) sowie Sascha Mannheims (Klavier) von der Musikschule Erwitte.
Hintergrund:
Die Feier zum Tag der Deutschen Einheit hat im Kreis Soest Tradition: Seit inzwischen 17 Jahren prägen Rednerinnen und Redner, Zeitzeugen und Schülergruppen das Programm der Veranstaltungen. Aus verschiedenen Perspektiven werden die historische Wende und die damit verbundenen menschlichen Schicksale beleuchtet.
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Brigadegeneral Björn F. Schulz (2. v. l.), Landrätin Eva Irrgang (2. v. r.), Oberst d. R. Dirk Pälmer (r.) und Erwittes Bürgermeister Hendrik Henneböhl (l.) gestalteten mit ihren Redebeiträgen die Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit in der Festhalle zu Erwitte. Vor der Veranstaltung trug sich Brigadegeneral Schulz in das Goldene Buch des Kreises Soest und der Stadt Erwitte ein. Foto: Birgit Kalle/ Kreis Soest
Landrätin Eva Irrgang konnte rund 200 Gäste zur Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit in der Festhalle zu Erwitte begrüßen. Foto: Birgit Kalle/ Kreis Soest
In seinem Vortrag „Ein sicherheitspolitischer Brückenschlag vom 3. Oktober 1990 bis heute“ beleuchtete Brigadegeneral Björn F. Schulz, Kommandeur Panzertruppenschule Munster, die militärische und sicherheitspolitische Lage zur Zeit der Wiedervereinigung, analysierte die Veränderungen bis heute und gab einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen. Foto: Birgit Kalle/ Kreis Soest
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