Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 13. Dezember 2000

Haushaltsrede zur Einbringung des Haushaltes 2001 von Bürgermeister Klaus Ehling

- Es gilt das gesprochene Wort -

Bocholt (pd).

Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete, meine sehr geehrten Damen und Herren,

der Kämmerer wird Ihnen im Anschluss einen Haushaltsplan 2001 und eine Entwicklungsperspektive vorstellen, die unter bestimmten Voraussetzungen durchaus hoffnungsfroh in die finanzielle Zukunft unserer Stadt Bocholt blicken lassen. Das ist bemerkenswert und sollte die Hauptbotschaft des heutigen Tages sein. Sie werden aber sehen, dass es noch vieler Anstrengungen bedarf, aus diesen Prognosen Wirklichkeit werden zu lassen. I. 83 deutsche Städte im Test Der Focus hat in dieser Woche einen Städtetest veröffentlicht. 83 deutsche Städte wurden begutachtet. Bocholt war natürlich nicht dabei, weil wir nicht ganz groß genug sind, um in die Wertung aufgenommen zu werden. Interessant ist aber, welche Kriterien dieser Bewertung zugrunde gelegt wurden. Natürlich stellt man sich insgeheim die Frage, wie wir wohl abgeschnitten hätten.

Zukunftspotential, Wirtschaftskraft und Lebensqualität unter Einbeziehung der Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt sind ohne Zweifel die entscheidenden Faktoren für die Zustandsbeschreibung des Gemeinwesens "Stadt". In allen Punkten sind wir "gut in Schuss" und dort, wo es Probleme gibt, sind wir dabei, uns zu verbessern und ich glaube, dass die Bocholter ihre Stadt lieben und sich mit ihr voll identifizieren. Darauf lässt sich aufbauen.

II. Gute Ansätze 2000 1. Innenstadt/Baustellen

Wir haben in diesem Jahr eine Innenstadtentwicklung initiiert und durchgeführt, die man "atemberaubend" nennen kann. Shopping-Arkaden, Neutorplatz, Erneuerung der Fußgängerzonen und Weihnachtsbeleuchtung sind nur die wichtigsten Stichworte zur Kennzeichnung eines Maßnahmebündels, das nur mit dem Willen der Stadt und der Beteiligung Privater in die Tat umgesetzt werden konnte. Bocholts Image als lebendige Einkaufsstadt hat sich in der Region noch einmal deutlich verbessert.

Meine Damen und Herren, in einem Städtevergleich unserer Region ist das Rang 1 - und zwar mit Abstand. 2. Stadtmarketing

Stadtmarketing ist die Bearbeitung eines Marktes, in dem Städte um die Gunst von Einzelpersonen aber z. B. auch Unternehmen und Institutionen konkurrieren. Dies ist ein umfassender Ansatz von Stadtmarketing, dem wir meines Erachtens im abgelaufen Jahr wesentlich weiterentwickeln konnten. Was Events und Werbung für die Stadt betrifft, erweist sich dabei unsere Stadtmarketing GmbH und Co. KG als äußerst schlagkräftiges Instrument. Herr Dieckhues als Geschäftsführer hat es verstanden - und dies mit höchstem persönlichen Einsatz, öffentliche Mittel und Geld sowie Engagement von Privaten so zu bündeln, dass im Rahmen von großartigen Gemeinschaftsinitiativen, Veranstaltungen und Aktionen durchgeführt werden konnten, die nach innen und außen die Identifikation mit Bocholt schlechthin erheblich gestärkt haben. Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit und der Stadtinformation habe ich gezielt auf die Stadtmarketinggesellschaft übertragen, um überflüssige Doppelarbeit und Reibungsverluste zu vermeiden.

Meine Damen und Herren, was wir hier entwickelt und aufgebaut haben, konnte nur gelingen, weil alle mitmachen und weil wir mit Herrn Dieckhues als Geschäftsführer sozusagen eine Traumbesetzung haben. Niemand fragt mehr nach, ob in Bocholt etwas los ist. Die Frage heutzutage ist nur noch, was ist gerade los in Bocholt. Auch in Sachen Stadtmarketing sind wir in der Region auf Rang 1, auch hier kann ich im Rückspiegel ernsthafte Mitbewerber nicht einmal erkennen.

3. Entwicklung der Wirtschaft/Arbeitsmarkt Fast 30.000 Menschen finden bei uns in Bocholt einen Sozialversicherungspflichten Arbeitsplatz. Dabei vollzieht sich auch bei uns fast unmerklich aber kontinuierlich eine verstärkte Entwicklung des Dienstleistungssektors. Viele kleine gesunde Unternehmen dominieren und es kommen fast täglich neue hinzu. Hier zahlt sich aus, dass wir konsequent Unternehmen Raum gegeben haben, als Stadtverwaltung aktiv das Verhältnis zu unseren Firmen pflegen und ihnen nicht nur das Gefühl vermitteln, stets für sie da zu sein. Eine Arbeitslosenquote von nur 5,2 % spricht eine deutliche Sprache und meine Damen und Herren, bringt uns bei der Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung in der Region ebenso auf Rang 1.

4. Verkehrsanbindung

Die Anbindung der Stadt Bocholt an das Verkehrsnetz ist nach wie vor stark verbesserungsbedürftig.Es ist gut für uns, dass wir uns im Hinblick auf den zügigen Ausbau der B 67 n in Bocholt nahezu einig sind. Ich habe den Eindruck, dass wir sonst schlechte Karten beim zuständigen Minister hätten. Wir müssen gemeinsam mit aktiv dafür kämpfen, dass ab 2003/2004 die Autos über die B 67 n Richtung Rhede und Bocholt fahren können. Den Ausbau der Bahnstrecke Bocholt-Rhede halte ich weiterhin für sehr unrealistisch und zwar sowohl aus Wirtschaftlichkeitserwägungen als auch aufgrund der Trassenführung mitten durch die gewachsenen Stadtviertel. Es besteht kein Zweifel daran, dass unsere Eisenbahnerschließung unbefriedigend ist, besonders auch in Richtung Münster. Wir werden aber froh sein können, wenn wir den Status quo Bocholt-Wesel über 2003 hinaus beibehalten können. Was also die Verkehrserschließung angeht, sind wir sicher nicht auf Rang 1 - da gibt es noch einiges zu tun.

5. Bildungslandschaft

Mit dem Bau der Fachhochschule und dem endgültigen Ausbau unserer Schulen ist eine Entwicklung abgeschlossen, die für die Bildungswünsche unserer Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wenig Wünsche offen lässt. Wir hinken aber gewaltig hinterher - übrigens auch gegenüber Nachbarstädten - wenn es um die Ausstattung unserer Schulen im IT-Bereich , dem Zugang der Schulen ans Netz und um die Vernetzung der Schulen untereinander geht. Wir können es uns nicht mehr lange leisten lediglich - wenn auch zu Recht - darauf zu verweisen, dass das Land seine Lehrer nicht ausreichend fit macht auf diesem Gebiet. Unsere Schulen sind gut, insbesondere auch unsere Lehrer, die technische Ausstattung steht aber nicht auf Rang 1 - bei weitem nicht.

III. Dynamik beibehalten Die Aufgabe der nächsten Jahre wird darin bestehen, die Dynamik in den oben beschriebenen Bereichen unserer Stadt beizubehalten, unsere Schwachstellen zu beseitigen und dabei gleichzeitig die Verschuldung zurückzuführen. Wohltaten gibt es dann nicht mehr zu verteilen, auch nicht direkt vor Wahlen. Das wäre angesichts unserer Verschuldung auch verantwortungslos.

1. Qualitätsoffensive

Nachdem aufgrund der Investitionstätigkeit der vergangenen Jahre sozusagen das Haus gebaut und ausgestattet wurde, müssen wir jetzt nicht nur sehen, dass das Haus schuldenfrei wird, sondern stets für die qualitativ beste Ausstattung sorgen - damit es attraktiv bleibt, darin zu wohnen. Das betrifft unsere Innenstadt, in dessen Erscheinungsbild wir weiter investieren müssen, um den Vorsprung in der Region zu halten. Fest entschlossen bin ich, auch unsere Stadtmarketing Gesellschaft weiter zu stärken, damit Bocholt auch in Zukunft in aller Munde ist und einen guten Auftritt nach außen bekommt. Die Schulen müssen spätestens mit dem Nachtrag 2001 im Rahmen eines ausgearbeiteten IT Konzeptes mit einer kompletten IT-Infrastruktur ausgestattet und untereinander vernetzt sein, um den Schülern die so wichtige IT-Kompetenz vermitteln zu können. Die Leistungsfähigkeit der informationstechnologischen Infrastruktur scheint ohnehin für Betriebe und Unternehmen künftig der Standortfaktor Nr. 1 zu sein. In diesem Zusammenhang müssen wir uns selbst bald gemeinsam mit der BEW und BORNet die Frage beantworten, ob nicht im Bereich der Innenstadt, des Industrieparks, des Technologieparks und der Fachhochschule auch im Wege der Vorleistung das Glasfasernetz ausgebaut werden muss. In dem gleichen Zusammenhang stehen unsere Bemühungen zu den ersten zu gehören, bei denen das UMTS-Netz ausgebaut wird, weil auch das nach übereinstimmender Aussage aller ein eminent wichtiger Standortfaktor sein soll. Dies alles wird erforderlich sein, um im Rahmen einer Qualitätsoffensive den Standort Bocholt auf kommende Wirtschaftsstrukturveränderungen vorzubereiten. Hier müssen wir künftig den Schwerpunkt unserer Investitionstätigkeit setzen.

2. Strukturen in Politik und Verwaltung anpassen Ohne eine Anpassung von Entscheidungsstrukturen auch bei uns selbst werden wir nicht effizient auf neue Entwicklungen reagieren können. Vor allem aber ist es wichtig im Kontakt mit Bürger, Gruppen und Unternehmen schnell zu verbindlichen Entscheidungen zu kommen, damit nicht der Eindruck entstehen kann, andere Städte könnten das besser. Deshalb habe ich in diesem Jahr ja bereits begonnen, die Organisationsstruktur des Hauses zu straffen und unnötige Schnittstellen zu beseitigen. Die Produktbildung als Grundlage für einen Produkthaushalt mit echten Budgets ab 2002 ist weit vorangeschritten. Im kommenden Jahr bereits muss das Beratungsverfahren zum Haushalt so verändert werden, dass in entsprechenden Fachgremien frühzeitig die Budgets vorbereitet werden können. 3. Eine weitere Straffung der Ausschussstrukturen liegt hier in unserem gemeinsamen Interesse um Beratungs- und Verantwortungsstränge bis zur Fachbereichsleiterebene klar erkennbar werden zu lassen. 4. Das alles darf natürlich kein Selbstzweck sein. Das Ziel, dezentrale Ressourcenverantwortung, Stärkung der Globalsteuerung durch Rat und Ausschüsse und effizienter Einsatz von Steuergeldern muss dabei immer im Vordergrund stehen. Die Beachtung dieser Kriterien wird immer wieder zu Korrekturen führen. Die Linie aber stimmt und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ziehen dabei gut mit. 5. IV. Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik 1. Meine Damen und Herren, 2. ich habe es bisher bewusst vermieden, Sie mit allzu viel Zahlen zu traktieren. Das wird auch gleich Herr Groot übernehmen. 3. Vier Zahlen will ich Ihnen aber ins Gedächtnis rufen: Um 14 Million steigt die Nettoverschuldung im unrentierlichen Bereich. 4. Der Schuldenberg erreicht dann 186 Mio. DM. Wir zahlen dafür dann fast 14 Mio. DM Zinsen, das sind fast 40.000 DM pro Tag ! 5. Auch wenn kaum Zweifel daran bestehen, dass diese Schulden weitestgehend für notwendige Investitonsmaßnahmen angehäuft worden sind, so ist doch klar, dass wir eine andere Richtung einschlagen müssen. Auch wenn Herr Groot gleich einen durchaus erfreulichen Ausblick geben wird auf die Entwicklung der s.g. "freien Spitze", so bleibt prinzipiell immer ein erheblicher Teil über Kredite zu finanzieren.

Wir alle führen gern das Wort "nachhaltig" im Mund. Wir reden von den nachfolgenden Generationen, die auch onch etwas zu gestalten haben müssten. Gut, dass Sie, meine Damen und Herren, am 25.10. diesen Jahres den Beschluss gefasst haben, das Steuer herum zu werfen. So kann nach 2003 die Verschuldung wieder sinken. Es stellt sich aber die Frage, ob das reicht, denn die Schritte der Entschuldung sind allenfalls Trippelschrittchen, so dass die Zinsbelastung kaum absinken wird. Wir müssen nach meiner Überzeugung auch im Verwaltungshaushalt Konsolidierungsbeiträge erwirtschaften, um die "freie Spitze" zu vergrößern. Allein 62,1 Mio. DM geben wir für Personalkosten aus. Natürlich haben unsere Leute das Geld verdient, aber im rahmen einer intensiven Aufgabenkritik müssen wir in den nächsten Jahren erreichen, dass Rationalisierungsreserven beim Personal aufgrund der natürlichen Fluktuation auch ausgenutzt werden. Wenn es hier auch nur gelingt, die Gesamtkosten über die nächsten Jahre einzufrieren, wäre das schon ein riesiger Erfolg.

Im Sachkostenbereich wird im Rahmen des Gebäudemanagements an einer zentralen Stelle eine Einsparung von etwa 10 % am Ende angestrebt, wenn alle Maßnahmen zur Effizienz-steigerung ausgeschöpft sind. Im Rahmen einer Aufgabenkritik ist es natürlich auch nicht verboten, darüber nachzudenken, inwieweit bisher städtische Aufgaben privatisiert werden können. Bei einigen Einrichtungen wie ESB und Musikschule hat es diese Prüfung ja bereits gegeben. Und die Ergebnisse haben zu der Entscheidung geführt, dass das Wohl der Allgemeinheit es erfordert, diese Einrichtungen bei der Stadt belassen. In der heutigen Tagesordnung wird ja auch noch ein Prüfungsantrag der CDU-Fraktion beraten. Da es hierzu ja bereits einige öffentlich Begleitmusik gegeben hat, lege ich Wert darauf, auch im Blick auf unseren Haushaltsplan meine und die Sicht der Verwaltung hierzu deutlich zu machen. Sollte dieser Prüfungsauftrag heute beschlossen werden, werden wir sorgfältig und zügig im Rahmen unserer Möglichkeiten die Prüfung durchführen.

Hinsichtlich der Stadtsparkasse wird dies eine Betrachtung aufgrund des Jahresabschlusses und vor dem Hintergrund der europarechtlichen Situation sein. Dabei - dies sage ich schon jetzt, um eine Geisterdiskussion zu beenden, bevor sie möglicherweise entsteht - kann es nicht um eine Privatisierung gehen, da die Rechtslage derzeit eine Privatisierung von Sparkassen ausschließt. Auch eine Fusion ist völlig ausgeschlossen, da die Stadtsparkasse bei allen Kennzahlen sowohl bezogen auf vergleichbare Sparkassen als auch im gesamten Verbandsgebiet überdurchschnittlich gut abschneidet.

Auch die Prüfung hinsichtlich der Stadtwerke werden wir zügig abschließen können, da notwendiges Datenmaterial zur Verfügung steht. Auch hier ist ja bekannt, dass es den Stadtwerken gelungen ist, vom Wettbewerb zu profitieren, so dass im Rahmen einer Prüfung in erster Linie festzustellen sein wird, wie unsere Stadtwerke ihre Position künftig nutzen können, um ihre Eigenständigkeit weiter zu festigen.

Die Prüfung der BWG wird voraussichtlich 3-6 Monate in Anspruch nehmen, da zur Beurteilung des Unternehmens noch umfangreiche Daten erhoben werden müssen. Offensichtlich erfreut sich aber die BWG höchster Attraktivität, denn sonst würde von einer andere n Wohnungsgesellschaft wohl kaum so lebhaftes Interesse gezeigt, wie dies sogar über die Presse deutlich wurde.

Meine Damen und Herren, in einem Schreiben an alle Mieter der BWG habe ich versucht, ihnen unberechtigte Ängste zu nehmen. Es hat Leute gegeben, die Mieter eingeschüchtert haben und den Eindruck erweckten, ihnen würde das Dach über den Kopf gekündigt oder die Mieten stark erhöht. Jeder hier weiss, dass solche Behauptungen unseriös und unhaltbar sind. Wem sollen sie nützen ? wem sollen sie schaden ? Fest steht, dass am meisten den verängstigten Mietern selbst geschadet wird, weil Angst die Seele belastet. Manche fangen schon wieder an, in meinem Schreiben zwischen den Zeilen zu lesen um daraus Legenden zu spinnen. Wie dem auch sei: Ich hoffe, dass unabhängig von der Einstellung zur Sache selbst unberechtigte Angst abgebaut werden konnte.

Mein Appell an Sie ist, das Ergebnis des Prüfungauftrages intensiv und sachorientiert zu diskutieren. Nach meiner Überzeugung geht das am besten, wenn in diesem Prozeß völlige Offenheit und Transparenz herrscht. Wenn dann am Ende alle zu Kompromissen bereit wären, die möglicherweise zur Haushaltskonsolidierung beitragen, könnten wir uns das alle auf die Fahnen schreiben. Dann gäbe es nur Gewinner: Politiker, Bürger und Mieter !


Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgendes Medium anbieten:

Haushaltsrede Bürgermeister Ehling HH 2001
Mit dieser Rede brachte Bürgermeister Klaus Ehling gemeinsam mit Kämmerer Karsten Groot am 13.12.2000 den Haushalt für das Jahr 2001 ein.