Meldungsdatum: 23.12.2024
Dr. Matthias Kaiser gab zunächst allgemeine Informationen zum Wolf und zur aktuellen Situation im Märkischen Sauerland. Er berichtete unter anderem, wie es zu der Entstehung des Ebbe-Rudels mit sechs Welpen gekommen war. Vater ist demnach ein junger männlicher Wolf mit der Kennung „GW3278m“, der sein Herkunftsrudel „Eckertal“ (Harz) im Jahr 2023 verlassen hatte. Die Wölfin mit der Kennung „GW2856f“ stammt aus einem Rudel in Visselhövede (Niedersachsen) und hält sich laut LANUV vermutlich seit April 2023 dauerhaft im Märkischen Kreis auf. Zudem ging Kaiser auch auf Verbesserungen des LANUV im Umgang mit Rissereignissen ein. Die Meldung von Nutztierrissen und die Anforderung eines Wolfsberaters soll künftig direkt über das Wolfsportal des LANUV erfolgen.
Förderung von Schutzmaßnahmen
Über die Förderung von Schutzmaßnahmen für Weidetiere sowie das Thema Entschädigung, wenn ein Wolf ein Nutztier reißt, informierte Wolfgang Take von der Landwirtschaftskammer. Er zeigte mithilfe von Bildern, wie ein elektrifizierter Zaun aussehen kann und was man für eine Antragstellung benötigt. Auch bei der Landwirtschaftskammer gibt es für diese Fälle eine Hotline: Telefon 0 29 45/98 98 98 oder im Internet unter herdenschutz@lwk.nrw.de . Take empfahl ausdrücklich allen interessierten Nutztierhaltern einen persönlichen Beratungstermin bei der Landwirtschaftskammer.
Richtiges Verhalten bei Wolfsbegegnungen
Neben dem Schwerpunkt Weidehaltung und Schutz von Nutzieren war auch das richtige Verhalten bei Wolfsbegegnungen in der freien Natur oder in Siedlungsnähe Thema der Veranstaltung. Der Märkische Kreis bittet in diesem Zusammenhang, keine privaten Warnhinweise (zum Beispiel durch Aufkleber) auf öffentlichem Eigentum anzubringen. Teilweise wird auf Stickern darauf hingewiesen, Hunde anzuleinen. Speziell in Naturschutzgebieten ist das Anleinen von Hunden jedoch ohnehin Pflicht, unabhängig vom Vorhandensein eines Wolfes. Der Märkische Kreis warnt aber nicht vor dem Betreten von Natur und Wäldern. Es bestehe aktuell kein Grund zu erhöhter Sorge, auch nicht für Kinder.
Der Märkische Kreis, das LANUV und die Herdenschutzberatung der Landwirtschaftskammer bieten ihre Unterstützung für Weidetierhalter an. Mögliche rechtliche Änderungen und Verbesserungen der Förderbedingungen müssten auf EU-, Bundes- und Landesebene erreicht werden.
Wichtige Fragen und Antworten
Die Auswertung der zunehmenden Datenmenge ist nach Angaben des LANUV sehr aufwändig. Auf Kritik von Anwesenden an großen zeitlichen Verzögerungen bei der Meldung von Rissen oder Sichtungen kündigte das LANUV an, dass derzeit die Prozesse zur Abarbeitung der momentan großen Datenmengen optimiert werden.
Einige Weidetierhalter wiesen auf die schwierigen Bedingungen für den Zaunbau im Sauerland hin, und forderten eine bessere finanzielle Unterstützung durch den Staat. Ansonsten wären die Beibehaltung der extensiven Weidenutzung in unserer Region und deren großer Nutzen für die Biodiversität in Gefahr. Gefragt wurde auch nach der Erweiterung des Förderrahmens auf Rinder und Pferde und die Vergütung von Arbeitskosten für Bau und Unterhaltung der Zäune.
Aktuell erfolgt eine Überarbeitung und Erweiterung der Förderrichtlinie des Landes NRW. Die bisherige Fassung hatte vor allem Schafe und Ziegen im Blick, da diese in der Vergangenheit stärker von Wolfsrissen betroffen waren. Forderungen zur Änderung oder Ausweitung der Förderung müssten an Landespolitik und Landesregierung gerichtet werden. Als Ergebnis der zweiten Arbeitsgruppe „Wolf“ im Rahmen der Förderkulisse „Märkisches Sauerland“ hat der Märkische Kreis die Forderung der Arbeitsgruppe an das Landesumweltministerium herangetragen: Es soll das Verfahren für die Förderung verschlanken und insbesondere auch den Baubeginn von Zäunen vor Bewilligung der Förderung zulassen, damit Tierhalterinnen und Tierhalter zeitnah reagieren können.
Von der Herdenschutzberatung empfohlene Schutzeinrichtungen dürfen als ortsübliche Weidezäune zum Schutz vor dem Wolf überall in der freien Landschaft errichtet werden. Gefragt wurde zudem nach der Freigabe des Einsatzes von Glyphosat zur Freihaltung der Zäune. Die Landwirtschaftskammer wies auf die Probleme beim Einsatz dieses Mittels hin. Auf Vertragsnaturschutzflächen ist dies in jedem Fall ausgeschlossen.
Die für die Förderung verlangten Mindesthöhen sind tatsächlich unterschiedlich (zum Beispiel 180 statt 90 Zentimeter bei Gehegewild). Zu beachten sei für eine Wirksamkeit nicht nur die Sprunghöhe des Wolfes, sondern auch das Verhalten der hinter dem Zaun befindlichen Tiere.
Zur Kritik an der „Monopolstellung“ des Senckenberg-Instituts bei der genetischen Untersuchung von Tierrissen entgegnete Dr. Matthias Kaiser vom LANUV, dass die wissenschaftliche Fragestellung und die fehlende Profitorientierung im Vordergrund steht. Bei kommerziellen Instituten wäre die Unabhängigkeit nicht zwingend gegeben. Im Übrigen handelt es sich um einen Beschluss von Bund und Ländern, die Analyse beim Senckenberg-Institut durchführen zu lassen. Durch die bundesweite Datenlage hat dieses den größtmöglichen Überblick über die Wanderung und Vermehrung der Wölfe.
Der Beschluss zur Absenkung des Schutzstatus nach der Berner Konvention tritt am 7. März 2025 in Kraft. Dies würde der Europäischen Union ermöglichen, den Status in der Artenliste der FFH-Richtlinie herabzusenken. Erforderlich wäre jedoch ein einstimmiger Ratsbeschluss auf Vorschlag der EU-Kommission. Ferner müssten in der Folge auf Bundes- und Landesebene rechtliche Anpassungen, insbesondere in den Naturschutzgesetzen, erfolgen. Wann sich die rechtliche Situation in Bezug auf eine mögliche Entnahme tatsächlich ändert, ist daher derzeit noch nicht abzusehen.
Auch Vorschriften zur Jagd müssen im Einklang mit der FFH-Richtlinie stehen. Dort, wo der Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wurde, hat er in der Regel eine ganzjährige Schonzeit. Deshalb bleibt die Änderung der FFH-Richtlinie abzuwarten. Im Übrigen, so das LANUV, zeigt sich keine Korrelation zwischen Bejagung und abnehmenden Nutztierrissen, solange kein Herdenschutz stattfindet.
Das LANUV nannte Beispiele, in denen es zu Übergriffen auf den Menschen durch Wölfe gekommen ist. Danach lässt sich feststellen, dass Wölfe ohne hinzutretende Faktoren wie Tollwut oder Fehlverhalten der Menschen (zum Beispiel Anfüttern) dem Menschen nicht gefährlich werden sollten, da sie ihre Scheu nicht grundsätzlich verloren haben.
Die Begegnung mit einem Wolf, der sich von sich aus entfernt oder verscheuchen lässt, ist demnach noch kein „auffälliges Verhalten“. Sollten Wölfe dem Menschen zu nahekommen (unter 30 Metern) und sich auch nicht verscheuchen lassen, kann gegebenenfalls von einer Auffälligkeit gesprochen werden. Das geltende Naturschutzrecht ermöglicht die Entnahme von gefährlichen Tieren zum Schutze der Bevölkerung. Der Schutz von Menschen hat für die Behörden oberste Priorität.
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