Kreis Steinfurt/Rheine. Wochenarbeitsplan, Lernlandkarte, Logbuch, Layout – wie auch immer die Referenten beim zweiten „Fachforum Inklusion“ in Rheine ihre Methoden benannten, es lief stets auf das Gleiche hinaus: Individuelles Lernen ist die Voraussetzung für gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Lernhindernis.
Das Regionale Bildungsnetzwerk Kreis Steinfurt, ein Zusammenschluss von Schulen, Aufsichtsbehörden, Schul- und Bildungsträgern, hatte zu diesem Forum eingeladen. 120 Lehrer und Lehrerinnen aller Schulformen aus dem ganzen Kreis Steinfurt nutzten das Angebot und kamen nach Rheine zum Schulzentrum Dorenkamp.
Marko Hildmann als „Hausherr“ der angeschlossenen Grüterschule moderierte die Veranstaltung. Zwei Schulleiterinnen und ein ehemaliger Schulleiter stellten dabei ihre Konzepte inklusiven und individuellen Lernens vor.
Barbara van der Wielen von der Gemeinschaftsschule Billerbeck hielt das Impulsreferat und machte die Aussage „Heterogenität ist normal“ zum Ausgangspunkt ihrer Schulphilosophie. In Billerbeck lernen Kinder von der fünften bis zur zehnten Klasse an einer gemeinsamen Schule, unabhängig vom Grundschulzeugnis. In jahrgangsübergreifenden Klassen (fünf bis sieben, acht bis zehn) steht vor allem die bedarfsgerechte Förderung jedes Kindes im Vordergrund. Ein tägliches Logbuch („Was nehme ich mir heute vor?“), Zielvereinbarungen („Welche Lernziele setze ich mir und erreiche sie bis wann?“) und Lernlandkarten („Was kann ich alles schon, wo hapert es noch?“) geben jedem Kind seinen Rahmen. Zur Einschätzung ihrer Leistung erbringen sie einen „Beweis“, schriftlich oder mündlich bei ihren Lehrern. Dabei erreichen die Kinder keine Noten, sondern Prozentangaben der erreichten Lernziele. Jedes Kind arbeitet damit im eigenen Tempo, die Lehrer sind Begleiter und Unterstützer mit viel Zeit für das einzelne Kind.
Die Wartburg-Grundschule Münster ist ebenso wie die Gemeinschaftsschule Billerbeck eine gebundene Ganztagsschule mit regulärem Schulbetrieb bis in den Nachmittag. „Die Zeit brauchen wir auch“, so Schulleiterin Gisela Gravelaar. Ziel sei es, dass Kinder und Eltern sich an der Schule wohl fühlten und genug Raum für individuelles Lernen bliebe. „Jedes Kind soll erfolgreich sein“, betitelte sie ihre Präsentation. Unter diesen Vorzeichen arbeitet die Wartburg-Grundschule seit vielen Jahren mit dem individuellen Wochenarbeitsplan und hat die Methode der „Lernlandkarten“ entwickelt. „Selbstwirksamkeit“ und „Verantwortung übernehmen für das eigene Lernen“- dies wären wichtige Bausteine im pädagogischen Konzept der Schule. Dafür lernten die Kinder von Anfang an das freie Sprechen und Moderieren, würden ihre Arbeit selbst planen und einschätzen und hätten die Freiheit, phasenweise verschiedene Schwerpunkte zu setzen. Verschiedenheit sei normal, Kinder würden sich gegenseitig helfen und den Lehrern bliebe dadurch mehr Zeit für eine individuelle Begleitung.
Aus Itzehoe kam schließlich ein drittes Praxisbeispiel inklusiven Lernens. Jürgen Kaletsch, frisch pensionierter Schulleiter der Gemeinschaftsschule Lübscher Kamp, berichtete von seinen Erfahrungen. Seine Schule war zunächst eine reine Hauptschule, bevor sie 2008 zur Gemeinschaftsschule wurde. Kaletsch erzählte von seinen Schülern, etliche davon anerkannte Förderschüler, deren Verhalten und Erfolge mitunter „traumhaft“ seien. Die Schule setze dabei auf die Kraft des persönlichen Erfolgswillens gepaart mit einer Philosophie von „Hand und Herz“. Jeder Schüler erstellt sein „Layout“ mit persönlichen Lernzielen. Er bedient sich im „Baumarkt“ an notwendigem Lernmaterial, bearbeitet „Werkstattkarten“ mit passenden Aufgaben, besitzt einen mobilen Container mit persönlichen Arbeitsunterlagen, kann Tafeln und Mobiliar seiner Klasse jederzeit umbauen und darf zwischendurch immer zur Teeküchenecke, um zu entspannen. Die Schüler präsentieren ihre Arbeitsergebnisse vor Schülern und Lehrern, planen ihre Tage, Nachmittage und weiteren Lernziele. „Und obwohl wir Null-Toleranz-Grenzen haben, sind bei uns die Zufriedenheit äußerst groß und Strafmaßnahmen sehr selten nötig“, bilanzierte Kaletsch.
Karin Kindervater, Schulrätin des Kreises Steinfurt und Leiterin des Kompetenzteams für staatliche Lehrerfortbildung im Kreis Steinfurt, bot schließlich allen Schulen Unterstützung an. „Inklusion erfordert Fortbildung. Wir unterstützen Sie gerne dabei. Fordern Sie uns heraus!“, so ihr Plädoyer, dem sich auch ihre Kollegin Christiane Raue Bartsch anschloss.
Die Diskussionen gingen anschließend in lockerem Austausch weiter. Eine Fortsetzung ist gewiss.
Pressekontakt: Silke Wesselmann, Tel.: 02551/ 69-2167