Bocholt, 05. Juli 2002
Israelischer Botschafter Shimon Stein zu Gast in Bocholt
Empfang im Historischen Rathaus/"Brücken schlagen"/Ehling: Dem Vergessen entgegenwirken
Bocholt (pd).
Der israelische Botschafter Shimon Stein besuchte am 4. Juli Bocholt. Vor dem offiziellen Empfang im Historischen Rathaus durchbrach der hochrangige Gast den auf Minuten abgestimmten Terminkalender und gönnte sich zusammen mit Bürgermeister Klaus Ehling erst einmal einen Cappuccino im nahe gelegenen Eiscafé. Unbemerkt blieb Stein nicht: Passanten wunderten sich über die üppige Polizeipräsenz und Herren im lässigen Jackett mit "Knopf" im Ohr, die wachen Blickes die belebte Marktszene fest im Auge behielten.
Stein, seit 1974 im diplomatischen Dienst und seit Anfang des Jahres 2001 Botschafter des Staates Israel in der Bundesrepublik, war auf Initiative der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Arbeitsgemeinschaft Niederrhein-Westmünsterland, nach Bocholt gekommen. Nach dem städtischen Empfang mit anschließendem Abendessen folgte am Abend eine weitere Veranstaltung der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, in deren Verlauf Stein detaillierter über Israel und den derzeitigen Konfliktherd in Nahost berichtete.
Vor Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung gab Stein beim städtischen Termin seine Eindrücke auf seiner dreitägigen Tour durch Nordrhein-Westfalen, die ihn unter anderem durch das Münsterland und somit nah an die Grenze zu den Niederlanden führte, wieder. "Sie", richtete er sich an die Zuhörerschaft, "müssen keine Angst haben, was sich auf der anderen Seite der Grenze zu den Niederlanden abspielt. Für uns in Israel ist so ein Zustand zur Zeit ein Traum." Der Friede im Konflikt mit den Palästinensern sei in den 90-er Jahren greifbar gewesen. Die Situation hat sich seit einiger Zeit allerdings dramatisch verschlechert - Bombenterror und Selbstmordattentate, bei denen Unschuldige ums Leben kommen, zeichnen das Leben in Israel. Die Gesellschaft in seiner Heimat sei traumatisiert, so Stein.
Eine Veranstaltung wie den Empfang in Bocholt könne man dort nicht so selbstverständlich durchführen. Stein verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass der Nahost-Konflikt gemeinsam gelöst werden könne. Israel sei dabei auf die Solidarität von außen angewiesen, "auch auf die der deutschen Freunde."
Der Diplomat führte ferner aus, dass die Beziehungen zu Deutschland historisch durch den zweiten Weltkrieg geprägt seien und heute auf drei Säulen stünden – politische, wirtschaftliche und zwischenmenschliche. "Die Erinnerung in Deutschland ist Staatsräson", sagte Stein. Bildhaft gesprochen gelte es, Brücken zu schlagen, zu festigen und zu erweitern. "Das ist und bleibt das große Ziel."
Den Gedanken, dem Vergessen an die Greueltaten des 2. Weltkrieges entgegenzuwirken, hatte zuvor Bürgermeister Klaus Ehling in seiner Rede geäußert. "Wir können und wollen in Bocholt keine perfekte Erinnerung pflegen, die leicht zu einem Ritual und damit zur Vergesslichkeit werden kann. Wir wollen mit den Mahnmalen nicht die von jedem selbst zu erarbeitende Erinnerung ersetzen. Wir wollen aber mit ihnen der Vergesslichkeit entgegenwirken." Es gelte, die "eine Welt" mit politischer Demokratie und sozialer Gerechtigkeit und mit der Abwesenheit von Fremdenhass und Terror zu verwirklichen. Dabei, so Ehling, sei religiöser und kultureller Respekt vor dem Standpunkt des Anderen zu wahren.
Musikalisch untermalt wurde der Empfang durch die Bocholter Künstlerin Bettina Oehmen, die zusammen mit ihrem Ehemann jüdische Lieder vortrug.
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In Ruhe einen Cappuccino trinken: Stein und Ehling im Gespräch.
Botschafter Shimon Stein trägt sich ins Goldene Buch der Stadt ein.