Bocholt, 16. Juni 2000
"Was wir heute tun, entscheidet, wie die Welt von morgen aussehen wird"
Bürgermeister Klaus Ehling und Anicetas Lupeika unterzeichnen Freundschaftsvertrag - Ehling und Cirpus erhalten Ehrenbürgerwürde verliehen
Bocholt (pd).
Rappelvoll war der Ratssaal des Historischen Rathauses heute nachmittag, als Bocholts Bürgermeister Klaus Ehling und Anicetas Lupeika, Bürgermeister der litauischen Stadt Naujojie Akmene den Freundschaftsvertrag zwischen beiden Städten unterzeichneten. ""Was wir heute tun, entscheidet, wie die Welt von morgen aussehen wird", unter dieses Zitat stellte Bürgermeister Klaus Ehling seine Rede, in der er vor allem auf die Geschcihte der Beziehungen zwischen beiden Städten einging und den Freundschaftsvertrag als "Ausdruck der Freude über die bisherigen bürgerschaftlichen Verbindungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit dem Ziel, bei einer weiteren guten Entwicklung ein Partnerschaftsverhältnis zu begründen," ansah. Der Freundschaftsvertrag solle darüber hinaus dazu dienen, die Integration Litauens in die europäische Völkergemeinschaft zu fördern.
In seiner Antwort auf Ehlings Rede bedankte sich Anicetas Lupeika bei Bürgermeister Klaus Ehling und bei dem Bocholter Bürger und gebürtigem Litauer Stasis Cirpus, dessen nicht ermüdenden Einsatz bei der Organisation der Hilfe für Krankenhäuser, für Schulen, für die Alten, für Kinderheime und für bedürftige Menschen seines Bezirks er besonders hervorhob. Beiden, Ehling und Cirpus, verlieh er die Ehrenbürgerwürde der Stadt Naujojie Akmene. "Ich denke, dass diese tiefe und sinnvolle Freundschaft mit Bocholt und die von uns allen befürworteten und zu verteidigenden Prinzipien der Menschlichkeit werden uns bestimmt bei der Bewältigung der aktuellen Probleme unserer Bürger auf dem Wege zur Güte, Schönheit und Glück helfen", schloss Anicetas Lupeika seine Rede.
Der stellvertretende Botschater Litauens in Deutschland, Dr. Nerijus Zukas, Landrat Gerd Wiesmann, Tineke Udo stv. Bürgermeisterin der Gemeinde Aalten trat kurzfristig für Henk van der Woude aus Dinxperlo ein und sagte: "Freunde unserer Freunde sind auch unsere Freunde", für die niederländischen Nachbargemeinden, Rossendales Bürgermeister David Hancock, Jos Michels, Bürgermeister von Belgisch Bocholt und Jacques Caldefie, stv. Bürgermeister der Partnerstadt Aurillac-Arpajon beglückwünschten beide Städte zu dem unterzeichneten Freundschaftsvertrag in kurzen Grußworten. Anschließend trugen sich die Ehrengäste in das Goldene Buch der Stadt ein. Das Akkordeonensemble der Musikschule Bocholt-Isselburg-Rhede in der Besetzung Ruth Demming, Anja Engenhorst, Bernd Forge, Matthias Plaßmann, Simon Telahr unter der Leitung von Bernd Jonas sowie das Streichquartett der Musikschule in der Besetzung Tina van Bebber, Julia Breßer, Kathrin Huber, Katrin Heidenreich unter der Leitung von Ludger Latos bildeten einen festlichen Rahmen zur Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages.
Rede von Bürgermeister Klaus Ehling anlässlich der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages mit Akmene am 16.6.2000, 17 Uhr, im großen Saal des Historischen Rathauses. Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Freunde, meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich, Sie heute im Historischen Rathaus begrüßen zu dürfen und darf besonders unseren Gästen und Freunden aus unseren Partnerstädten im Namen von Rat und Verwaltung der Stadt Bocholt ein herzliches "Willkommen" zurufen. Begrüßen möchte ich auch die Vertreterinnen und Vertreter des Kreises, des Landes, des Bundes und des Europäischen Parlamentes sowie aus unseren Nachbarstädten. Ein herzlicher Gruß gilt unseren weitgereisten Freunden aus Naujoji Akmene unter Leitung von Herrn Bürgermeister Anicetas Lupeika sowie dem stellvertretenden Botschafter der Republik Litauen, Herrn Dr. Nerijus Zukas. Gleichzeitig darf ich alle Anwesenden begrüßen, die – jeder auf sein Art – einen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir heute den Freundschaftsvertrag unterzeichnen dürfen.
"Was wir heute tun, entscheidet, wie die Welt von morgen aussehen wird"
- so sagte einst der russische Schriftsteller Boris Pasternak.
Und so werden wir heute den Freundschaftsvertrag als Stadt Bocholt mit Naujoji Akmene gemeinsam unterzeichnen. Durch unsere Unterschriften entscheiden wir – um bei Pasternak zu bleiben - darüber, wie unsere Beziehungen in der Welt von morgen aussehen werden, ich denke,
freundschaftlich.
Dieser Freundschaftsvertrag ist Ausdruck der Freude über die bisherigen bürgerschaftlichen Verbindungen zwischen den Bürgerinnen und Bürgern mit dem Ziel, bei einer weiteren guten Entwicklung ein Partnerschaftsverhältnis zu begründen. Der Freundschaftsvertrag soll darüber hinaus dazu dienen, die Integration Litauens in die europäische Völkergemeinschaft zu fördern.
Genauso wie nach dem zweiten Weltkrieg die Beziehungen zu den benachbarten westlichen Staaten durch Städtepartnerschaften verbessert wurden - genauso wichtig ist es heute, die Beziehungen mit unseren östlichen Nachbarn zu knüpfen und zu pflegen.
Am Beginn des 21. Jahrhunderts hat es für unsere beiden Städte eine besondere Bedeutung, den heutigen Freundschaftsvertrag zu unterzeichnen. Die Menschen im neuen Jahrtausend sind bereit, sich mit den heutigen Kommunikationsmitteln zu begegnen und zu besuchen. Das neue Jahrtausend bietet für uns alle eine Chance, die Welt – gerade zwischen Ost und West - ein Stück besser zu machen und zu verändern.
Ich erlaube mir hier einen Blick in die - fast hätte ich gesagt: Geschichte dieser Freundschaft: Nach der Wiedererlangung der Eigenstaatlichkeit Litauens entwickelten sich aufgrund der großen Aktivitäten des hiesigen DRK-Kreisverbandes enge Verbindungen zum Bezirk Akmene in Litauen. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, liegt der Bezirk Akmene im nördlichen Teil Litauens, dicht an der Grenze zu Lettland. Diese Rote-Kreuz-Initiative wurde besonders vom früheren Stadtdirektor Hans-Josef Dahlen unterstützt, der zugleich auch als Vorsitzender des DRK diese Beziehungen gefördert hat.
Im Jahr 1993 besuchte zum ersten Mal eine Gruppe aus Naujoji Akmene die Stadt Bocholt. Erste zaghafte Versuche zum Aufbau von Brieffreundschaften erfolgten. Der Gegenbesuch war im Mai des folgenden Jahres. Aus den verschiedensten Gesprächen entwickelte sich der Wunsch, die Beziehungen mit Akmene weiter auszubauen.
Im Oktober 1994 besuchte deshalb eine Delegation aus dem Kreis Akmene in Litauen unter Führung des Kreisverwalters Stasys Pocevicius die Stadt und den Raum Bocholt. In Begleitung des Kreisverwalters kamen eine Folkloregruppe und eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern der dritten Mittelschule nach Bocholt. Während des Besuches fand eine Kunstausstellung des litauischen Malers Jonas Ogintas in der Galerie im Rathaus Bocholt im Rahmen der deutsch-baltischen Begegnungsreihe des Kulturamtes statt.
"Es ist ein gemeinsames Anliegen aller an den bisherigen Kontakten beteiligten Personen und Stellen, in wechselseitigen Interessen die bestehenden Beziehungen zu vertiefen und neue Beziehungen zu vermitteln", so lautet eine der wichtigsten Sätze in der "Bocholter Erklärung zur Förderung und zur Vertiefung der freundschaftlichen Beziehungen sowie zum Aufbau neuer Kontakte zwischen dem Kreis Akmene (Litauen) und der Region Bocholt (Bundesrepublik Deutschland).
Die Erklärung endet mit dem Satz: "Die an den bisherigen Kontakten beteiligten Personen und Einrichtungen unterstützen durch die Unterzeichnung dieser Erklärung ihren Inhalt und bekräftigen ihren Entschluss, auch weiterhin gemeinsam zu arbeiten, und verbinden damit zugleich die Anregung an Organisationen, gesellschaftliche Gruppen sowie die Bürgerinnen und Bürger beider Seiten, an der Schaffung der Grundlagen mitzuwirken, die erforderlich sind, durch die Verstetigung freundschaftlicher Beziehungen eine dauerhafte Partnerschaft entstehen zu lassen." Aus diesem einfachen Satz sind 6 Jahre später eine Vielzahl von Kontakten entstanden:
So darf ich hier einige Höhepunkte in den zahlreichen Begegnungen zwischen Naujoji Akmene und der Stadt Bocholt erwähnen: Im Jahr 1995 besuchte die Euro-Big Band des Euregio-Gymnasiums Naujoji Akmene und gab dort ein sehr erfolgreiches Konzert.
Im Mai 1996 veranstaltete das Jugend- und Sportamt der Stadt Bocholt am Bocholter Aa-See ein Open-Air-Konzert unter dem Motto "Bocholt Rock goes East", an dem auch eine litauische Band teilnahm.
Ein besonderer Höhepunkt im Jahr 1996 war sicherlich der Transport von 4.200 Büchern zum Aufbau einer deutschen Bibliothek in Naujoji Akmene. Neben den Büchern wurde auch Mobiliar und Zubehör - deklariert als humanitärer Hilfstransport - nach Litauen transportiert. Ein besonders bewegender Kommentar eines Bürgers aus Naujoji Akmene zu dieser Hilfsmaßnahme beeindruckt mich auch heute noch: "Endlich werden wir als Menschen betrachtet und nicht als reine Hilfsempfänger!" Diese Bibliothek, die vom hiesigen THW von Bocholt nach Naujoji Akmene transportiert wurde, hat heute eine weit über Bezirksgrenzen hinausgehende Bedeutung. Im Juli wurde die Bibliothek feierlich eingeweiht und gleichzeitig wurden die Kontakte zwischen der dritten Mittelschule und dem Euregio-Gymnasium im Bereich der Schulpartnerschaft vertieft. Heute hat nicht nur die dritte Mittelschule, sondern auch die zweite Mittelschule Naujoji Akmenes Kontakt mit der hiesigen Hohe-Giethorst-Schule, die gemeinsam mit anderen europäischen Städten ein europäisches Projekt durchführt.
Nicht verhehlen möchte ich an dieser Stelle, dass die Besuche in Litauen nicht ohne Schwierigkeiten im sprachlichen Bereich ablaufen: Wir sprechen kein Litauisch, sodass eine Kommunikation in der Regel zur Zeit nur in Deutsch vonstatten geht.
Es war deshalb sicherlich notwendig, da wir keine gemeinsame Sprache sprechen, uns auf die zwei internationalen Sprachen: Musik und Sport als wichtiges Verständigungsmittel zu berufen.
So entstanden die Kontakte zwischen der Musikschule in Naujoji Akmene und der Musikschule Bocholt-Isselburg-Rhede. Im Jahr 1998 fuhr das Streichquartett, das Sie gleich auch hören werden, zu einem Besuch nach Litauen. Begleitet wurden die Streicher von der heutigen Ersten Stellvertretenden Bürgermeisterin Christel Feldhaar. Im Oktober 1998 erfolgte der Gegenbesuch.
Diese Besuche waren Grundstein für ein - ich nenne es mal: unvorstellbares – Projekt im Bereich der internationalen Austausch in Bocholt: Die Reise des Jugendsinfonie-Orchesters der hiesigen Musikschule mit rund 70 Personen im Sommer 1999 nach Naujoji Akmene. Diese Reise ist auch heute noch bei den jungen Menschen im Gespräch, nicht zuletzt dadurch, dass zwei äußerst erfolgreiche Konzerte in Litauen gegeben wurden, die mit großer Begeisterung insbesondere von den Bürgerinnen und Bürgern Naujojis Akmene aufgenommen wurden. Die Fortsetzung dieser Beziehungen erfolgte im Frühjahr 2000 durch den Besuch des Akkordeon-Ensemblesder Musikschule, das Sie gerade gehört haben, in Naujoji Akmene
Im Bereich des Sports knüpfte der TuB Mussum Kontakte mit einer Sportmannschaft in Naujoji Akmene und führte mehrere erfolgreiche Austausche durch.
Ich freue mich, dass die Beziehungen zwischen der Stadt Bocholt und Naujoji Akmene heute auf drei Säulen beruhen; der Säule "Kultur - Musik – Schule", der Säule "Sport" und der Säule "Deutsches Rotes Kreuz". Man sagt, dass das, was auf drei Beinen steht, niemals wackelt. Es kann sicherlich vielleicht ein Mal in eine kleine Schieflage kommen; aber es bleibt stehen.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, allen, die am Aufbau und Pflege der Beziehungen zwischen der Stadt Bocholt und Naujoji Akmene beteiligt waren, sehr herzlich im Namen der Stadt Bocholt zu danken. Besonderer Dank gilt hier Frau Irina Mikulevic und Herrn Johannes Hüls, die als ständige Ansprechpartner für beide Seiten da sind und die austausche zwischen unseren beiden Städten stets begleiten. Sie alle haben im Sinne Boris Pasternaks etwas getan, was die Welt von morgen anders aussehen lässt.
Die vielen Begegnungen verhehlen jedoch eins nicht - und hier darf ich als Familienvater dazu etwas ausführen -, dass sich viele der Kontakte inzwischen verselbständigen, dass die Ansprechpartner sich einander kennen und ihre Austausche allein organisieren. Es ist wie mit sehr kleinen Kindern und ich habe selbst zwei kleine Kinder; man weiß von ihnen alles, sie haben zunächst keinen eigenen Lebensbereich. Doch spätestens wenn sie im Kindergarten sind, kennt man manche Dinge, von denen sie sprechen, nicht mehr. Sie entwickeln sich weiter. Wo man am Anfang alles voneinander weiß, merkt man, dass im Laufe der Zeit eine eigene Entwicklung und ein eigenes Leben beginnen.
Dieses halte ich für sehr wichtig und deshalb wünsche ich den Beziehungen zwischen der Stadt Bocholt und Naujoji Akmene, dass sie sich zu einem eigenen gemeinsamen Leben und zu einer eigenständigen Entwicklung entwickeln werden. Daraus kann – wenn sich die bürgerschaftlichen Entwicklungen gestärkt und gefestigt haben – durchaus einmal eine ständige Partnerschaft entwickeln.
Ich darf nun das Wort an Herrn Bürgermeister Lupeika übergeben.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Zu dieser Meldung können wir Ihnen folgende Medien anbieten:
Anicetas Lupeika
Klaus Ehling beim Festakt am 16. Juni 2000
Anicetas Lupeika, der Bürgermeister der Stadt Naujoji Akmene bei der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages mit der Stadt Bochotl am 16.6.2000 im Historischen Rathaus der Stadt Bocholt
Bürgermeister Klaus Ehling begrüßte anlässlich der Unterzeichnung des Freundschaftsvertrages mit der Stadt Naujoji Akmene im Ratssaal des Historischen Rathauses über 280 Gäste.