Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 23. März 2007

Zwangsprostitution in Deutschland

Podiumsdiskussion im Rahmen des Frauentages

Bocholt (pd).

Nach Schätzungen der UN sind in Europa 500.000 Menschen, in der Hauptsache Frauen und Kinder, Opfer des Menschenhandels, davon 30.000 in Deutschland. Die kfd hatte am gestrigen Donnerstag zu einer Podiumsdiskussion über Menschenhandel und Zwangsprostitution eingeladen.

Beteiligte waren Schwester Leonie Beving von der Betreuungsstelle Solwodi, Angelika Lizala, Gleichstellungsbeauftragte aus Rhede, Maria Arlinghaus vom Frauenhaus Bocholt, Irmgard Iding von der Kreispolizeibehörde Borken, die Kommunalpolitikerin Elisabeth Löckener, Karin Hartmann von der Agentur für Arbeit und Katja Wildschütz von der Staatsanwaltschaft Bocholt.

Zahlreiche Interessierte, darunter auch einige Männer, informierten sich über die Situation der Zwangsprostituierten.

"Menschenhandel ist ein Verbrechen, das mitten unter uns geschieht", erklärte Veronika Stoverink, die die Moderation für die Diskussion übernommen hatte.

Opfer werden häufig Frauen aus Osteuropa. Menschenhändlerringe sind sehr gut organisiert und arbeiten häufig mit einem ganzen Netzwerk von Helfern und Helfershelfern zusammen. Die meisten Frauen werden mit dem Versprechen auf eine lukrative Arbeitsstelle nach Deutschland gelockt.

Nach der EU-Osterweiterung und dem Fall der Grenzen ist es für die Täter noch einfacher, Frauen aus Osteuropa nach Deutschland zu bringen und dort zur Zwangsprostitution zu zwingen. In Deutschland angekommen, werden den Opfern die Papiere abgenommen.

"Für die Frauen sind schlimmste Misshandlungen und Vergewaltigungen an der Tagesordnung", erklärte Irmgard Iding von der Kreispolizeibehörde Borken.

"Die Möglichkeiten für die Polizei sind dabei in den letzten Jahren noch beschränkter geworden", so Iding. Durch die Freizügigkeit innerhalb von Europa und die Tatsache, dass Prostitution in Deutschland seit 2002 legalisiert sei, habe die Polizei nur sehr eingeschränkte Kontrollmöglichkeiten. Der Zugang zu Opfern organisierter Kriminalität gestaltet sich sehr schwierig. Da in den Heimatländern der Frauen die Polizei oft korrupt sei und manchmal mit den Menschenhändlern zusammenarbeite, haben die Opfer Angst vor der Polizei und verstecken sich, wenn eine Razzia durchgeführt wird. "Deshalb ist die Zahl an Strafverfahren lächerlich gering", so Iding.

Schwierig werde die Verfolgung auch dadurch, dass die Prostitution häufig in Wohnungen stattfinde und die Polizei diese nur mit Erlaubnis der Staatsanwaltschaft betreten dürfe.

Die Polizei brauche eine besondere Ausbildung, die es ermögliche, das Vertrauen der traumatisierten Frauen zu gewinnen, so Schwester Leonie Beving von der Beratungsstelle Solwodi e.V. in Duisburg. Die Beratungsstelle gewährt betroffenen Frauen Schutz und Hilfe. Schwester Leonie betreut jährlich etwa 35 Opfer von Zwangsprostitution.

Wenn die Frauen zu Solwodi kommen, stehen sie in der Entscheidungsphase, ob sie sich in einem Prozess gegen ihre Peiniger als Zeugen zur Verfügung stellen wollen. 90 % der Frauen entscheiden sich für eine Zeugenaussage. "Das ist wichtig", so Schwester Leonie, "da die Täter reich sind und sich die besten Anwälte leisten können." Nur mit einer Zeugenaussage der Frauen könne man die Täter dingfest machen.

Schwester Leonie wies auf die Wichtigkeit hin, das Thema in das öffentliche Bewusstsein zu bringen. "Jeder hat die Chance, etwas Positives in der Welt zu bewirken", so Schwester Leonie. Dazu gehöre auch, gegen das "unverschämte Frauenbild", das die Werbung oft biete, zu protestieren und Anzeigen von Prostituierten in den Zeitungen zu durchschauen.

Es sei wichtig, über das Problem zu sprechen, erklärte Veronika Stoverink in ihrem Schlusswort, denn "Durch Schweigen ändert sich nichts."


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Podiumsdiskussion
Podiumsdiskussion im Pfarrheim St. Georg