Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 18. Mai 2000

"Spielen für die Persönlichkeitsentwicklung"

Pflege- und Adoptivelternseminar in Gerleve

Bocholt (pd).

In Gerleve fand jetzt erneut ein 4-tägiges Seminar für Pflege- und Adoptiveltern statt, durchgeführt vom Sozialdienst kath. Frauen e. V. Bocholt und dem Jugendamt der Stadt Bocholt.

Seminarthema war: "Die besondere Situation der Pflege- und Adoptiveltern/Pflege- und Adoptivkinder" mit dem Schwerpunkt Biografiearbeit und Bedeutung des Spiels für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes.

Als Referenten waren Rainer Bojarzin, Dipl.-Sozialpädagoge und Familientherapeut, sowie Monika Mangen, Erzieherin und Sozialpädagogin eingeladen.

Es nahmen 12 Familien an dem Seminar teil, 10 Familien aus Bocholt, 2 aus den Städten Raesfeld und Rhede. 2 Familien waren erstmalig Teilnehmer eines Pflege- und Adoptivelternseminars.

Insgesamt waren 17 Kinder im Alter von 1 - 16 Jahren dabei, und zwar waren es 5 Pflegekinder, 11 Adoptivkinder und 1 leibliches Kind. Die Kinder wurden während der Seminararbeit der Eltern von 6 Erziehern betreut.

Die Seminararbeit der Eltern begann am Dienstagnachmittag. Nach einer Einführung in die Thematik des Seminars wurden 5 Kleingruppen gebildet, 2 Ehepaare bildeten jeweils eine Gruppe, eine Gruppe bestand aus 4 verschiedenen Elternteilen.

Nach einem persönlichen Austausch der Eltern über die jeweilige Familiensituation erfolgte der Einstieg in das Seminarthema. Für die Gruppenarbeit gab es die Vorgabe:

Wir alle sind eingebunden wie Organe in einem Körper - in den Organismus Familie.

Die Ahnen und unsere Familienbedingungen beeinflussen unser Leben im Guten wie im Schlechten. Das Familiensystem wird gebildet von unseren Angehörigen und Vorfahren und wirkt als inneres Bild, oft unbewusst auf unser Fühlen, Wollen, Denken und Handeln. Das Erkennen dieses inneren Bildes ist manchmal nötig, um Verstrickungen, Spannungen in dem Gefüge zu verstehen und zu lösen.

Während des Nachmittags beschäftigten sich die Eltern in den Kleingruppen mit der eigenen Biografie, mit Blick auf die Großeltern-, Eltern-, Paar und Kindebene. Es war die Vorbereitung auf das Thema des folgenden Seminartages mit dem Referenten Rainer Bojarzin.

Am folgenden Tag stellte der Referent den Eltern ein Genogramm vor, erläuterte die Symbole. Anschließend beschäftigten sich die Eltern in Kleingruppen, die in gleicher Konstellation wie am Vortage waren, mit der Darstellung der eigenen Familie mittels eines Genogramms. Dann erfolgte die Vorstellung des Erarbeiteten im Plenum. Während die meisten Eltern pragmatisch an die ihren gestellte Aufgabe herangegangen waren, wurden in der Diskussion darüber für die Eltern erstaunliche Inhalte deutlich, die die Eltern nachdenklich werden ließen, wie z. B. parallele Entwicklungen innerhalb verschiedener Generationen, Wiederholung von gewissen Ereignissen.

Die Beschäftigung in dieser Form mit der eigenen Biografie sollte die Eltern neugierig machen, mehr über sich und ihre Vorfahren zu erfahren, Wiederholungen von Lebensereignissen und bestimmten Verhalten, zu erkennen und über diese Erkenntnis angeregt, aus der Vergangenheit zu lernen.

Nach den Erkenntnissen aus der Biografiearbeit am Vormittag beschäftigten sich die Eltern am Nachmittag mit der Biografie ihrer Kinder. Die Eltern gingen erneut in Kleingruppen, um sich mit dem Thema zu beschäftigen:

Welche Befürchtungen habe ich, über die Biografie der Kinder mit den jeweiligen Adoptiv- und Pflegekindern zu sprechen und welche Erwartung und Hoffnung verbinde ich damit?

Im Anschluss daran trafen sich die Eltern erneut im Plenum, berichteten über ihre Gruppenergebnisse. Befürchtungen der Eltern waren u.a.: Loyalitätskonflikte, psychische Belastung von Eltern und Kindern, daraus resultierend negatives Selbstwertgefühl, Schuldgefühle.

Hoffnungen waren z. B. Bestätigung der festen, beständigen Beziehung, klare Verhältnisse und Strukturen, Selbstbewusstsein, Abgrenzung von Herkunftsfamilie und Pflege- und Adoptivfamilie (vorher und nachher).

An die Auswertung schloss sich ein Kurzreferat zur Identitätsentwicklung an.

Anschließend folgten Ausführungen zur Kommunikation mit Kindern, das Thema Herkunftsfamilie betreffend. In einem 10-Punkte-Programm wurden den Eltern praktische Umsetzungsmöglichkeiten vorgestellt.

Darüber hinaus erhielten die Eltern Anregungen zur Gestaltung eines Lebensbuches für ihr Adoptiv- bzw. Pflegekind mit den Elementen: Woher komme ich?; meine Geburtsurkunde; mein Stammbuch; meine eigene Landkarte; meine Lebensgrafik; Besuch der Vergangenheit; Fotografien von mir.

Zum Schluss dieses Seminartages mit dem Referenten Bojarzin beschäftigten sich die Eltern mit dem Schema "Rad der ganzheitlichen Persönlichkeit". Eigene Potentiale, unterschieden in psychische-, soziale-, emotionale-, willens-, spirituelle- und geistige-Potentiale bewerteten die Eltern auf ihre eigene Person hin. Daraufhin folgte die Anregung, nachdem die Eltern den Blick auf die eigenen Ressourcen gerichtet hatten, auch die Potentiale ihrer Kinder zu überdenken. Diese Anregung konnte aus Zeitgründen nicht mehr innerhalb des Seminars umgesetzt werden.

Der Donnerstagvormittag wurde von der Referentin Monika Mangen gestaltet, und zwar zum Thema "Die Bedeutung des Spiels für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes". Welche Bedingungen brauchen Kinder, um erwachsen zu werden und nicht zu "verwachsen"? Monika Mangen stellte anhand von Materialien den Wert von Spielsachen für Kinder dar und beschrieb aus der Sicht des Kindes den Umgang mit diesen Materialien. Sie führte aus, dass Kinder ihre eigenen Akteure sind, die lernen, über anfassen zu erfassen und über greifen zu begreifen. Kinder sind nicht produktorientiert, sie wollen sich anstrengen. Für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist es notwendig, dass Kinder sich anstrengen und Misserfolge aushalten lernen. Weiter stellte die Referentin anschaulich dar, dass das Spiel für Kinder u. a. ein heilendes Mittel ist. Kinder spielen, um mit Problemen und dem Leben fertig zu werden. Sie verarbeiten durch das Spiel ihre Lebensfragen, beschäftigen sich mit Gut und Böse, versuchen, im Spiel ihr Leben auszuprobieren.

Zum Thema "Spiel und Grenzen" führte die Referentin aus, wie wichtig es sei, dass das Kind durch die Begrenzung von Spielmaterialien auf Grenzen stößt und dadurch lernt, mit Grenzen umzugehen.

Im weiteren Verlauf gab die Referentin Anregung zu Spielmaterialien für Kinder mit Wahrnehmungsstörungen, sowie zur Förderung der Psychomotorik. Sie führte aus, dass körperliche Bewegung die Voraussetzung ist für die geistige Beweglichkeit.

Der Vortrag der Referentin war lebendig, ansprechend und lebensnah. Frau Mangen gab den Eltern viele Denkanstöße, um neue Wege mit den Kindern auf spielerischer Ebene zu gehen. Nachhaltig beeindruckt waren die Eltern, das Spiel der Kinder und seine Bedeutung aus der Sicht der Kinder nahegebracht zu bekommen.

Der Donnerstagnachmittag stand unter dem Thema: "Wir spielen mit unseren Kindern". Eltern und Kinder nahmen begeistert am Stationsspiel im Freien teil. Es wurden Gruppen von Eltern und Kindern gebildet, die gemeinsam Aufgaben zu lösen hatten.

Am Freitagmorgen fand die Seminarauswertung statt. Mit der Durchführung, dem Inhalt und dem Ablauf des Seminars zeigten sich die Eltern zufrieden. Sie wünschten sich in nachfolgenden Seminaren u. a. die Vertiefung und Weiterführung der jetzt behandelten Thematik.

Wiederum sehr positiv bewerteten die Eltern den Erfahrungsaustausch untereinander sowohl während der Seminararbeit als auch abends in gemütlicher Runde.

Den Ausklang des Seminars bildeten am Freitagnachmittag Darbietungen der Kinder für ihre Eltern.

Ansprechpartner für Pflege- und Adoptiveltern sind Doris Kleining-Brands (Tel.: 953-161) vom städtischen Jugendamt sowie Margret Robers (Tel.: 25 18 2 12) vom Sozialdienst Katholischer Frauen.


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Pflege- und Adoptivelternseminar in Gerleve
Auch in diesem Jahr fand jetzt das Pflege- und Adoptivelternseminar der Stadt Bocholt und des SKF in Gerleve statt, an dem 12 Familien teilnahmen.