Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 26. Juli 2013

Europa: Bauernpräsident fordert Wissenstransfer bei Agrarwirtschaft

Johannes Röring diskutiert mit Europa-Union Bocholt

Bocholt (PID).

Wussten Sie, dass jeder 4. – 5. Arbeitsplatz im Kreis Borken in der Landwirtschaft zu finden ist? Wussten Sie, dass der Landwirtschaftsetat in Berlin nur 5 Mrd. Euro, der in Brüssel jedoch 180 Mrd. Euro stark ist? Wussten Sie, dass Subventionen für landwirtschaftlich genutzte Flächen und nicht für Produkte gezahlt werden? Diese und viele weitere Fragen beantwortete Bauernpräsident Johannes Röring im kreativen Dialog im Bocholter Kolpinghaus.

Die Europa-Union – Kreisverband Bocholt hatte gemeinsam mit dem Europe-direct Informationszentrum Bocholt zu der Veranstaltung „Europa und die Landwirtschaft“ am 25. Juli 2013 eingeladen. Moderator und Vorsitzender der Europa-Union, Peter W. Wahl, führte in die Thematik ein. Die Landwirtschat ist seit den Römischen Verträgen im Jahr 1957 das verbindende Glied in der Europäischen Union. Bis heute ist dieser Zweig in Europa sehr bedeutend, so dass der Hauptteil der regulatorischen und gesetzgebenden Aufgaben der einzelnen Ländern in Richtung Brüssel verlagert wurden, erklärte Röring.

Bis zum Jahr 1992 diskutierte man in Brüssel in der guten Absicht, die Menschen zu ernähren, über die Getreide – und Milchpreise. Danach führte die Europäische Union unter dem damaligen Agrarkommissar Mc Sherry erste Reformen ein, die dem Trend der Überproduktion von Lebensmitteln entgegenwirkte. Hatte man bis dahin den europäischen Markt durch Zölle extrem abgeschottet, so begann man ab 1992 damit, den Handel mit Agrarprodukten weltweit zu öffnen. Die Subventionierung von Produkten wurde abgebaut und auf die Förderung von Flächen verlagert. Gleichzeitig, so der Bauernpräsident, verband die EU damit die Forderung, den Tier- und Umweltschutz stärker zu beachten. „Kein öffentliches Geld ohne Gegenleistung“, so lautete damals die Devise.

Im Jahr 2003 hat man diesen Prozess beschleunigt, sagte Röring, so dass die Direktzahlungen für jeden Hektar völlig von der Produktion entkoppelt wurden. Dem Trend der Überproduktion wurde dadurch entgegengewirkt, dass 10 % der Flächen brach liegen blieben. Heute, so Röring weiter, werden diese Flächen z. B. für die Produktion von Biomasse zur Energiegewinnung genutzt. Die in 2004 eingeführten Direktzahlungen wurden und werden künftig in einem 2-Säulen-Modell gezahlt: Eine Förderungssäule von rd. 70 % betrifft weiterhin die Zahlungen für jeden Hektar; die andere Säule widmet sich z. B. die Förderung des ländlichen Raums, Maßnahmen zum Küstenschutz, Bau von Fahrradwegen etc. Auch für die Pläne 2014 – 2020 sieht die EU diese Zahlungen vor, auch wenn ggf. mit Kürzungen für den Bereich der benachteiligten Gebiete gerechnet werden müsste. Bis zum Ende 2013, so der Bauernpräsident, wird die Entkopplung an das direkt erzeugte landwirtschaftliche Produkt hin zur Fläche vollzogen sein. Im Kreis Borken, so Röring, gehen dadurch 13 Millionen Euro EU-Fördermittel verloren.

Im Rahmen der anschließenden Diskussion standen immer wieder die Fragen Ethik und Agrarproduktion im Vordergrund. In den nächsten 40 Jahren, erklärte Röring, muss weltweit mit weniger Aufwand auf der gleichen Fläche das Doppelte erzeugt werden, um die Menschen zu ernähren. Die EU und Deutschland haben nur 1 % der Ackerfläche in der Welt zur Verfügung, deshalb ist es wichtig, dass die EU sich selbst ernährt. Es zeigt jedoch gleichzeitig, so Röring, dass Maßnahmen,  z. B. auf Fleischkonsum zu verzichten, die die Menschen in der EU und in Deutschland anstreben, bei 1 % der Weltbevölkerung nicht greifen können.

Er führte außerdem an, dass die Kaufkraft in Europa und Deutschland so stark ist, dass „wir jeden Teller auf der Welt leer kaufen könnten“. Deshalb ist für ihn wichtig, das Agrar-Know-How aus Europa in andere Länder zu transportieren, damit es dort gelingt, die Produktion von Nahrungsmittel zu erhöhen. „Die Bauern müssen in die Lage versetzt werden, Nahrung in diesen Ländern selbst zu erzeugen.“, sagte der Bauernpräsident. Gleichzeitig muss es jedoch ebenfalls gelingen, das Verteilersystem so aufzubauen, dass die produzierten Nahrungsmittel zu den Menschen gelangen, ohne vorher zu verderben oder auf der Strecke zu bleiben. „In 20 bis 30 Jahren müssen 40 % der weltweit erzeugten Agrargüter transportiert werden“, so Röring weiter.

Für ihn ist es wichtig, dass bei der gigantischen Herausforderung, bis 2050 doppelt so viel zu erzeugen, den Bauern weltweit mehr Bedeutung beigemessen werden muss. Sie sind die Eckpfeiler einer modernen Volkswirtschaft, ergänzte er. Dabei kann jedoch jeder durch sein eigenes Verhalten im sorgfältigen Umgang mit Nahrungsmitteln dazu beizutragen, dass es gelingen kann, diese Herausforderung zu stemmen.

Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, Fachbereich Zentrale Verwaltung, Partnerschaftsbeauftragte Petra Taubach, Telefon 0 28 71 95 33 28, E-Mail: ptaubach@mail.bocholt.de


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Europa: Bauernpräsident Röhring in Bocholt
Bauernpräsident Johannes Röring im kreativen Dialog mit dem Vorsitzenden der Europa-Union - Kreisverband Bocholt, Peter W. Wahl, am 25. Juli 2013 im Kolpinghaus Bocholt. Foto: Petra Taubach, Stadt Bocholt