Meldungsdatum: 17.10.2024

Abwasserwirtschaft und Gesundheit gehen Hand in Hand

125 Jahre Emschergenossenschaft: Der zweifache Emscher-Umbau diente dem Wohle von Natur und Menschen

Schon seit ihrer Gründung im Jahr 1899 bewegte die Emschergenossenschaft neben Abwasser ein weiteres zentrales Thema – die Gesundheit der Menschen in der Emscher-Region. Schließlich wird Gesundheit unter anderem von den Lebensumständen wie beispielsweise der Wohnverhältnisse gefördert oder beeinträchtigt. Einer der Gründe für die technische Emscher-Regulierung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Dringlichkeit, die Verbreitung von Krankheiten einzudämmen. Auch heute steht die Gesundheit der Bevölkerung in der Emscher-Region im Fokus: Mit zahlreichen Projekten, Kooperationen und der Gestaltung von Naherholungsorten schafft die Emschergenossenschaft nachhaltig Grundlagen für ein gesundes Leben an der Emscher.

Die einstigen „Köttelbecken“ stehen aus heutiger Sicht wohl kaum für Gesundheit: trostlose, kanalisierte Bäche und Flüsse, durch die das Abwasser der Region floss. Trotzdem steckt hinter dem ersten technischen Umbau der Emscher und ihrer Nebenflüsse auch ein gesundheitlicher Aspekt. Durch das Wachstum der Schwerindustrie, der zunehmenden Industrialisierung und infolgedessen Verstädterung der Emscher-Region nahmen die in den Fluss geleiteten Abwässer aus Industrie und Haushalten stetig zu – und verschlechterten so die Gewässerqualität: eine Gefahr für die Gesundheit. „Aufgrund der kohleabbaubedingten Bergsenkungen in der Region konnten keine unterirdischen Abwasserkanäle gebaut werden, sodass die Gewässer zu unregulierten Schmutzwasserläufen degradiert wurden. Hinzu kam die Unkontrollierbarkeit der damals noch nicht eingedeichten Emscher, deren schmutzige Fracht vor allem bei Hochwasser Krankheiten wie Typhus und Cholera verbreitete. Epidemien waren die Folge – die Idee einer Emscher-Regulierung nahm Form an“, sagt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.

Der erste Umbau der Emscher zeigte Wirkung: Mit der Kanalisierung der Emscher und ihrer Nebenflüsse gewann die Region neben einer geregelten Abwasserentsorgung zusätzlich einen Schutz vor Hochwasser – auch die Krankheitsausbrüche nahmen ab. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zeigte sich allerdings mehr und mehr, dass mit der offenen Abwasserentsorgung ebenfalls Beeinträchtigungen wie etwa weiterhin hohe Umweltbelastungen einher gingen, die die Lebensbedingungen der Menschen negativ beeinflussten.

Gesundheitsprojekt Emscher-Umbau
Nach der Nordwanderung des Bergbaus Ende der 1980er-Jahre eröffneten sich durch das Abklingen der Bergsenkungen neue Möglichkeiten bei der Abwasserentsorgung – 1991 wurde der Bau unterirdischer Abwasserkanäle und neuer moderner Großkläranlagen beschlossen.  Entstanden ist eines der modernsten Abwassersysteme Europas. Seit Ende 2021 fließt kein ungereinigtes Abwasser mehr in der Emscher. Neben der schrittweisen Renaturierung der Gewässer werden früher verschlossene Betriebswege geöffnet und zu Rad- und Fußwegen ausgebaut, die einstigen Meideräume werden von der Emschergenossenschaft zu Naherholungsorten umgestaltet.

Rad- und Fußwege wie der Emscher-Weg sowie idyllische Freizeitareale wie der Natur- und Wasser-Erlebnis-Park in Castrop-Rauxel/Recklinghausen oder die Emscher-Höfe in Holzwickede, Castrop-Rauxel/Dortmund, Bottrop und Dinslaken kommen der Gesundheit der gesamten Emscher-Region zugute. „Hier können die Menschen mittlerweile entlang der Gewässer an die frische Luft gehen und sich an der wiederkehrenden Natur und dem neuen blaugrünen Leben erfreuen. Besonders an unseren vier Emscher-Höfen gibt es zahlreiche Angebote, die zur nachhaltigen Erhaltung der Gesundheit beitragen“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.

Entlang des etwa 100 Kilometer langen Emscher-Wegs sind zum Beispiel Bewegungsinseln verteilt, an denen Radfahrende, Jogger*innen oder Spazierende eine sportliche Pause einlegen und mit gezielten Übungen ihre Muskeln stärken können. Diese „Inseln“ sind im Rahmen der Kooperation „Gesund an der Emscher!“ zwischen der Emschergenossenschaft und der KNAPPSCHAFT entstanden. Die Zusammenarbeit der beiden Partner ermöglicht weitere gesundheitsförderliche Angebote: vom Blauen Klassenzimmer am Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen an der Stadtgrenze von Castrop-Rauxel und Dortmund-Mengede über Workshops im Gesundheits- und Ernährungsgarten in Dortmund-Barop bis hin zu Glücksradtouren durch die Emscher-Region. Gemeinsam bringen Emschergenossenschaft und KNAPPSCHAFT Groß und Klein sowie Jung und Alt an der frischen Luft in Bewegung und vermitteln, wie wichtig eine intakte Natur für die menschliche Gesundheit ist.

„Die zweifache Umgestaltung des Emscher-Systems – vom Fluss zum Schmutzwasserlauf und zurück zum Fluss – ist also nicht rein wasserwirtschaftlich zu betrachten. Sowohl die technische Emscher-Regulierung im frühen 20. Jahrhundert als auch der ökologische Emscher-Umbau in den vergangenen drei Jahrzehnten sind als Initiatoren eines gesundheitlichen Strukturwandels zu würdigen“, sagt Uli Paetzel.

125 Jahre Emschergenossenschaft
Die Emschergenossenschaft feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Bestehen. Am 14. Dezember 1899 als erster deutscher Wasserwirtschaftsverband gegründet, ist die Emschergenossenschaft heute gemeinsam mit dem 1926 gegründeten Lippeverband Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Unternehmens sind die Abwasserentsorgung, der Hochwasserschutz sowie die Klimafolgenanpassung. Ihr bekanntestes Projekt ist der Emscher-Umbau (1992-2021), bei dem die Emschergenossenschaft im Herzen des Ruhrgebietes eine moderne Abwasserinfrastruktur baute. Dafür wurden 436 Kilometer an neuen unterirdischen Abwasserkanälen verlegt und vier Großkläranlagen gebaut. Rund 340 Kilometer an Gewässern werden insgesamt renaturiert. Parallel entstanden über 130 Kilometer an Rad- und Fußwegen, die das neue blaugrüne Leben an der Emscher und ihren Nebenläufen erleb- und erfahrbar machen. www.eglv.de


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Überschwemmung an der Emscher in Dortmund

©  Archiv EGLV
Überschwemmung an der Emscher in Dortmund

Die Emscher in Dortmund im Jahr 1912: Überschwemmungen gehörten hier zur Tagesordnung und führten dadurch zur Verbreitung von Krankheiten wie Typhus und Cholera.


Technische Regulierung der Gewässer

©  Archiv, EGLV
Technische Regulierung der Gewässer

Um den Abwassertransport durch die Gewässer zu regulieren, wurden die Flüsse und Bäche begradigt, tief eingedeicht und mit Betonsohlschalen verkleidet. Das erhöhte die Abflussgeschwindigkeit, denn der Schmutz sollte so schnell wie möglich abgeführt werden. Unterirdische Kanäle konnten aufgrund des aktiven Bergbaus damals noch nicht gebaut werden.


Natur- und Wasser- Erlebnis-Park

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Natur- und Wasser- Erlebnis-Park

Mäandernd kann der Suderwicher Bach (rechts) nun in die ebenfalls renaturierte Emscher (links) münden - hier im Natur- und Wasser-Erlebnis-Park "Emscherland" in Castrop-Rauxel/Recklinghausen.