Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 14. Oktober 2003

Vor allen Dingen Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen

„Verfahrenspflegschaften“ und „Reform des Betreuungsrechtes“ beenden Betreuungstage 2003 / Kritik an Reform

Bocholt (pd).

Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen – diese beiden Eigenschaften muss ein Verfahrenspfleger – neben dem rechtlichen Fachwissen – besitzen, der im Betreuungswesen tätig ist.

Er tritt dann auf den Plan, wenn ein Vormundschaftsgericht eine Maßnahme im Rahmen einer Betreuung trifft, z.B. über einen Krankenhausaufenthalt gegen den Willen des Betreuten entscheiden muss. Hier agiert der Verfahrenspfleger als neutrale Instanz und vermittelt zwischen dem Betreuten und dem Gericht bzw. anderen Institutionen, so Rechtsanwalt Christoph Kobus aus Rhede, der zum Abschluss der Bocholter Betreuungsrechtstage 2003 im vollbesetzten Ratssaal zum Thema "Verfahrenspflegschaften im Betreuungsrecht" referierte.

Ein Verfahrenspfleger wird vom Gericht bestellt, soweit dies zur Wahrnehmung der Interessen einer betreuten Person erforderlich ist. Dies sei in der Regel der Fall, wenn von der persönlichen Anhörung der Person abgesehen werden soll oder wenn die Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin für sämtliche Angelegenheiten angedacht ist.

"Die wohl wichtigste Rolle des Verfahrenspflegers im Betreuungsrecht besteht als Mittler zwischen dem Betroffenen und dem Gericht sowie den übrigen agierenden Personen und Institutionen, damit sich der Betroffene nicht in die Rolle eines Objektes gedrängt fühlt und dem Verfahren auch folgen kann", so Kobus.

Bei einer Unterbringung im Krankenhaus gegen den Willen des Betreuten sei es wichtig, dass der Betroffene von seinem Betreuer bzw. seiner Betreuerin den Hinweis erhalte, dass ein Verfahrenspfleger bestellt sei, welcher völlig neutral prüfe, ob das gesamte Verfahren rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen habe.

Um einen guten Kontakt zu einem kranken Menschen aufbauen zu können, benötige man neben den juristischen Fachkentnissen vor allen Dingen, wie eingangs erwähnt, Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen, betonte Kobus.

Gerade wegen der erforderlichen Sorgfalt in einem juristischen Verfahren sprach sich der Referent gegen ehrenamtliche Verfahrenspfleger aus, trotz aller positiver Arbeit der ehrenamtlichen Betreuer und Betreuerinnen, wie Kobus ausdrücklich deutlich machte. Die "Verfahrenspflegschaften stehen völlig zu Unrecht nicht im besonderen Interesse vieler Menschen, dabei sind sie für Menschen in gesundheitlichen Ausnahmesituationen eine äußerst wichtige Rechtsgarantie des Gesetzgebers", schloss der Rechtsanwalt.

Im zweiten Referat des Abends erläuterte Bernhard Kerkhoff, Leiter der städtischen Betreuungsbehörde im Fachbereich Soziales, die wichtigsten Änderungen bei der Reform des Betreuungsrechtes. Die Zahl der Betreuungen sei von 1992, als rund 425.000 Menschen im Bundesgebiet betroffen gewesen seien, auf über eine Million (1.036.235) im Jahre 2002 explodiert.

Die Ursache für diese Steigerung sieht Kerkhoff in der "zunehmenden Verrechtlichung der Gesellschaft, dem Zerfall familiärer Strukturen und dem zunehmenden Abbau von Sozialleistungen, sei es in Form von Finanzen oder Personal." Das Betreuungsrecht werde zum "Auffangbecken" fast aller sozialer Notlagen. Da die Kosten ebenso explosionsartig wie die Zahl der Betroffenen angestiegen sei, werde nunmehr das Betreuungsrecht wieder reformiert, nachdem es bereits 1999 zuletzt geändert worden war.

Vorgesehen ist die Pauschalierung der Betreuervergütungen, die bei beruflichen Betreuerinnen und Betreuern auf Grundlage der jetzigen Anzahl von Betreuten Einkommeneinbußen zwischen 25-40 % nach sich zieht. Um wirtschaftliche Einbußen zu vermeiden, müssen sie deutlich mehr Betreuungen annehmen. Das gehe auf Kosten der einzelnen betreuten Person, fürchtet Kerhoff. "Das wird zwangsläufig auf die Qualität der Betreuungsarbeit Einfluss haben."

Der Sparzwang trifft auch die ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuer. Deren

Aufwandspauschale wird von 312 auf 180 Euro gekappt. "Das zeugt nicht von der Wertschätzung des Gesetzgebers für die Arbeit Ehrenamtlicher, welche an sich in den Sonntagsreden höchstes Lob bekommen", merkte Kerkhoff kritisch an.

Abschließend wies er auf die im neuen Gesetz vorgesehene Beglaubigung von Altersvorsorgevollmachten durch die Betreuungsbehörde sowie die gesetzlicheVertretungsmacht für nahe Angehörige hin.

Informationen und Hilfestellungen rund um das Thema des Betreuungsrechtes sowie der vorsorgenden Vollmachten geben die Betreuungsvereine des Sozialdienstes Katholischer Frauen (Evegret Kindermann, Tel.: 02871/2518223), der Arbeiterwohlfahrt (Britta Diekjobst, Tel.: 02871/17969) sowie die Betreuungsbehörde der Stadt Bocholt (Bernhard Kerkhoff, Tel.: 02871/953128).

 

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Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, B. Kerkhoff, Betreuungsbehörde Bocholt, 02871/953-128


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Bernhard Kerkhoff
Bernhard Kerkhoff ist Leiter der Betreuungsstelle im Sozialamt der Stadt Bocholt Foto: Bruno Wansing, Presse- und Informationsamt der Stadt Bocholt

Referierte zum Thema Verfahrenspflegschaften: Chr. Kobus.