Bürgermeister Thomas Kerkhoff stellte das Thema "Einschränkung" in den Fokus seines Grußwortes. "So wie wir heute unter der Einschränkung der Coronapandemie diese Eröffnung nur im kleinen Kreis machen dürfen, so ist die wechselvolle Geschichte des Bocholter Stadtwaldlagers vor dem Hintergrund verschiedenster - viel weitergehender - Einschränkungen vor allem persönlicher Art, als Kriegsgefangener oder auch als Fremdarbeiter, zu sehen", so Kerkhoff. Heute habe sich der ganze Bereich, nach dem Verfall in den 60er und 70er Jahren, gewandelt. "Anstelle der Unfreiheit haben wir heute ein Gebiet der Naherholung, des Naturerlebnisses und einen Ort der Erinnerung, eine gute und schöne Freiheit", sagte Kerkhoff.
Stark machen für ein "nie wieder"
Landrat a.D. Gerd Wiesmann sprach in seinem Grußwort von einer "großartigen Ausstellung, die in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt wurde". Das Stadtwaldlager symbolisiere eine Konzentration der Zeitgeschichte. "Es gibt in Bocholt keinen anderen Ort der in dieser Konzentration so viel Leid verursacht hat", betonte Wiesmann. Mit dem Palestina Transit Camp habe es anschließend aber auch eine Form von Aufbruch gegeben. "Wir wollen dort mit dem künftigen Weg der Erinnerung etwas Bleibendes schaffen, uns für ein "nie wieder" stark machen und uns dafür einsetzen, dass die Welt von Frieden, Freiheit und Respekt geprägt ist", so Wiesmann abschließend.
Bodenfunde zeugen von individuellen Schicksalen
"Die Bodenfunde, die wir dank des großen Engagements von Marius Lange hier präsentieren können, zeugen vom Schicksal der verschiedenen Individuen, die dort gelebt haben", sagt Museumsleisterin Lisa Merschformann. Wie viele einmalige und zeitzeugende Elemente in den letzten Jahren und Jahrzehnten entnommen wurden, könne nicht ermessen werden. "Wir sind froh, dass wir die Bodenfunde hier präsentieren können und bereits dieser Teil rückt die Lagergeschichte und die Einzelschicksale der im Lager lebenden Menschen nochmal ganz besonders in den Vordergrund. Es wird deutlich, dass innerhalb der Lagergeschichte Adjektive wie schmerzhaft, bunt, karg, vielfältig, lebensfroh, tödlich, hungernd, militärisch und hoffnungsvoll sehr nahe beieinanderlagen", so Merschformann.
Hintergrund zur Ausstellung
Das Bocholter Stadtwaldlager ist ein Ort mit einer wechselvollen Geschichte. Errichtet im Jahr 1935 diente es zunächst der sogenannten Österreichischen Legion und bis zum Kriegsende auch als Kriegsgefangenenlager der deutschen Wehrmacht. Nach 1945 wurde das Lager zunächst als Außenstelle Bocholter St. Agnes Hospitals und zur Unterbringung sogenannter sowjetischer „Fremdarbeiter“ genutzt, bevor es am 30. März desselben Jahres durch britische Truppen eingenommen wurde. Diese nutzen den Lagerkomplex mit seinen bestehenden Strukturen ebenfalls für die Unterbringung von Kriegsgefangenen. Nun aber vorrangig für Angehörige der deutschen Wehrmacht.
Palestine-Transit-Camp
Zwei Jahre nach Kriegsende wurde das Bocholter Stadtwaldlager im Zuge der „Operation Grand National“ als Standort für ein Palestine-Transit-Camp ausgewählt. Von nun an sollten ausreisewillige Juden aus den ehemaligen Konzentrationslagern auf ihren Transit in das Mandatsgebiet Palästina vorbereitet werden.
Bis ins Jahr 1956 hinein fanden im Lager immer wieder verschiedenste Flüchtlinge und Vertriebene Unterkunft. Im Jahr 1959 wurde das Gelände von der Bundeswehr übernommen. Die alten Lagerstrukturen verfielen mit den Jahren immer stärker, sodass sie Anfang der 1980er Jahre schlussendlich abgerissen wurden. Heute sind auf dem Gelände des ehemaligen Lagers nur noch wenige Spuren erkennbar. Knapp 26 Jahre später begann die Bundeswehr damit, das Gelände zu veräußern. Die frei gewordenen Flächen wurden durch die Stadt Bocholt angekauft.
Freizeitgelände Stadtwald erweitert
Dadurch konnte das Freizeitgelände Stadtwald stetig erweitert werden. Bis heute dient der Stadtwald als Naherholungsgebiet. Neben dem Erholungs- und Naturerlebnis wird an vielen Stellen auf dem Gelände an die Historie erinnert. Vor allem das Gedenken an die Opfer totalitärer Gewalt und die Aufarbeitung der Lagergeschichte stehen weiterhin im Vordergrund der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Neben der Errichtung eines Denkmals und Informationsstelen auf dem Lagergelände selbst, haben in den letzten Jahrzehnten vielfältige Ausstellungen, Informationsveranstaltungen und Buchprojekte die Aufarbeitung der Geschichte des Bocholter Stadtwaldlagers stetig vorangetrieben.
Das Team
Zum Team, das die Ausstellung zusammengestellt und aufbereitet hat, gehören
- Lilli Gebbing (Stadtmuseum)
- Anke Hochgartz (Fotos)
- Günter und Marion Hoves (Stadtmuseum)
- Marius Lange (Bodenfunde, Kurator, Aufbau)
- Lisa Merschforman (Leitung)
- Josef Niebur und
- Hermann Oechtering (Kuratoren Transit Camp)
Öffnungszeiten und Regeln
Die Öffnungsmodalitäten lehnen sich an die aktuellen Coronalockerungen an. Sollte es bei einem weiter niedrigen Indzidenzwert bleiben, ist das Stadtmuseum ab Samstag, 29.5., ohne Test und Termin für 20 Personen gleichzeitig geöffnet. Sollte es kreisweit weiterhin unter 35 bleiben, fällt die Personenbegrenzung in der nächsten Woche, ab dem 31.5., weg. Dann findet auch am 1.6. (17 - 18 Uhr) eine erste öffentliche Führung statt. "Da bitten wir aber auf jeden Fall noch um vorherige Anmeldung", so Lisa Merschformann.
Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundliche Stadt im Münsterland, Büro des Bürgermeisters, Presse- und Informationsdienst, Bruno Wansing, Telefon +49 2871 953-571, E-Mail: bruno.wansing@mail.bocholt.de
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