"Ohne zu wissen, welcher Kandidat an welchem Abend erscheint, spricht dies für ein reges Interesse an politischen Themen und eine große Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen und Thesen. Besonders die hohe Zahl an jungen Teilnehmern war erfreulich", resümiert Sebastian Borgert, Leiter des EDIC Bocholt. Fatma Boland, bei der VHS verantwortlich für die Themen Politik und Gesellschaft, ist zuversichtlich: „Aus unserer Sicht ist die Beteiligung ein positives Signal und verspricht bei der Europawahl am 26. Mai eine höhere Wahlbeteiligung als 2014.“
Sachliche und respektvolle Diskussion
„Wir sind sehr zufrieden mit den Diskussionen, die auch bei umstrittenen Kandidaten stets respektvoll und sachlich geführt wurden.“, so Borgert weiter. Zuschauer wie Kandidaten begegneten sich auf Augenhöhe, die Themen waren vielseitig und bewegten sich zwischen dem unvermeidlichen Brexit bis hin zu einem europäischen Mindestlohn. Peter W. Wahl, Landesvorsitzender der Europa-Union NRW lobte das Format: „In der Wahlarena konnten persönliche und relevante Fragen gestellt werden. Bei Podiumsdiskussionen kommen die Fragen der Bürger häufig zu kurz.“
Unterschiedliche Schwerpunkte - Die Positionen der Parteien
Die verschiedenen Kandidaten führten sehr unterschiedliche Diskussionen, welches als ein Vorteil dieses Formats gesehen wurde. So versuchte CDU-Vertreter Stephan Brühl das Publikum durch eigene Fragen aktiv mit einzubinden. Bei Europa gehe es nicht nur um Geld, sondern vor allem um uns Menschen. Das war die Botschaft, die er dem Publikum mitgab. Dies bestätigte ein niederländischer Teilnehmer, der die europäische Kultur und die Werte in den Mittelpunkt seiner Wortmeldung stellte. Offene Grenzen bedeuten für viele Menschen Freiheit und Freizügigkeit, die man erst richtig zu schätzen wüsste, wenn man im Ausland unterwegs sei. Auch der Binnenmarkt und die gemeinsame Währung wurden als Vorteile genannt.
Trotz all dieser Errungenschaften fühle sich der einzelne Bürger doch eher machtlos, weil er auf die alltägliche Politik wenig Einfluss habe, so ein Bürger. Zudem wurde im Publikum der Wunsch geäußert, die Kandidaten fürs EU-Parlament direkt wählen zu können. Die jungen Zuschauer im Publikum bemängelten vor allem, die schlechte und oft schwierig zu verstehende Kommunikation seitens der EU. „Wieso gibt es keine einfache Methode, den Upload-Filter zu erklären?“, wollte eine Schülerin wissen.
Der Kandidat der Linken, Fotis Matentzoglou, überraschte das Publikum mit seiner Forderung, Zuwanderung europaweit weitgehend ohne Beschränkungen oder gesetzliche Regelungen zuzulassen. Er vertrat die Position seiner Partei, dass die EU ihre Mitgliedstaaten verpflichten müsse, allen Menschen ein Leben ohne Armut zu ermöglichen. Die Sozialsysteme der Mitgliedstaaten seien unterschiedlich. Es müsse aber ein einheitliches Recht auf ein Leben frei von Armut geben. Dazu gehöre auch, dass die EU-Staaten eine Mindestrente garantieren müssten, die alle Menschen vor der Armut schütze.
Für AfD-Kandidat Prof. Beck war die Abwicklung des Euro und die Rückkehr zur Deutschen Mark das Schwerpunktthema. Bei einigen Nachfragen zu unterschiedlichen Themen wie Migration, Klimawandel oder sozialer Rechte erläuterte er seine These, der Euro sei der Kardinalfehler gewesen, aus dem die meisten anderen Probleme der letzten Jahre entstanden seien. Der Euro sei eine nicht gerechtfertigte Exportsubvention zu Lasten von Sparern und Steuerzahlern in den einzelnen Staaten. Zudem sei die Europäische Union zu bürokratisch und ineffektiv. Er sieht seine mögliche Mitgliedschaft im Europäischen Parlament als persönliches Opfer und würde lieber in seiner Wahlheimat London verbleiben und dort weiterhin EU-Recht lehren.
Daniel Freund, Kandidat der Grünen, präsentierte sich als lebender Europäer. Kindergarten in Belgien, Erasmus im Ausland, verheiratet mit einer italienischen Frau: ohne die EU wäre sein Leben völlig anders verlaufen. So ist die EU für ihn mehr als ein politisches Projekt, sondern eine Wertegemeinschaft. Erwartungsgemäß mit einem eindeutigen und knappen „Ja” antwortete er auf die Fragen, ob sich die Staaten in der EU von Kernenergie und Kohle verabschieden und ob die EU-Staaten nachhaltiger haushalten, wirtschaften und planen müssen.
Für die SPD stieg Sarah Weiser, die einzige Frau der Wahlarena-Reihe, in den Ring. Ihr persönliches Thema sei der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa sowie die Forderung nach einem europäischen Mindestlohn. Dieser müsse nicht europaweit gleich hoch sein, sondern gleichwertig, angepasst an die Lebensverhältnisse. Die Frage, welchen Zweck die Europäische Union bereits erfüllt habe, beantwortete sie, der größte Erfolg sei der Frieden für den europäischen Kontinent und dieser könne nicht überbewertet werden. Auch sei die EU nach wie vor der Motor eines großen sozialen Wohlstands.
Auch der letzte Kandidat, Moritz Körner, Landtagsabgeordneter und Kandidat der FDP, konnte sich noch der vollen Aufmerksamkeit des Publikums sicher sein. Körner forderte mehr Investitionen in Bildung und Start-Ups, mehr Investitionen für Innovationen sowie mehr Kooperationen zwischen europäischen Hochschulen zur Entwicklung europäischer Elite-Unis. Der 29-Jährige räumte mit dem Vorurteil „schick den Opa nach Europa“ auf. Europa sei vielmehr ein Karrieresprungbrett. Im Europäischen Parlament habe er viel mehr Möglichkeiten, selbst zu gestalten, als in einem nationalen Parlament. Denn in nationalen Parlamenten sei durch die Regierung und die Fachministerien vieles vorgegeben.
Wer die Wahlarena-Reihe verpasst hat, kann sich Ausschnitte der Diskussionen ab Anfang Mai auf der Homepage der Europa-Union Bocholt anschauen.
Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, Europabüro Bocholt, Sebastian Borgert, Telefon +49 2871 21765-218, E-Mail: europe-direct@ewibo.de
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