Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 30. Oktober 2001

Überblick über aktuelle Prinzipien der Psychiatrie und Psychotherapie

Dr. med. Plenge hielt vor 40 Betreuerinnen und Betreuern Fachvortrag

Bocholt (pd).

40 ehrenamtliche Betreuer und Betreuerinnen waren der Einladung der Betreuungsvereine der Arbeiterwohlfahrt (AWO) und des Sozialdienstes kath. Frauen (SKF) sowie der Betreuungsbehörde beim Fachbereich Soziales der Stadtverwaltung Bocholt zu einer Schulungsveranstaltung in den Ratssaal des Rathauses am Berliner Platz gefolgt. Im Rahmen einer dreiteiligen Seminarreihe "Gesundheit, Recht und Vermögen" referierte Dr. med. Thomas Plenge, Chefarzt des St. Vinzenz–Fachkrankenhauses für Psychiatrie in Rhede, zum Thema "Wege und Möglichkeiten moderner Psychiatrie und Psychotherapie."

Der Referent gab zunächst einen Überblick über die geschichtliche Entwicklung vom Altertum, dem Mittelalter, dem Absolutismus, der Aufklärung und dann der Trennung der Psychiatrie in eine Hochschul– und Anstaltspsychiatrie. Hierzu führte Dr. Plenge aus, dass bis zum Jahre 1975 sehr viele große psychiatrische Krankenhäuser auf der "grünen Wiese" weit weg von den Menschen gebaut worden wären. Beabsichtigt war zwar wohl auch die Ruhe und Erholung der Patienten, mit Sicherheit diente diese Unterbringung aber auch der Ausgrenzung und Stigmatisierung von psychisch kranken Menschen. Die erkrankten Menschen und ihre Angehörigen mussten weite Wege gehen, bevor ein Krankenhausaufenthalt möglich war. Auf der Grundlage dieser Situation hat dann von 1975 bis heute ein völliges Umdenken begonnen. Große Einheiten wurden aufgelöst bzw. zugunsten kleinerer Psychiatrieabteilungen verkleinert. Wörtlich sagte der Referent: "Die nächste Psychiatrie ist die beste Psychiatrie."

Ein Schwerpunkt des Vortrages war der Überblick über die Versorgungsstrukturen. Neben der ortsnahen psychiatrischen Behandlung in einem Fachkrankenhaus sei es wichtig, so der Referent, dass komplementäre Strukturen (dezentral und integrativ) vorhanden wären. Wichtige Einrichtungen in diesem Sinne wären zum Beispiel Institutsambulanzen, Tageskliniken, Tages- und Werkstätten, Arbeitstrainingsmöglichkeiten, aber auch der Bereich des betreuten und intensiv betreuten Wohnens. Im Kreis Borken gebe es eine gute Zusammenarbeit des St. Vinzenz–Hospitales mit verschiedenen Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände mit dem Ziel der ständigen Verbesserung der Situation psychisch kranker Menschen in der Region Bocholt–Rhede–Borken. Vieles sei schon geschafft, so der Referent, aber es gebe auch noch sehr viel zu tun.

Den ehrenamtlichen Betreuern und Betreuerinnen, von denen viele einen psychisch kranken Familienangehörigen rechtlich wie aber auch persönlich betreuen, gab Dr. Plenge dann einen Überblick über aktuelle Prinzipien der Psychiatrie und Psychotherapie. So stellte er zunächst den medizinischen Laien im Betreueramt in verständnisvoller Art und Weise das Konzept der mehrdimensionalen, integrativen, psychodynamischen und gemeindenahen Vollversorgung der Patienten vor. Deutlich hob er dabei hervor, dass das Krankenhaus dabei ein Schutzraum im interpersonellen Bereich darstellt. Als Unterpunkte gab Dr. Plenge Erläuterungen zu Störungen in diesem Bereich und nannte beispielhaft die Affektpsychosen, die Schizophrenie, die Neurosen und auch die Borderline-Störung. Erläuterungen zum Krankheitsverständnis und zur Entwicklung eines autonomieorientierten Menschenbildes wurden vom Referenten ebenfalls gegeben. Denkweise der modernen Psychiatrie ist auch der Bereich der Aktivierung der Selbsthilfekräfte des erkrankten Menschen. Erläuterungen zum Heterogenitätsprinzip (z.B. Verzicht auf Spezialstationen), psychopathologische Symptome (Leistung des Unbewussten), Subjektorientierung (Individuum steht im Vordergrund und nicht die Krankheit), Ressourcenorientierung (z.B. Wiedererwerb von Fähigkeiten) und die Realitätsorientierung rundeten den überaus gelungenen und lehrreichen Vortrag des Referenten ab.

Im Anschluss an den Vortrag erfolgte eine rege Diskussion in Bezug auf die tägliche Wirklichkeit des Betreuers mit seinem zu betreuenden psychisch kranken Menschen. Viel Beifall zum Schluss der Veranstaltung zeigten Dr. Plenge, dass er mit seinem überzeugenden und lehrreichen Vortragsstil die Erwartungen der Seminarteilnehmer mehr als erfüllt hatte. Für die Arbeitsgemeinschaft im Betreuungswesen im Bereich der Stadt Bocholt übergab der Leiter der Betreuungsbehörde, Bernhard Kerkhoff, dem Referenten für seine Bemühungen ein Gastgeschenk und dankte im Namen aller Seminarteilnehmer.

Fortgesetzt wird die Reihe am Montag, den 05. November 2001. Dann wird Vormundschaftsrichter Rudolf Bone vom Vormundschaftsgericht des Amtsgerichtes Bocholt um 10.00 Uhr im Ratssaal des Rathauses am Berliner Platz zum Thema "Betreuertätigkeit bei erforderlichen Operationen und Unterbringungen" referieren. Schwerpunkt seines Vortrages wird der § 1904 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Heilbehandlung – sein.


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Dr. Plenge referierte über Wege moderner Psychiatrie und Psychotherapie.

Viele Betreuerinnen und Betreuer machten sich kundig.