Meldungsdatum: 04.02.2025
"Auf Anordnung der Geheimen Staatspolizei wurden 26 Juden aus Bocholt nach Riga deportiert." Dieser Satz, der 1941 in die Chronik der Stadt eingetragen wurde, steht stellvertretend für die systematische Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens im Deutschen Reich. Die Entrechtung von Jüdinnen und Juden durch das NS-Regime hatte bereits Jahre zuvor begonnen, doch Anfang der 1940er Jahre sollte nun die vollständige Auslöschung erfolgen.
"Seit 2001 sind wir als Stadt Bocholt Mitglied im Riga-Komitee. Die damit einhergehende Verpflichtung, sich regelmäßig den Schicksalen der deportierten, und zum Großteil vom NS-Regime ermordeten Bocholterinnen und Bocholter zu widmen und an sie zu erinnern, ist für uns keine Pflichtaufgabe, sondern ein Selbstverständnis", sagt Björn Volmering, erster Stadtrat und Kulturdezernent.
Die Ausstellung "Und sie waren unsere Nachbarn…" legte einen besonderen Fokus auf die Ereignisse rund um den 10. Dezember 1941 in Bocholt. "Die Ausstellung zeigte politische Zusammenhänge auf, verdeutlicht Entwicklungslinien und machte klar, dass die Deportationen 1941/42 keineswegs überraschend kamen. Vielmehr erklärte sie, wie das nationalsozialistische Regime jüdisches Leben und jüdische Kultur systematisch auslöschte", betonte Oliver Brenn, Kulturmanager der Stadt Bocholt, während der Finissage in der vergangenen Woche.
Kunst als Brücke zur Erinnerung
Besonders hervorzuheben ist die Zusammenarbeit mit dem Künstlerehepaar Dagmar Calais und Chris Steinbrecher aus Bremen. Mit ihrem begehbaren Kunstwerk „Zwei Tage im Winter – zachor: erinner dich!“ schufen sie eine eindrucksvolle emotionale Verbindung zu den Schicksalen der Bocholter Opfer sowie zu den mehr als 25.000 lettischen Jüdinnen und Juden, die im Vorfeld der Deportationen der sogenannten „Reichsjuden“ im Wald von Rumbula ermordet wurden.
Das Projekt wurde von einem umfassenden Rahmenprogramm begleitet, das in Zusammenarbeit mit verschiedenen Kulturinstitutionen und zivilgesellschaftlichen Akteuren entstand. Ein besonderes Engagement zeigte dabei die Bocholter Kunst- und Kulturgemeinschaft e.V.: Ihre Mitglieder gestalteten das Treppenhaus der Ausstellungsräumlichkeiten künstlerisch, ermöglichten mit über 350 Ehrenamtsstunden regelmäßige Öffnungszeiten an den Wochenenden und führten Besuchergruppen durch die Ausstellung. „Wir sind überwältigt von dem Zuspruch der Menschen. Viele haben uns von Erinnerungen aus ihrer eigenen Familiengeschichte berichtet und über ihre intensiven Gefühle während des Besuchs gesprochen“, berichtete Dr. Werner Loock, Mitglied des Vereins.
Ein Blick in die Gegenwart: Jüdisches Leben heute
Bei der Ausstellungskonzeption wurde jedoch auch bewusst darauf geachtet, nicht ausschließlich eine Vergangenheitsperspektive einzunehmen. „Jüdinnen und Juden sollten nicht nur einem Opfernarrativ ausgesetzt werden. Daher beleuchteten die Begleitveranstaltungen auch Aspekte des heutigen jüdischen Lebens und machten die darin verwurzelte Lebensfreude sichtbar“, so Oliver Brenn.
Das vom Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen sowie der Volksbank Bocholt eG geförderte Projekt konnte eine breite Öffentlichkeit ansprechen. Vor allem die Workshops und Führungen mit Schulklassen hinterließen bleibenden Eindruck. „Zu sehen, mit welcher Hingabe und Ernsthaftigkeit zum Beispiel über 500 junge Schülerinnen und Schüler sich dem Thema gewidmet haben, war sehr beeindruckend“, resümierte Lisa Resing.
Die Ausstellung hat deutlich gemacht, dass Erinnerungskultur lebendig sein kann – und dass sie mehr ist als Rückblick: Sie ist Mahnung, Bildung und Verantwortung zugleich.
Pressekontakt: Büro des Bürgermeisters, Stv. Pressesprecher Nikolaus Kellermann, Telefon 0 28 71 953-1290, E-Mail: nikolaus.kellermann@bocholt.de
Das Bremer Künstlerehepaar Dagmar Calais und Chris Steinbrecher sprechen während der Finissage zu den Besucherinnen und Besuchern.
Sämtliche Texte und Fotos können unter Angabe der Quelle frei veröffentlicht werden, Belegexemplare sind willkommen.
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