Pressemeldung der Stadt Bocholt

Bocholt, 02. September 2011

'Hermann Löns' in der Winkelhauser Heide

Stadtarchiv Bocholt präsentiert Foto des Monats September 2011

Bocholt (PID).

Der auf dem Foto abgebildete Ort ist heute kaum wieder zu erkennen: Ein aufrecht stehender, alles überragender, ovaler Findling auf einer kleinen sandigen Anhöhe inmitten kleinerer Steine und Büsche. Der Findling trägt oben eine ovale Plakette und darunter die Inschrift: „Hermann Löns/dem Dichter/der Heide“. Die Inschrift offenbart, was das knapp 80 Jahre alte Foto wiedergibt: den Lönsstein am Südrand der Winkelhauser Heide, der heute noch an gleicher Stelle steht wie damals.

Der Bocholter Vogelschutz- und Kanarienzuchtverein „Edelroller“ war in Lankern auf den etwa 3,5 t schweren, etwa mannshohen Quarzitstein gestoßen und hatte ihn am 11. Juni 1932 in die Winkelhauser Heide transportiert. In ihn ließ er im August 1932 eine Widmung einmeißeln und darüber eine gusseiserne ovale Plakette mit einem Seitenporträt Hermann Löns’ anbringen, die der Bocholter Kunstlehrer Ernst Theis gestaltet und die Isselburger Hütte gegossen hatte. Schon diese Aktionen hatte bei der Lokalpresse große Beachtung gefunden, noch viel mehr die Einweihung des Lönsdenkmals am Sonntag, 11. September 1932. Tage vorher schon rief die Zeitung zur Teilnahme an der Einweihungsfeier auf. In geschlossenem Zug, begleitet von den Kapellen des Kriegervereins und des Arbeitervereins St. Paulus, sollten der veranstaltende Verein „Edelroller“, befreundete Vereine und alle Interessenten vom Gasthausplatz zum Denkmal marschieren, wo eine mehrstündige Einweihungsfeier mit Reden u. a. des Borkener Landrats, Volkstanz- und Musikaufführungen geplant war. Sturm und heftiger Regen beeinträchtigten dann allerdings Anmarsch und Feier, zu der aber dennoch viele Teilnehmer kamen. Wegen strömenden Regens schließlich abgebrochen, endete die Feier dann in der Bocholter Gaststätte „Zum Allerhöchsten“ mit Darbietungen von Lönsliedern durch den Männergesangverein Bocholt und gemeinsamem Gesang der Teilnehmer. Die ursprüngliche Plakette wurde von Metalldieben Ende Februar 1951 gestohlen. Wer die heutige Plakette dort angebracht hat, und wann, ist nicht bekannt.

Hermann Löns (1866-1914) war ein heute fast vergessener, in den zwanziger bis fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts aber sehr beliebter Dichter von Tier- und Jagdgeschichten, Natur- und Heimatromanen, die vornehmlich in der Lüneburger Heide spielen und ihm den Ruf eines „Heidedichters“ eintrugen. Seine intensiven Naturschilderungen und Tierporträts, seine Darstellung des Heidebauernlebens abseits von großstädtischem und industriellem Getriebe, seine Beschreibung der Natur als schützenswert, trafen die im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts weit verbreitete Naturromantik und Kritik an Urbanität und Industriegesellschaft. Im 1. Weltkrieg meldete Löns sich - achtundvierzigjährig - als Kriegsfreiwilliger für die Front. Er fiel bei seinem ersten Sturmangriff in der Nähe von Reims. Sein Tod trug in der Zwischenkriegszeit zu seiner Verherrlichung in rechten politischen Kreisen bei. Von den Nazis wurde Löns dann als Vorreiter ihrer Blut- und Bodenideologie in Anspruch genommen und erfuhr eine bizarre Ehrung: 1934 wurden seine vermeintlichen Gebeine ohne große Echtheitsprüfung in Frankreich exhumiert und nach Deutschland überführt, wo er nach Hitlers Willen ein Staatsbegräbnis erhalten sollte. Wegen Streitigkeiten über den Begräbnisort standen die Gebeine dann längere Zeit über Erden und wurden schließlich von der SA umstandslos bei Barrl (heute Schneverdingen) beerdigt. 1935 wurden sie wieder ausgegraben und von der Wehrmacht mit militärischen Ehren bei Walsrode beigesetzt. Die Errichtung des Lönsdenkmals bei Bocholt im Jahre 1932 hat mit diesem Nazikult um Löns nichts zu tun. Der Lönsstein ist vielmehr ein Ausdruck der Naturliebe und des Naturschutzes, wie er im frühen 20. Jahrhundert verstanden wurde.

Wer historische Fotos über Bocholt zur Verfügung stellen möchte, kann sich an das Stadtarchiv Bocholt unter Tel.: 02871/2411012 oder per Email an stadtarchiv@mail.bocholt.de wenden.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Text: Gerhard Schmalstieg


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Foto des Monats September 2011: Lönsstein (Foto: Stadtarchiv Bocholt)