Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 13. Februar 2008

Nicolas Sarkozy und Frankreich - Politische Einsichten von Prof. Henri Ménudier

Vortrag im Historischen Rathaus

Bocholt (pd).

„Sarkozy ist allgegenwärtig, man nennt ihn in Frankreich auch „Speedy-Sarkozy.“, sagte Prof. Dr. Henri Ménudier, Politologe an der Universität Sorbonne in Paris und Spezialist für das deutsch-französische Verhältnis und europäische Fragen, im gut besuchten großen Saal des Historischen Rathauses am Dienstag, 12. Februar 2008.

Diesen Spitznamen, so Ménudier, erhielt der Präsident aufgrund seiner vielen Reisen – oft mehreren an einem Tag - und seiner zahlreichen Auftritte in der Öffentlichkeit.

Ménudier kam auf Einladung der Volkshochschule Bocholt-Rhede-Isselburg, der Deutsch-Französischen Gesellschaft Bocholt und der Europa-Union Deutschland - Kreisverband Borken, um in Bocholt über die Perspektiven der französischen Innen- und Außenpolitik der Regierung Sarkozy zu informieren. „Meine Aufgabe besteht darin“, so Ménudier, „seine Politik zu verstehen und zu erklären. Ich bin nicht da, um für oder gegen Sarkozy zu sein.“

Vor dem Vortrag begrüßte die 1. stellvertretende Bürgermeisterin Christel Feldhaar den Referenten im Trauzimmer des historischen Rathauses. Sie stellte hier kurz die Stadt Bocholt sowie das Europa-Projekt „Leben im Alter“ an der deutsch-niederländischen Grenze in Suderwick und Dinxperlo vor. Im Anschluss an den Empfang trug sich Ménudier in das Gästebuch der Stadt Bocholt ein.

Der französische Politologe ging in seinem Vortrag u. a. der Frage nach, wie es sein kann, dass die Popularität eines Spitzenpolitikers wie Sarkozy in kurzer Zeit so rapide gesunken ist. Während im Mai 2007 noch 70% der Franzosen dem Präsidenten ihr Vertrauen schenkten, waren es – laut Umfrage - im Januar 2008 nur noch 50%, am 12. Februar sogar nur noch 39%. Dann ging er zunächst auf das politische System in Frankreich ein und erläuterte die Grundlagen der Macht des Präsidenten.

„In der Vergangenheit hatte der Premierminister die starke Position in Frankreich“, so Ménudier, „heute hat der Präsident dieses übernommen.“ Sarkozy ist in Frankreich für die Außen- und Verteidigungspolitik zuständig und kann daher auch z. B. über Militäreinsätze im Tschad ohne Beteiligung des Parlaments entscheiden. „Er erspart sich dadurch die Diskussion“, sagte Ménudier, „wie sie es z. B. hier in Deutschland gibt.“ Symbol der Macht des französischen Präsidenten ist außerdem ein schwarzer Koffer, in dem sich der Code für die Zündung von Atombomben befindet. Diesen führt er bei Reisen stets mit sich.

Der französische Politologe berichtete weiterhin über die derzeitige politische Situation der konservativen Partei UMP, der der Präsident bis heute noch vorsteht. Die Partei stehe zurzeit in Frankreich so schlecht dar, dass sie befürchten müsse, im Rahmen der bevorstehenden Kommunalwahlen in Frankreich viele Städte an die sozialistische Partei zu verlieren. Auch diese Entwicklung, so Ménudier, trage nicht dazu bei, das Vertrauen der Franzosen in ihren Präsidenten zu steigern.

Ein weiterer Grund zum derzeitigen Vertrauensverlust sieht Ménudier in den Versprechungen Sarkozys vor der Wahl, die er bei weitem nicht umsetzen konnte. So hat er insbesondere für Jugendliche mit Migrationshintergrund in den „banlieus“, den Vorstädten französischer Großstädte verbesserte Lebensbedingungen zugesagt, die bis heute nicht eingetreten sind. Lediglich die Bewilligung von 4.000 zusätzlichen Polizisten zum Schutz der Menschen in den „banlieus“ wurde von Sarkozy verwirklicht.

Im Hinblick auf das Verhältnis Deutschland-Frankreich stellte der französische Politologe fest, dass sich dieses in den letzten neun Monaten eher verschlechtert habe, im Unterschied zu den Beziehungen zu den USA. Dazu trage insbesondere der gravierende Unterschied im Bereich des Außenhandelsdefizits - Frankreich hat 40 Mrd. Euro minus, Deutschland 200 Mrd. Euro plus - bei.

Schließlich wies Ménudier darauf hin, dass für viele Franzosen der Lebenswandel von Sarkozy nicht mit ihren Vorstellungen von dem eines Präsidenten übereinstimme. Die Scheidung von seiner zweiten Frau Cécilia und die schnelle Heirat mit Carla Bruni hätten nicht dazu beigetragen, das Image Präsidenten zu stärken. „Man erwartet irgendwie, dass er sich anders benimmt!“, so Ménudier.

In der anschließenden Fragerunde äußerte sich Ménudier noch zu weiteren Aspekten im Bereich der Europapolitik, die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Juli 2008, sein Umgang mit Kleinkriminellen und seine Reformen im Bereich der Rentenversicherung.

Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, Fachbereich Zentrale Verwaltung - Interne Dienste-, Petra Taubach, Tel.-Nr. 0 28 71 / 95 33 28, E-mail: ptaubach@mail.bocholt.de


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Am 12. 2. 2008 trug sich Prof. Henri Menudiér ins Gästebuch der Stadt Bocholt ein. Bocholts 2. stv. Bürgermeisterin Christel Feldhaar schaut ihm über die Schulter.

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Am 12. 2. 2008 trug sich Prof. Henri Menudiér ins Gästebuch der Stadt Bocholt ein. Bocholts 2. stv. Bürgermeisterin Christel Feldhaar schaut ihm über die Schulter.

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Empfang im Trauzimmer des Historischen Rathauses. Bocholts 1. stv. Bürgermeisterin Christelf Feldhaar überreicht ein Gastgeschenk der Stadt Bocholt an Prof. Henri Menudiér

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Prof. Henri Menudiér bei seinem Vortrag im großen Saal des Historischen Rathauses

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Gebannt folgten die Zuhörer den Worten Henri Menudiérs.

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Heike Schoo und Prof. Henri Menudiér