Bocholt, 09. Mai 2012
Strategische Dreifaltigkeit gefordert: Konsum, Kommunikation und Kultur
Stadt begrüßte über 200 Gäste im ehemaligen Sinn/Leffers Gebäude in der Osterstraße / Bocholter Bühne sorgt für Auflockerung
Bocholt (PID).
Um die Frage „Kann Bocholt Zukunft“ ging es am 7. Mai im leer stehenden Sinn/Leffers-Gebäude an der Osterstraße. Die Stadtverwaltung hatte Eigentümer der Innenstadt, Vertreter des Handels, Politik aber auch alle interessierten Bürgerinnen und Bürger eingeladen, sich im Gestaltungsprozess der Innenstadt bis zum Jahre 2022 zu beteiligen. In diesem Jahr feiert Bocholt die 800jährige Wiederkehr der Verleihung des Stadtrechts. Die Bocholter Bühne sorgt mit Einlagen für kurzweilige Unterbrechungen.
„Auch wenn sich viele heutzutage dem Internet zuwenden“, betonte Bürgermeister Peter Nebelo in seiner Begrüßungsansprache, „so wollen wir doch die Hoffnung nicht begraben, dass wir in 10 Jahren noch eine belebte und beliebte Innenstadt haben werden.“
Eine abschließende Antwort auf die Frage, wie sich Bocholt in 10 Jahren aufgestellt haben muss, gab es nicht, auch wenn der Wiener Zukunftsforscher Andreas Reiter, der das Thema näher beleuchtete, einige Anregungen, Anmerkungen und Ideen aufzeigte. „Städte sind das Spiegelbild der gesellschaftlichen Veränderung“, betonte Reiter, „wir erleben zurzeit eine Renaissance der Innenstadt, diese müssen multifunktionell bespielt werden.“ Mit vielen weiteren Schlagworten, bildhaften Vergleichen („Viagra für die Innenstadt“, „Innenstädte sind das Epizentrum der Emotionen“) und vielen aus dem englischen abgeleiteten Begriffen („Senior play ground“, „silver worker“, „alternde Baby-Boomer“, „better life index“, „urban branding“) machte er deutlich, dass die Städte den Focus auf weiche Faktoren legen müssten. „Lebensqualität ist der Treiber der Standortqualität“, betonte Reiter, „wir brauchen den Wohlfühlfaktor.“ Auch müssten die Bereiche Wohnen, Arbeit, Freizeit viel mehr verzahnt werden. „Schlafzimmer und Bad werden auch wieder fusionieren“, so Reiter weiter, „wir bekommen andere Wohnformen und da müssen sich auch die Innenstädte drauf einstellen.“ Dass Reiter sich das eine oder andere Mal, wenn er auf Bocholt anspielte, „Bochum“ sagte, konnte man ihm ja noch verzeichnen, Gemurmel gab es aber, als er zum Thema „kulturelle Diversivität“ auf die Balance zwischen Spannung und Entspannung einging und er „… anders als die blödsinnige Kirmes“ formulierte. Welchen Faktor die Bocholter Kirmes spielt, war ihm offensichtlich im Rahmen der Vorbereitung entgangen. Moderator Heinze fasste den „Murmelfaktor“ zusammen. „Danach liegt das Thema Seniorenspielplätze auf eins, „live like a lokal“ auf zwei und stadtweites WLAN auf drei“, so Heinze. Das Thema „live like a local“ hatte Reiter angesprochen. Dabei geht es darum, sich in einer Stadt nicht in einem x-beliebigen Hotel aufzuhalten, sondern wirklich wie ein Bürger der betreffenden Stadt in dessen Wohnung zu wohnen. „Die Leute wollen so wohnen, wie die Bewohner und diese in ihren Wohnungen kennen lernen“, zeigte sich Reiter sicher. Stadtweites WLAN habe er jetzt in London kennen gelernt, wo das in der Vorbereitung auf die Olympischen Sommerspiele gleich in drei Stadtbezirken installiert worden sei.
Zukunfts-Talk
Anschließend diskutierten Stadtmarketingchef Ludger Dieckhues, Stadtbaurat Ulrich Paßlick, Mechthild Hoffs, Vorsitzende der Werbegemeinschaft Bocholt, Andreas Reiter und Manfred Fuhrich vom BBSR (Bonn) über die Mankos in Bocholt und die Möglichkeiten, diese zu verändern bzw. neu zu gestalten. „Eine Innenstadt kann ohne den Faktor Wohnraum nicht überleben“, betonte Paßlick, „da müssen wir viele verschiedene Wohnformen anbieten können.“ Ins gleiche Horn stieß auch Ludger Dieckhues, „die Vermieter in der Innenstadt vergessen die Studenten! Viele sind sich nicht sicher, ob die Wohnungen für Studenten geeignet sind. Genau da liegt aber die Möglichkeit, Studenten sind flexibel, die können sich aus großen Wohneinheiten kleine Wohngemeinschaften machen.“ Fuhrich betonte, dass es auch Angebote ohne Eintritt geben müsse, „DINKS“ (double income no kids) könnten alles bezahlen, nicht aber alle Personenkreise. „Wir haben 60 verschiedene Nationalitäten in Bocholt“, erläuterte Paßlick, „Bocholt ist bunt und wird auch in Zukunft bunt bleiben, erste Anfänge sind in der Ostmauer gemacht, das darf aber gerne noch weiter gehen.“ Für Sinn/Leffers stellt er sich als Folgenutzung Handel im Erdgeschoss, Wohnen in den oberen Etagen vor. „Und bei Hertie“, bohrte Heinze nach. „Da erst Recht“, ist sich Paßlick sicher, dass nach einem Abriss an der Stelle auch der Faktor Wohnen direkt an der Aa eine große Rolle spiele. Mechthild Hoffs erläuterte, dass sich die Einzelhändler im Sortiment klar abgrenzen (klares Sortiment, zielgruppenscharf abgegrenzt, klarer Personenkreis) ansonsten aber in den Gemeinschaften zusammenarbeiten müssten. „Fühlen kann das Internet nicht“, betonte Hoffs, wie wichtig der Fachhandel vor Ort sei. Die Bocholter Bühne in Person von Ralf Melzow hatte in einer kleinen Vorführung von einem Dilemma berichtet. Ein dreißig Jahre alter Blitz funktionierte an der neuen Digitalkamera nicht mehr, was tun? Den Fachhandel aufsuchen. Nach einstündiger Beratung sei das Ergebnis gewesen, ein neuer Blitz muss her, der kostet 450 Euro. „Da habe ich dann gegoogelt und das dingen bei Amazon für 300 Euro gesehen“, so Melzow. Was nun, im Internet kaufen oder im Fachhandel? „Kommen Sie in den Fachhandel“ machte Hoffs deutlich, „hier haben Sie Service, beste Beratung, können Reparaturen und Änderungen vor Ort machen lassen, hier geht alles noch von Mensch zu Mensch“. Auch die „Quartiersstorys“ waren Thema der Diskussion. „Wir müssen die Migration einbinden“, machte Dieckhues deutlich, „die Straßen müssen allesamt ihre eigene Story finden, es muss ja nicht gleich die Kreuzberger Mischung sein.“
Andrea Döring führte nach der Diskussion aus, wie es weitergeht. Für das Projekt „Innovationen für Innenstädte“ zahlt der Bund 200.000 Euro, „die Fördermittel fließen bis 2014“, so Döring, „bis dahin wollen wir vier Stränge bearbeiten.“ Die Großleerstände sollen revitalisiert werden, Quartiersprofile erstellt und geschärft werden, das „Bocholter Weißbuch“ („Viagra für die 800-Jahrfeier“) in Ausgestaltung des Einzelhandelskonzeptes soll aufgestellt werden und die Inszenierung der Innenstadt („Ab in die Mitte“, „Wir sind Bocholt“ etc.) weiter vorangetrieben werden. „Wir hoffen auf große Rückmeldungen“, so Döring abschließend, „sprechen Sie uns jederzeit an“.
Ansprechpartnerinnen für das Projekt sind Andrea Döring, Leiterin des Fachbereichs Stadtplanung und Bauordnung der Stadt Bocholt (Telefon +49 2871 953-419) und Astrid Lukas vom Bocholter Stadtmarketing (Telefon +49 2871 29 49 33 13).
Am heutigen Mittwoch 9.5.2012) hatten Döring und Heinze Schüler der Stufe 12 des St.-Georg-Gymnasiums in den Räumen von Sinn/Leffers zu Gast. In einem Planspiel, das in die Überlegungen von Stadt, Stadtmarketing und auch Handel einbezogen wird, versuchen sich die Schülerinnen als Stadtplaner, Städtebauer und anschließend, wenn dann das Stadtmodell fertig ist, als Besucher. Weitere Gruppen, die sich am Planspiel beteiligen, sind Schüler des Mariengymnasiums, des Seniorenbeirates, des Arbeitskreises für Gleichstellung von Frau und Mann und auch des Integrationsrates.
Für die Bocholter Bühne traten Helena Tebroke (Biografietheater), Ralf Melzow sowie Christian und Kilian Schmeink (Bobbies, Jugendgruppe der Bocholter Bühne) auf.
Pressekontakt: Stadt Bocholt - Fahrradfreundlichste Stadt Deutschlands, Büro des Bürgermeisters, Presse- und Informationsdienst, Bruno Wansing, Telefon +49 2871 953-571, E-Mail: bruno.wansing@mail.bocholt.de
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ExWoSt - Auftaktveranstaltung
ExWoSt-Auftakt: Immer wieder bezog Moderator Frank Heinze die über 200 Gäste in die Diskussion mit ein - Foto: Bruno Wansing, Stadt Bocholt