Zukunftsplanungen für das Bergwerk Westerholt

03.12.2007 | Herten

Teams stellen Charrette-Ideen vor

Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung haben bereits jetzt, drei Jahre vor der angekündigten Schließung des Bergwerks Lippe Konzepte zur künftigen Nutzung entwickelt. Auch viele Bürger nutzten die Chance, um ihren Standpunkt einzubringen. In einem fünftägigen Workshop – der sogenannten Charrette – entwarfen vier Teams erste Entwürfe für die ca. 33 Hektar große Fläche des zum Bergwerk Lippe zugehörigen Standortes Westerholt an der Stadtgrenze Herten / Gelsenkirchen.

In ihre Konzepte haben sie Leitbilder und Impulse aus dem „Runden Tisch“ integriert. Diese hatten Vertreter aus Bürgerschaft, Verwaltung und Politik erarbeitet.

Am Freitag, 30. November, präsentierten die Teams ihre Planungsansätze einer Jury und den Vertreten des Runden Tisches.

Die vier Planungsteams befassten sich innerhalb ihrer Konzeptionen mit verschiedenen Schwerpunkten. Alle Entwürfe sehen eine Anbindung an die umliegenden Ortsteile sowie eine gewerbliche Flächennutzunge, kulturelle und freizeitorientierte Angebote bis hin zu neuen Wohnangeboten vor.

• Unter dem Motto „Was man hat, das hat man“ beschäftige sich ein Planungsteam schwerpunktmäßig mit dem Erhalt der Gebäudesubstanz. So könnte hin zur Bebauung an der Egonstraße zwischen Pförtnerhaus und den alten Bestandsgebäuden mit Kaue, Lehrwerkstatt und Schlosserei ein Campusbereich entstehen. Als Nutzungsausrichtung an diesem Ort ist das Thema Bildung/Weiterbildung im Brennpunkt. Auch der Erhalt von Schacht 3 mit dem Wagenumlauf gehört in das Konzept. Hier könnte an kulturelle und öffentliche Nutzungen gedacht werden.

• „Neue Chancen für Westerholt“ wählte eine zweite Entwurfsgruppe als Überschrift ihrer Konzeption, die sich im Wesentlichen mit den öffentlichen Räumen auf der Fläche beschäftigte. Nachhaltigkeit und Innovation sollen als Kerngedanken für die Standortentwicklung gelten. Hauptziel ist die Ansiedlung von hochkarätigen Forschungsinstituten. Vom Gebäudebestand soll nur der Turm von Schacht 3 mit dem zugehörigen Wagenumlauf sowie der Eindicker erhalten bleiben. Dieser könnte als Quelle für Wasserspiele dienen. Im Nordosten wird über Einzelhandelsnutzung und Grünfläche der Anschluss zur Bahnhofstraße erfolgen. Im Südwesten Richtung Gelsenkirchen-Hassel sollen auf einer Lagerfläche und den von den Bestandsgebäuden freigeräumten Arealen verschiedene innovative Nutzungen realisiert werden: Technik, Bildung, Dienstleistung und alternative Wohnformen sind dort angedacht.

• Die urbanen Funktionen des Standorts Westerholt lagen im Fokus der dritten Entwurfsgruppe. Hier ist sehr stark eine flexible und schrittweise Entwicklung des Areals angedacht, teilweise schon weit vor der Stilllegung. Mit einer Zwischennutzung der Lohnhalle für kulturelle Events könne schon die zukünftige Nutzung vorgezeichnet werden. Unter Umständen könnte solch eine Zwischen-nutzung auch schon für den Bereich um Schacht 3 konzipiert wer-den, z.B. mit einer Sylvesterfeier mit beleuchtetem Förderturm. Insbesondere bei diesem Konzept wird über eine stark bildungsorientierte Ausrichtung des Standortes nachgedacht. Die existierende Lehrwerkstatt dient dabei als Basis für weitere Fortbildungsangebote bis hin zu einer Berufsakademie, bei der auch Synergien mit neuanzusiedelnden Unternehmen geschaffen werden können. Die Bildungseinrichtungen sollen von der öffentlichen Hand mitinitiiert und mittel- bis langfristig von der Privatwirtschaft getragen werden. Für diese sollten im ersten Schritt die Bestandsgebäude an der Egonstraße zur Verfügung gestellt werden. Schacht 3 mit dem Wagenumlauf soll als zweite Säule des Entwicklungskonzeptes dienen. Im Förderturm könnten freizeitorien-ierte Angebote, wie Kino, Kletterhalle oder Sportcenter und in den zugehörigen Gebäuden Hotelangebote unterschiedlichster Niveaus bis hin zu Wohnangeboten auf Zeit entstehen.

• Das Thema Vernetzung in die umliegenden Stadtteile und in die Region wurde unter der Headline „Westerholt sucht Anschluss“ vom vierten Planungsteam erarbeitet. Dieser Entwurf betrachtet die regionale Anbindung des Areals. Der Schwerpunkt des Ent-wurfs konzentriert sich dabei auf den räumlichen Anschluss an die Bahnhofstraße in Westerholt und an den Ortsteil Gelsenkirchen-Hassel. Durch einen Rad- und Fußweg über die Bahntrassen soll eine durchgängige Verbindung zwischen Westerholt und Hassel sowie eine überregionale Vernetzung mit touristischer Ausprägung geschaffen werden. Eine Buslinie über den Standort soll die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr in die Region sichern. Schacht 3 mit dem Wagenumlauf wird erhalten und für kulturelle und künstlerische Events mit überörtlicher Ausrichtung sowie als Bürgerzentrum und Bürostandort genutzt werden. Der nordöstliche Bereich Richtung Bahnhofstraße ist als breite Promenade mit Einzelhandels-Bebauung am Rande geplant. Auch hier wird im Bereich der Kaue und der umliegenden Gebäude der Entwick-lungsfokus auf das Thema Fortbildung, Weiterbildung und Lehre gelegt.

Bei der Abschlusspräsentation der Veranstaltung in Räumen der ehemaligen Zeche Schlägel und Eisen in Herten-Langenbochum waren über 70 Vertreter aus Bürgerschaft, Kommunen, Unternehmen und Planungsexperten zusammengekommen, um die Ergebnisse vorzustellen und zu diskutieren. Die Entwürfe wurden großteils von den Beteiligten als quali-tätsvolle Konzepte mit zahlreichen realistischen Ansätzen bewertet. Die Ideen sollen jetzt in die konkreten Planungskonzeptionen der Entwicklung des Standortes Westerholt einfließen.

Juryvorsitzender Prof. Thomas Sieverts appelliert an alle Verantwortlichen, dass RAG/DSK und MGG weiter intensiv an den Planungs- und Entwicklungsprozessen beteiligt werden. So könnten sie ihre Verantwortung für den Wandel in der Region wahrnehmen und die nachhaltige Nutzung des Areals Westerholt sichern.

Das gesamte Charretteverfahren lief unter Federführung des Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur und Planung der Technischen Universität München (TUM) gemeinsam mit der Essener Montan-Grundstücksgesellschaft mbH (MGG), der Deutschen Steinkohle AG (DSK) sowie den Städten Gelsenkirchen und Herten. Der TUM-Lehrstuhl setzt sich seit dem Jahr 2006 in Studienarbeiten im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Thema „Westerholt“ auseinander. Die Charrette wurde als innovative Strategie entwickelt, um in kurzer Zeit komplexe Probleme der Stadtentwicklung anzupacken. Bei der Methode – deren Namen aus dem franzö-sischen ‚Karren’ entlehnt ist – handelt es sich um einen dynamischen Planungsprozess mit öffentlichem Charakter.

Dies wird auch durch die Arbeit der „Runden Tische“ unterstrichen, bei denen in dieser Woche an drei Abenden Vertreter aus Bürgerschaft, Vereinen und Anwohner ihre Interessen und Wünsche in den Planungsprozess einbrachten.

Das Projekt wird im Rahmen des Förderschwerpunktes REFINA (Forschung für die Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.


Jurymitglieder:
Prof. Thomas Sieverts, Stadtplaner, Bonn, Vorsitzender der Jury
Prof. Dr. Hans Peter-Noll, Vorsitzender der MGG-Geschäftsführung, Essen
Dr. Uli Paetzel, Bürgermeister der Stadt Herten
Heinrich Böll, Architekt, Essen
Maike Hauschild, Projektträger Jülich, Fördergeber 
Clemens Ahrens, Referatsleiter Stadtplanung Gelsenkirchen

Pressekontakt: Pressestelle, Anne Schwierz, Telefon: 02366/303180, E-Mail: a.schwierz@herten.de



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Charrette Bergwerk Lippe 2007

Charrette Bergwerk Lippe 2007

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