„Wir beheizen unser Kreishaus mit Biogas, denn wir kaufen gern die Energie bei unseren heimischen Landwirten“, freut sich Landrat Thomas Kubendorff über die Auszeichnung. „Bereits jetzt spart der Kreis durch die Umstellung von Erdgas auf Biomasse 35.000 Euro jährlich ein. Umgerechnet bedeutet dies eine Einsparung von 5.000 Tonnen CO2 jährlich“, berichtet Ulrich Ahlke. Der Diplom-Ingenieur ist Leiter des Agenda 21-Büros des Kreises Steinfurt.
Dieses erste Projekt war die Initialzündung dafür, im Kreis Steinfurt dezentral Potenziale für die eigene Energieversorgung zu nutzen. Mit 245 Megawatt installierter Leistung von 111 Windenergieanlagen und weiteren 13 Megawatt von 23 Biogasanlagen würde die elektrische Leistung theoretisch ausreichen, um 75 Prozent aller privaten Haushalte im Kreis mit regenerativ erzeugtem Strom zu versorgen. Im Juni 2008 hatte der Kreistag die Entwicklung eines Klimaschutzprogramms mit dem Ziel verabschiedet, 2050 energieautark zu sein. Erreicht werden soll das durch mehr Energieeffizienz und die regionale Nutzung Erneuerbarer Energien. „Im Kreis Steinfurt liegen die Ausgaben für Energie bei jährlich 1,4 Milliarden Euro. Auf die regionale Wertschöpfung entfallen aber nur zehn Prozent. Das wollen wir bis 2050 umdrehen, rechnerisch energieautark werden, Arbeitsplätze schaffen und so die Wertschöpfung im Kreis stärken“, zählt Ahlke auf. Dafür geht die Kreisverwaltung mit gutem Beispiel voran. Der Biogasanteil bei der Wärmeversorgung der Verwaltungsgebäude liegt bei über 80 Prozent.
Bis dahin war es ein weiter und steiniger Weg. Geboren wurde die Idee, das Kreishaus mit regenerativer Wärme zu versorgen, durch eine Diplomarbeit aus der Fachhochschule Steinfurt. Damals lag dem öffentlich diskutierten Konzept der Einbau einer Hackschnitzelanlage zu Grunde. „Schließlich kamen die Landwirte auf uns zu und fragten, ob nicht eine Versorgung durch Biogas möglich wäre. Daraus entwickelten sich spannende Diskussionen mit Politik und Bürgern“, erinnert sich Ahlke.
Mit Landwirten und dem seit 2002 existierenden Netzwerk Biogas wurde ein Konzept entwickelt. Da eine Biogasanlage im Stadtgebiet nicht denkbar war, musste eine andere Lösung her. Die Wahl fiel auf eine räumliche Trennung von Biogasproduktion und eigentlicher Wärmeerzeugung. Dafür entstanden außerhalb von Steinfurt in der nahe gelegenen Bauernschaft Hollich auf einer Gesamtfläche von 2,5 Hektar eine Biogasanlage und direkt am Kreishaus ein Blockheizkraftwerk, die durch eine 3,6 Kilometer lange, im Verhältnis zu Nahwärmeleitungen deutlich günstigere Biogasleitung verbunden sind. Über diesen Weg kann das Biogas optimal – ohne größere Wärmeverluste – genutzt werden. „Wir wollten mit der Biogasanlage zudem dahin, wo die Landwirte sind und die Rohstoffe anfallen. So lassen sich unnötige Transportwege vermeiden“, so Ahlke.
Die notwendigen Investitionskosten für das komplette Projekt in Höhe von 3,4 Millionen Euro brachten 46 Landwirte und 23 Kapitalgeber auf. Sie gründeten die Bioenergie Steinfurt GmbH und Co. KG. Neben einem Zuschuss vom Land Nordrhein-Westfalen beteiligte sich die KfW-Förderbank mit einem Darlehen über 90.000 Euro an der Finanzierung. Investitionssicherheit für Landwirte und Kapitalgeber schaffte ein Wärmeliefervertrag mit dem Kreis über eine Laufzeit von 15 Jahren. „Wir haben dabei ganz bewusst verhindert, dass sich zwischen Landwirte und Kreis noch ein Unternehmen schiebt“, berichtet Ahlke.
Weitere Einnahmen generiert die Bioenergie Steinfurt über das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es vergütet Kraft-Wärme-Kopplung, die Stromproduktion oder den Einsatz von Gülle und nachwachsenden Rohstoffen mit zusätzlichen finanziellen Anreizen. Den Rohstoff in Form von Gülle, Maissilage oder landwirtschaftlichen Nebenprodukten liefern die Bauern. Dieser wird nur auf ehemals stillgelegten landwirtschaftlichen Flächen angebaut. Der tägliche Bedarf liegt bei 30 Tonnen Maissilage, drei Tonnen Mist, zehn Tonnen landwirtschaftlicher Zwischenfrüchte sowie zehn bis 30 Tonnen Gülle. „Jeder Landwirt stellt etwa 10 Prozent seiner Fläche für den Anbau zur Verfügung. Bei allen stellt die Kooperation mit dem Kreis einen Nebenerwerb da, denn das Kerngeschäft soll die Landwirtschaft bleiben. Dieses dezentral gedachte Konzept hat sich bewährt“, stellt Sven Nefigmann, Geschäftsführer der Bioenergie Steinfurt GmbH, fest.
Das Modell, Biogas direkt beim Verbraucher in Wärme umzuwandeln, macht Schule. Möglich wird das durch den inzwischen wirtschaftlichen Transport des Gases über Leitungen. „Die Stadt Rheine und andere Gemeinden ziehen nach. Etwa bei der Hälfte aller Biogasanlagen fehlt bisher ein schlüssiges Wärmekonzept“, berichtet Nefigmann. In dem Netzwerk für nachwachsende Rohstoffe geht es vor allem um den Einsatz regionaler Biomasse. „Der Kreis hat 3.500 Kilometer Wallhecken. Die durch den jährlichen Pflegeschnitt anfallende Biomasse reicht aus, um 3.500 Häuser mit Energie zu versorgen. Mit den Kommunen arbeiten wir an Konzepten für die Nutzung“, sagt Ahlke. Ohne den Agenda-Prozess ließen sich solche Ideen nicht in die Tat umsetzen.
Weitere Informationen zum Informationsportal „kommunal erneuerbar“, das kommunale Entscheidungsträger beim Ausbau Erneuerbarer Energien vor Ort unterstützen möchte, sind erhältlich im Internet unter www.kommunal-erneuerbar.de.