Kreis Steinfurt/Greven. „Heute Vormittag kommen die von der Sexualaufklärung“, haben die Neuntklässler der Städtischen Anne-Frank-Realschule in Greven vielleicht zu ihren Klassenkameraden gesagt und dabei die Augen verdreht. Wer „die“ wohl sind, werden sich die Schüler gefragt haben und wahrscheinlich auch gedacht: „Ich weiß doch schon längst Bescheid.“ Oder: „Das wird bestimmt peinlich.“
Erwartungsgemäß wurden Gabi Huerkamp-Rudolph von der Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle des Kreises Steinfurt und Alexander Daum von der AWO – Fachbereich Aidsprävention und Sexualpädagogik – erst einmal kritisch beäugt. Schnell war allen klar: Dies ist kein Schulunterricht – was Alexander Daum in seiner Einführung unterstreicht: „Wir können uns gerne duzen und freundschaftlich miteinander umgehen.“ Aber ein paar positive Regeln für eine gute Zusammenarbeit haben die beiden Sexualpädagogen doch mitgebracht. Das Wichtigste: „Alles, was hier im Klassenzimmer besprochen wird, bleibt in diesem Raum.“ Die Basis dafür, dass sich jeder traut, seine Fragen zu stellen und offen über die persönlichen Themen zu reden. Und weiter: „Jeder erzählt nur das, was er preisgeben möchte – das gilt auch für uns. Die Teilnahme ist außerdem freiwillig. Wer nicht mitmachen will, kann den Unterricht in der Parallelklasse besuchen.“ Wäre das schon mal geklärt.
Es folgt die Vorstellungsrunde, bei der jeder Schüler etwas zum Thema Aufklärung, Liebe, Zungenkuss, Pubertät oder Beziehungen sagen kann. Es wird gekichert und gelacht – einfach eine ungewohnte Situation. Auffällig war jedoch ein Lob der Schüler an ihre Schule: „In Sachen Aufklärung wird an dieser Schule viel unternommen“, hieß es häufig.
Augenfällig können die beiden Sozialpädagogen die anfängliche Skepsis schnell überwinden und das Eis brechen. Sie nehmen die Fragen der Jugendlichen ernst, antworten professionell und arbeiten ganz leichtfüßig zusammen. Man merkt sofort, sie sind ein eingespieltes Team.
Weiter geht es mit einem Quiz – so ähnlich wie Activity. Die Klasse wird in Gruppen aufgeteilt. Natürlich muss – passend zum Thema – ein Gruppenname wie „die Sexpistols“ oder „Lümmeltüten“ her. Und schon geht es los mit Wissensfragen wie: „Nenne drei Kennzeichen von Pubertät.“ Oder: „Woran erkennt man gute Kondome?“ Die Fragen zu Pubertät, Körper, AIDS, Lust und Verhütung sind nicht immer leicht zu beantworten. Die Gruppen suchen angestrengt nach richtigen Antworten. Jedenfalls sind alle mit Feuereifer dabei. Eine Schülerin: „Das macht richtig Spaß!“
Auch den beiden Sozialpädagogen macht die präventive sexualpädagogische Arbeit offensichtlich Spaß. Gabi Huerkamp-Rudolph hat hierin bereits zehn Jahre Erfahrung und zudem eine spezielle Zusatzausbildung absolviert. Alexander Daum steckt mitten in dieser Extra-Ausbildung und ist seit sechs Jahren in der Präventionsarbeit tätig.
Die Schulen zeigen großes Interesse an der sexualpädagogischen Arbeit. Deshalb ist das Team immer ausgelastet. Die Schulen, an denen sie einmal waren, machen direkt wieder Termine für den nächsten Jahrgang aus. „So ein Vormittag ist sehr intensiv“, berichten beide von den guten Erfahrungen. „Vor allem die Kooperation mit dem Fachbereich Aidsprävention und Sexualpädagogik der AWO, den der Kreis mitfinanziert, hat sich bewährt. Weil wir die Erfahrung gemacht haben, dass sowohl Mädchen als auch Jungen über manche Themen lieber und offener ‚unter sich’ und mit einem gleichgeschlechtlichen Ansprechpartner sprechen,“ so Gabi Huerkamp-Rudolph. Besucht werden – auf Anfrage – Querbeet alle Schulformen im Kreis. Während sich die Beratungsstelle des Kreises in erster Linie um Jugendliche Schüler kümmert, behandelt die AWO auch das Thema Gewaltprävention und sexueller Missbrach im Grundschulbereich.
Zurück zur Anne-Frank-Realschule: Die große Gruppe wird getrennt. Im kleinen Kreis können jetzt die Mädchen und Jungen ganz konkret ihre Fragen stellen: „Wie mache ich ein Mädchen an?“ „Was erwartet mich beim Frauenarzt?“ Gerade bei den Jungen merkt Alexander Daum den Gesprächsbedarf ganz deutlich. „Sie wollten unbedingt auch in der Pause weiter ihre Fragen stellen“, berichtet er aus der Kleingruppe. Konzentriert und gespannt hören die Jungs Alexander Daum zu. Endlich bietet sich den Jugendlichen eine Gelegenheit, jemandem mit Erfahrung und Wissen all die spannenden Fragen zu stellen, die einem sonst zu peinlich sind und doch so viele Rätsel aufgeben.
Bei den Mädchen geht ein sogenanntes „Grabbelherz“ herum. „Eine gute Methode, die den Gesprächseinstieg in jugendrelevante Themen wie Verhütung, Liebe, Sexualität, Aids und Co erleichtert“, erklärt die Sexualpädagogin. Jedes Mädchen greift einen Gegenstand aus einem herzförmigen Beutel und erzählt, was es etwa mit einem Kuschelbär, einer Pillen-Packung oder dem „Barbie-Ken“ verbindet. Das Konzept funktioniert, alle Mädchen kommen zu Wort, Gabi Huerkamp-Rudolph kann die Dinge ansprechen, die den jungen Frauen und ihr wichtig sind.
Zum Schluss kommen die Geschlechter in der großen Gruppe wieder zusammen und können sich in einer Diskussion gegenseitig Fragen stellen. „Das war hilfreich – und gar nicht peinlich“, war die eindeutige Meinung der Schüler am Ende des Vormittages.