Meldungsdatum: 28.11.2024

125 Jahre Emschergenossenschaft: Emscher-Strand als neue Vision eines Flusses

Große Jubiläumsveranstaltung in der Jahrhunderthalle mit Bundeskanzler Olaf Scholz und NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst – 1899 wurde in Bochum Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband gegründet

Mit über 300 Gästen und im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz und des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Hendrik Wüst hat die Emschergenossenschaft am Donnerstag in der Bochumer Jahrhunderthalle ihr 125-jähriges Bestehen gefeiert – in der Stadt, in der am 14. Dezember 1899 Deutschlands erster Wasserwirtschaftsverband gegründet wurde. Die bisherige Historie der Emschergenossenschaft ist geprägt vom zunächst technischen Ausbau der Emscher-Gewässer zu einem System offener Schmutzwasserläufe einerseits und von der späteren Renaturierung derselbigen andererseits. Die Zukunft der Emschergenossenschaft dagegen hat bereits begonnen: Der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels und die Verbesserung des Hochwasserschutzes bilden das nächste große Generationenprojekt, während gleichzeitig die mittlerweile wieder vom Abwasser befreiten und revitalisierten Gewässerlandschaften städtebaulich zu blaugrünen Erlebensräumen entwickelt werden. Was vor 125 Jahren kaum jemand für vorstellbar hielt, wird in 2025 wunderbare Realität: Die Emschergenossenschaft wird den ersten Emscher-Strand eröffnen.

„125 Jahre Emschergenossenschaft - herzlichen Glückwunsch zu diesem Jubiläum, das wie kaum ein anderes die Industriegeschichte Deutschlands erzählt", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz zum Wirken der Emschergenossenschaft seit 1899. Die Renaturierung der Emscher würdigte der Kanzler als „ein visionäres Generationenprojekt“, das wie viele solcher Vorhaben erst einmal auf Kopfschütteln und Skepsis traf. „Am Ende haben sich an der Emscher nicht die Skeptiker, die Mutlosen und die Meckerer durchgesetzt - sondern diejenigen, die an eine bessere Zukunft, an einen blauen Himmel über der Ruhr und an eine saubere Emscher geglaubt haben, die Zeit und Energie in dieses Projekt investiert haben. Das ist für mich die Inspiration, die wir aus diesem Jubiläum ziehen können: Es kommt darauf an, dass wir uns mutige Ziele setzen. Und dann ganz pragmatisch, Schritt für Schritt daran arbeiten, sie auch zu erreichen.“

„Die Gründung der Emschergenossenschaft und damit des ersten Wasserwirtschaftsverbandes Deutschlands vor 125 Jahren markiert den Beginn einer beispiellosen Transformation der Region, von der wir bis heute als Land profitieren. Heute ist es vor allem der Klimawandel, der uns vor neue, komplexe Aufgaben stellt und die wir nur entschlossen und innovativ bewältigen können. Nur so erreichen wir unser Ziel, Nordrhein-Westfalen zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen. Die Emschergenossenschaft ist und bleibt ein wesentlicher Teil des infrastrukturellen Rückgrats des Reviers und darüber hinaus Impulsgeber und Gestalter von Veränderungen, die die Region Stück für Stück attraktiver machen“, sagt Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen.

Musterbeispiel für gute Zusammenarbeit über Zuständigkeitsgrenzen hinweg
Der Umbau des Emscher-Systems von 1992 bis 2021 war eines der größten Infrastrukturprojekte Europas und eine der größten Renaturierungsmaßnahmen der Welt. Längst ist es zu einem international beachteten Projekt mit Vorbildcharakter geworden. In Japan, Korea und China, in Algerien, Kolumbien und den USA interessiert man sich für den Emscher-Umbau und seine Erfolgsgeschichte. Der Emscher-Umbau „made in Germany“ ist ein Exportschlager – vor allem aber ist er ein Musterbeispiel und ein wesentlicher Baustein für einen ganzheitlich und nachhaltig umgesetzten Strukturwandel im größten Ballungsraum Deutschlands. Und er ist vorbildlich für die gute Zusammenarbeit von Kommunen, Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Unternehmen in der Region. „Der Umbau des Emscher-Systems, geplant und umgesetzt nach dem genossenschaftlichen Prinzip, hat in der gesamten Region eindrucksvoll unter Beweis gestellt, was alles gelingen kann, wenn man es gemeinschaftlich anpackt. Mit dem Emscher-Umbau hat die Emschergenossenschaft die Bühne für mehr vorbereitet – sie hat die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass wir die grünste Industrieregion der Welt werden können“, sagt Dr. Frank Dudda, Vorsitzender des Genossenschaftsrates der Emschergenossenschaft und Oberbürgermeister der Emscher-Stadt Herne.

Die Mehrwerte des Emscher-Umbaus können sich mehr als sehen lassen: Das blaugrüne Leben in Form von Groppen, Forellen und Stichlingen kehrt an und in die Emscher zurück. An ihren Ufern wurde nicht nur die seltene Gebirgsstelze gesichtet, sondern auch bereits die Blauflügelige Prachtlibelle. Vor mehr als 30 Jahren, als die Emschergenossenschaft die visionäre Renaturierung der Emscher ankündigte, zeigte man den Kolleginnen und Kollegen noch den Vogel – heute brütet der Eisvogel als Indikator für eine gute Gewässerökologie wieder am Ufer des zentralen Flusses des Ruhrgebietes.

Apropos Ufer: Wer hätte 1991 ­– geschweige denn 1899 – gedacht, dass entlang des einst dreckigsten Flusses Europas einmal Weinberge entstehen würden…?!? Das aktuell größte Weinanbaugebiet an der Emscher ist jüngst erst mit rund 6700 Reben in Castrop-Rauxel entstanden – der Emscher-Umbau ist seit dem Erreichen der Abwasserfreiheit Ende 2021 abgeschlossen, das neue blaugrüne Leben beginnt gerade erst!

Tristes Grau weicht blaugrüner Infrastruktur, die zum Erleben einlädt
„Ganz nach dem genossenschaftlichen Prinzip steht im Mittelpunkt all unserer Aktivitäten immer das Allgemeinwohl – im Interesse der Bürgerinnen und Bürger haben wir die einst offenen Schmutzwasserläufe von ihrer Abwasserfracht und ihren Betonkorsetten befreit, ihnen geben wir ihre Flüsse und Bäche zurück. Das triste Grau der früheren Köttelbecken weicht einer blaugrünen Infrastruktur, die zum Entdecken einer völlig neuen Vision der Emscher einladen wird“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft, und kündigt an: „Im kommenden Jahr werden wir im Bereich des Natur- und Wasser-Erlebnis-Parks in Castrop-Rauxel und Recklinghausen den ersten Emscher-Strand fertigstellen. Und es wird garantiert nicht der letzte sein!“

Weitere Emscher-Strände werden in den kommenden Jahren unter anderem in Gelsenkirchen/Stadtgrenze Essen und Oberhausen entstehen. Auch wenn das Baden in dem ehemaligen Industriefluss aus hygienischen Gründen (noch) untersagt bleibt, wird es an den Emscher-Stränden Möglichkeiten zum Verweilen, Entspannen und Spielen geben. Balkone und Terrassen sollen neue Blicke auf die sich in der nächsten Zeit wandelnde Emscher ermöglichen – und einer echten Strandpromenade würdig wird es selbstverständlich auch Sand vor Ort geben!

Das Konzept der Emscher-Strände geht Hand in Hand mit der Entwicklung blaugrüner Erlebensräume, die sich von der Quelle bis zur Mündung wie an einer Perlenkette entlang der Emscher erstrecken. Mit der Verzahnung von Wasserwirtschaft und Städtebau setzt die Emschergenossenschaft ihre Strategie fort, ausgehend von der Abwasserentsorgung eine maximale Verbesserung der Lebens- und Aufenthaltsqualität für die Bevölkerung in der Region zu erzielen. Der Betrieb von Abwasserkanälen, Pumpwerken, Kläranlagen und Hochwasserschutzeinrichtungen bildet nicht nur das Rückgrat der Emschergenossenschaft, sondern ist der Dreh- und Angelpunkt der sozial-ökologischen Transformation entlang der Emscher.

„Mit der Abwasserwirtschaft erledigen wir tagtäglich eine der wichtigsten Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge in der Region. Ohne die Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen bei der Emschergenossenschaft würden weite Teile der Region unter Wasser stehen und unter hygienischen Missständen leiden – so wie es bereits vor genau 125 Jahren war, vor der Gründung der Emschergenossenschaft. Ohne Abwasserwirtschaft würde es zudem auch keine blaugrünen Erlebensräume wie beispielsweise den Natur- und Wasser-Erlebnis-Park in Castrop-Rauxel geben“, sagt Dr. Frank Obenaus, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft.

Der Emscherland-Park ist in der Tat eine Weiterentwicklung des wasserwirtschaftlichen Umbaus der Emscher. Ohne die Abwasserfreiheit und ohne die Renaturierung der Emscher würde es weder den Park noch das spektakuläre Brückenbauwerk „Sprung über die Emscher“ in Castrop-Rauxel geben, das seit der Einweihung Ende September die Menschen begeistert und bereits zu einem neuen Wahrzeichen der Region geworden ist. Der Bau der Brücke wurde maßgeblich durch den Emscher-Umbau inspiriert und befindet sich damit in guter Gesellschaft: Auch der Phoenix See in Dortmund-Hörde, entstanden auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerkes, wäre genauso wie der Umbau der ehemaligen Kläranlage Bernemündung in Bottrop-Ebel zum weit über die Region bekannten BernePark ohne das Abwasserprojekt Emscher-Umbau vermutlich nicht erdacht worden – und die Alte Emscher im Duisburger Norden wäre heute kein offizielles Fischereigewässer. „Auch in Zukunft wollen wir unsere abwassertechnischen Maßnahmen in der Region gemeinsam mit unseren Partnern und Mitgliedern städtebaulich weiterdenken, um das Emscher-Gebiet lebenswert und wettbewerbsfähig zu gestalten“, sagt Uli Paetzel.

Vorbild für viele weitere Wasserverbände
Übrigens: Die Emschergenossenschaft war als erster öffentlich-rechtlicher Wasserwirtschaftsverband Deutschlands Vorbild für weitere Flussgebiete. Vor 111 Jahren, im Jahre 1913, wurde die Sesekegenossenschaft gegründet. Aus ihr ging später der Lippeverband hervor, der Anfang 2026 sein 100-jähriges Bestehen feiern wird. Seit seiner Gründung im Januar 1926 wird der Lippeverband (LV), wie zuvor die Sesekegenossenschaft, gemeinsam mit der Emschergenossenschaft (EG) unter einem Dach verwaltet. Als EGLV sind Emschergenossenschaft und Lippeverband heute Deutschlands größter Betreiber von Kläranlagen und Pumpwerken. Als Körperschaften des öffentlichen Rechts handeln sie dabei nach dem genossenschaftlichen Prinzip – zum Wohle der Allgemeinheit und stets ohne Gewinnorientierung. www.eglv.de


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Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

Bundeskanzler Olaf Scholz, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sowie Vertreterinnen und Vertreter aller Emscher-Kommunen und -Kreise feierten am Donnerstag gemeinsam mit der Emschergenossenschaft in der Bochumer Jahrhunderthalle das 125-jährige Bestehen von Deutschlands erstem Wasserwirtschaftsverband. Die Emschergenossenschaft wurde 1899 in Bochum gegründet.


Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

Eine Torte zum 125-jährigen Geburtstag der Emschergenossenschaft: Dr. Frank Dudda (Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft), Prof. Dr. Uli Paetzel (Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft), Bundeskanzler Olaf Scholz und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst.


Bundeskanzler Olaf Scholz beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Bundeskanzler Olaf Scholz beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

Bundeskanzler Olaf Scholz hielt in der Bochumer Jahrhunderthalle beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft eine Rede.


Ministerpräsident Hendrik Wüst beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Ministerpräsident Hendrik Wüst beim Festakt zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst bei seiner Rede während des Festakts zum 125-jährigen Bestehen der Emschergenossenschaft.


Emscher im Jahr 1912

©  Archiv Emschergenossenschaft
Emscher im Jahr 1912

Die noch kurvenreiche Emscher in Dortmund im Jahr 1912: Überschwemmungen gehörten zur Tagesordnung. 13 Jahre zuvor war die Emschergenossenschaft gegründet worden mit dem Ziel, solche Bilder in Zukunft zu verhindern – mit Erfolg: Auch heute sichern Deiche auf einer Gesamtlänge von rund 120 Kilometern die angrenzenden Wohngebiete vor Überschwemmungen.


Die neue Emscher

©  Rupert Oberhäuser/EGLV
Die neue Emscher

Die neue renaturierte Emscher am Wasserkreuz in Castrop-Rauxel, unmittelbar an der Stadtgrenze zu Recklinghausen, verdeutlicht den Wandel der Emschergenossenschaft vom reinen Abwasserentsorger zum Regionen-Entwickler. Als städtebauliche Ausrufezeichen symbolisieren am Wasserkreuz unter anderem auch der neue Natur- und Wasser-Erlebnis-Park sowie das Brückenbauwerk "Sprung über die Emscher" den Wandel in der Region, der erst durch das Generationenprojekt Emscher-Umbau ermöglicht wurde.


Abwasserkanal Emscher

©  Jochen Durchleuchter/EGLV
Abwasserkanal Emscher

Herzstück des Emscher-Umbaus: Auf 51 Kilometern Länge hat die Emschergenossenschaft den Abwasserkanal Emscher (AKE) zwischen Dortmund und Dinslaken verlegt. Bis zu 42 Meter tief fließt das Abwasser mit vier Kilometern pro Stunde unter der Erde. Mit der Inbetriebnahme des Pumpwerks Oberhausen ging auch der gesamte AKE im August 2021 in Betrieb.