Münster (SMS) Wenn Körper und Seele einen Acht-Stunden-Arbeitsalltag nicht aushalten, sind gemeinnützige Arbeitsgelegenheiten für die Betroffenen keine bloße Beschäftigungstherapie. "Das ist manchmal, als ob man eine Kerze anzündet", sagt Thomas Kober, Arbeitsvermittler bei der Arbeitgemeinschaft Münster (AMS). "Arbeitsgelegenheiten sind ein kleiner, aber ganz wichtiger Schritt zurück ins Leben", bekräftigt Ludgera Simon vom Jugendausbildungszentrum (JAZ), das im Auftrag der AMS wohldosierte gemeinnützige Arbeit für Menschen anbietet, die den Weg ins Berufsleben zurückfinden wollen.
Kober betreut bei der AMS - der Kooperation von Stadt und Agentur für Arbeit Münster zur Umsetzung von Hartz IV - mit zwei weiteren Kollegen fast 1500 Schwerbehinderte und Rehabilitanden, deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt nach langer Arbeitslosigkeit und vergeblichen Integrationsversuchen nicht gut stehen. Darunter ist der Maurer mit dem kaputten Rücken ebenso wie - typisch für die Großstadt - eine Vielzahl psychisch Kranker. "Menschen vor allem, die behutsam und in kleinen Schritten in ein Arbeitsleben zurückgeführt werden müssen, das sie bewältigen können", so Kober.
Ein wichtiges Instrument auf diesem Weg sind für das AMS-Team die gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten, gemeinhin "Ein-Euro-Jobs" genannt. Wer sich darauf einlässt, bekommt die Chance, mindestens ein halbes Jahr lang mehrere Stunden am Tag in sozialen Einrichtungen, in Kindergärten, Seniorenheimen oder Sportvereinen zu arbeiten und das Arbeitslosengeld II ein wenig aufzubessern. 1,50 Euro beträgt die Aufwandsentschädigung pro Stunde. Ums Geld gehe es aber den wenigsten, berichtet Kober. "Es geht ihnen um Teilhabe am gesellschaftlichen Leben."
Das JAZ ist für die Arbeitsgemeinschaft einer von mehreren Partnern bei der Aufgabe, eingeschränkt arbeitsfähige Langzeitarbeitlose bei der beruflichen Wiedereingliederung zu unterstützen. Als gemeinnützige Gesellschaft des Katholischen Vereins für soziale Dienste Münster (SKM) profitiert das JAZ davon, Teil eines kirchlichen Netzwerkes mit vielen Arbeitgebern zu sein. Auf rund 45 soziale Einrichtungen in und um Münster kann es zurückgreifen, um Arbeitsgelegenheiten anzubieten. Eingesetzt werden die Teilnehmer in der Garten- und Landschaftspflege, im Büro oder als Hauswirtschaftshelfer. Sie können Hausmeisterdienste übernehmen oder Senioren und Behinderte sozial begleiten. "Sie verdrängen keine anderen Arbeitskräfte", versichert Ludgera Simon. "Aber sie schließen, etwa durch die Beschäftigung mit Demenzkranken, Lücken und verschaffen dem Fachpersonal Freiräume für eine bessere Arbeit."
Gut 100 Schwerbehinderte und Rehabilitanden vermittelt allein das JAZ pro Jahr in eine Arbeitsgelegenheit. Freiwilligkeit ist die Bedingung für die Unterstützung. "Nicht jeder will und nicht jeder kann das Angebot nutzen", berichtet Simon. Veränderungen erzeugten auch Angst, die lähmen könne. Stimmen jedoch die Voraussetzungen, sucht das JAZ nicht nur eine geeignete Arbeit. Die Betreuer kümmern sich um Qualifizierungsangebote, helfen bei der Berufswegplanung, räumen organisatorische Hindernisse aus dem Weg, bringen Ordnung in das Leben der Teilnehmer. "Dazu gehört zum Beispiel die Vermittlung zu einer Schuldnerberatung oder die Organisation der Kinderbetreuung", erklärt Simon.
Für Thomas Kober ist die intensive Betreuung durch Ludgera Simon und ihre Kolleginnen, allesamt sozialpädagogisch ausgebildete Fachkräfte, der Schlüssel zum Erfolg. Ihrer Arbeit sei es zu verdanken, dass die meisten Teilnehmer nicht nur ein halbes Jahr in der Arbeitsgelegenheit durchhalten, sondern für ein ganzes Jahr verlängern. "Wenn das funktioniert, ist für uns die Arbeit mit den Langzeitarbeitlosen anschließend in der Regel deutlich einfacher", berichtet Kober. Weiterbildung, Maßnahmen über den Integrationsfachdienst, mitunter auch eine versicherungspflichtige Beschäftigung schließen sich an.
"Nicht alle schaffen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zurück“, weiß Kober ganz genau. Arbeitsgelegenheiten für Schwerbehinderte oder psychisch Kranke dürften aber nicht nur arbeitsmarktpolitisch gesehen und an der Vermittlungsquote gemessen werden. Kober: "Jedes Jahr mit einem geregelten Arbeitsalltag ist für diese Menschen ein gewonnenes Jahr. Davon profitieren wir alle."
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Das JAZ-Team für die Betreuung Langzeitarbeitsloser in gemeinnützigen Arbeitsgelegenheiten (v. l.): Karin Vienenkötter, Rita Ostendorf-Terbrack, Ludgera Simon und Andrea Paczynski.
Info: Die Arbeitsgemeinschaft Münster (AMS)
Fast 20 000 Menschen in Münster sind angewiesen auf finanzielle Unterstützung durch die Arbeitsgemeinschaft Münster (AMS), um den Lebensunterhalt und die Wohnung zu sichern. Seit 2005 ist es Aufgabe der AMS, diesen Menschen Zugang zu den verbrieften Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II - besser bekannt als Hartz IV - zu ermöglichen. 2007 gewährte die AMS, in der die Stadt Münster und die Agentur für Arbeit Münster zusammenarbeiten, Leistungen in Höhe von fast 100 Mio Euro.
Zweite Aufgabe der AMS ist es, die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. 13 Mio Euro setzte sie 2007 für Weiterbildung, Integration und Beratung ein. 13 000 Menschen profitierten davon: von arbeitslosen Jugendlichen, Zuwanderern und älteren Arbeitnehmern bis zu alleinerziehenden Frauen, Erwerbslosen ohne Ausbildung und Menschen mit Behinderungen. 15,7 Prozent der Geförderten wurden in den Arbeitsmarkt eingegliedert.
Hauptsitz der Arbeitsgemeinschaft Münster ist das Stadthaus 2 am Ludgeriplatz, Nebenstellen gibt es in Kinderhaus und Hiltrup. Die Arbeitsgemeinschaft hat zurzeit rund 210 Beschäftigte.
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