Meldungsdatum: 05.12.2024

Hanau legt Widerspruch gegen Zensus-Bescheid ein

„Bescheid des Hessischen Statistisches Landesamtes ist nicht nachvollziehbar“ / „Die Zahlen sind falsch“ / Fragen der Stadt nicht beantwortet / Gravierende finanzielle Auswirkungen für Stadt Hanau

„Die Stadt Hanau ist es allen Bürgerinnen und Bürgern schuldig, die negativen Feststellungen nicht ohne genaue Nachprüfung hinzunehmen. Wir haben heute Widerspruch gegen den Bescheid des Hessischen Statistischen Landesamtes eingelegt, weil wir der klaren Überzeugung sind, dass die dort festgesetzte Einwohnerzahl falsch ist“, erklärt Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky.

Der Bescheid (Az. IIIA-ZEN06/0002/090/1) des Hessischen Statistischen Landesamt (HSL) vom 7. November 2024 ist der Stadt Hanau am 13. November mit Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Darin wird festgestellt, dass aufgrund des Zensus 2022 die amtliche Einwohnerzahl der Stadt Hanau zum Zensusstichtag 15.Mai 2022 bei 93.632 liegt. Am 25. Juni diesen Jahres hatte das HSL veröffentlicht, dass laut dem Zensus 2022-Ergebnis 6.675 Menschen weniger in Hanau leben würden als bisher nach der Bevölkerungsfortschreibung des HSL angenommen. Statt 100.307 Einwohnerinnen und Einwohner ergab die auf einer Hochrechnung basierende Erhebung die Zahl 93.632 rückwirkend zum 15.Mai 2022, ein Rückgang um 6,655 Prozent. „Wir wollen wissen, wie diese Zahl zustande gekommen ist“, stellt Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri fest. Der promovierte Mathematiker hatte sich in Absprache mit Oberbürgermeister Kaminsky und Stadträtin Isabelle Hemsley den Veröffentlichungen angenommen. Mit dem Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Rainer Schnell, der Professor an der City University London war und Inhaber des Lehrstuhls für "Sozialwissenschaftliche Methoden/Empirische Sozialforschung" im Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen ist, schickte die Stadt Hanau am 8. Oktober 29 Fragen an das HSL. „Diese wurden nicht beantwortet“, so Bürgermeister Dr. Bieri. Auch das seit 29. September vorliegende Datenblatt gab keinen Aufschluss darüber, wie diese Zahl ermittelt worden ist. Als Rechtsbeistand berät Dr. Olaf Otting von der Hanauer Kanzlei Otting-Zinger die Stadt Hanau.

 

Stadt fordert Akteneinsicht

 

„Den Rechtsweg wollten wir, das haben wir von Beginn an deutlich gesagt, nicht beschreiten. Nun haben wir keine andere Wahl“, so Oberbürgermeister Kaminsky. Denn der Zensus 2022 habe gravierende finanzielle und auch kommunalrechtliche Auswirkungen auf die Stadt Hanau. „Das ist ein Eingriff in die Finanzwirtschaft der Stadt Hanau in einer Größenordnung von rund 100 Millionen Euro. Die Auswirkungen hielten ja mindestens bis zur nächsten Zensuserhebung in mehr als zehn Jahren. Wohlstand und Wohlfahrt für die Bürgerinnen und Bürger, für unsere Stadt würden hier nachhaltig geschädigt werden. Es ist zudem ein Eingriff in unsere kommunale Selbstverwaltung“, sagt Kaminsky. So hat die Stadt Hanau heute in dem Widerspruch beantragt, den Bescheid vom 7. November 2024 aufzuheben und Einsicht in die Verwaltungsakten zu gewähren. Weiterhin bittet die Stadt um Bestätigung, dass die amtliche Einwohnerzahl bis zur Bestandskraft des Bescheids nicht mit den im Zensus 2022 ermittelten Daten fortzuschreiben.

 

Rechtswidrig sei der Bescheid aus mehreren Gründen: Formell, da es keine Anhörung gab, es an einer hinreichend individualisierten Begründung fehlt, die Akteneinsicht im Verwaltungsverfahren nicht gewährt wurde und die ausführlichen Fragen der Stadt Hanau nicht beantworten wurden. „Eine Anhörung dient als Mittel, um einen Sachverhalt zu klären. Wir können Methode, Berechnung und Dokumentation nicht nachvollziehen. Wir wollen Transparenz und eine vollständige Begründung, die klar verständlich ist“, so Bürgermeister Dr. Bieri.

 

107.279 Hanauerinnen und Hanauer

 

Ein Eingriff, der derart weitreichende Folgen hat, muss für Betroffene in jedem Schritt nachvollziehbar sein. Wenn die Ergebnisse richtig ermittelt wurden, kann und muss die Herleitung der Kommune offengelegt werden. Sie muss sich mit Hilfe statistischen und empirischen Expertensachverstands von der Sachgerechtigkeit der zugrunde gelegten Formeln überzeugen, und sie muss ausschließen können, dass auf dem Wege der Datenerhebung oder Datenübertragung relevante Fehler unterlaufen sind, formuliert die Stadt Hanau in ihrem Widerspruch. „Nach unserer Überzeugung ist die im Bescheid festgesetzte Einwohnerzahl falsch“, so Bürgermeister Dr. Bieri. Hanau hatte zum Stichtag des Zensus am 15.05.2022 nach dem Melderegister 102.934 Einwohnerinnen und Einwohner, zum Stichtag 30. November 2024 waren es aktuell laut Melderegister 107.279 Einwohnerinnen und Einwohner. „Dass die Zahl zum Zensusstichtag, dem 15. Mai 2022, nun um über 9 % Prozent gekürzt werden muss, ist uns nicht plausibel. Warum eine Hochrechnung präziser sein soll als unsere Einwohnermeldestatistik, ist für uns nicht nachvollziehbar“, so Bürgermeister Dr. Bieri und Stadträtin Hemsley. Auffällig, so Dr. Bieri, ist auch, dass die sogenannten hessischen Sonderstatusstädte erhebliche prozentuale Verluste haben: Fulda minus 6,666 Prozent, Gießen minus 6,652 Prozent, Marburg minus 5, 997 Prozent und eben Hanau mit einem Minus von 6,655 Minus. Hier könnte ein Fehler in der Formel bestehen, ein Zusammenhang erscheint nicht ausgeschlossen, so die Widerspruchsbegründung, die weitere mögliche Fehlerquellen nennt, deren Überprüfung erst nach Akteneinsicht erfolgen kann: So habe die eingesetzte Erhebungssoftware häufig vorübergehend nicht funktioniert, die Erhebungsgebiete, sogenannte „Samplings Points“ erscheinen als nicht repräsentativ ausgewählt, der Rechenweg, die Hochrechnung, sei fehleranfällig.

 

„David gegen Goliath“

 

„Sofort nach Erhalt der Zahlen sind wir in die Plausibilitäts-Prüfung gegangen. Das Ergebnis ist für uns klar: Diese Zahlen und vor allem die Herleitung sind unklar, daher haben wir Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt“, so Oberbürgermeister Kaminsky, der den Vergleich aus dem Widerspruch heranzieht: Wenn wir als Stadt Hanau einen Gebührenbescheid erlassen, können wir uns bei gerichtlicher Nachprüfung nicht auf die Ausführung beschränken, die Gebühr sei nach einem exakten mathematischen Verfahren durch qualifizierte Fachleute berechnet worden. Wir werden die Berechnungsgrundlagen und die Umlageschlüssel sowie den Rechenweg genau offenlegen und dokumentieren müssen. Tut wir das nicht, wird das Verwaltungsgericht ihren Bescheid schon wegen dieser Dokumentationsmängel aufheben.

 

„Wir stellen nicht die Durchführung eines Zensus in Frage. Wohl aber weisen wir auf die Pflicht zur Beachtung grundlegender rechtsstaatlicher Anforderungen bei der realitätsgerechten Erhebung der Daten hin. Wir wollen wissen, woran wir sind. Hanau, Hessens kleinste Großstadt, robust und resilient, wach, wachsend und wirtschaftsstark seit 1303, kämpft hier als David gegen den Goliath Hessisches Statistisches Landesamt“, so Oberbürgermeister Claus Kaminsky.

Pressekontakt: Dominik Kuhn, Telefon 06181/ 18000 – 820


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Hanau legt Widerspruch gegen Zensus-Bescheid ein

©  Stadt Hanau
Hanau legt Widerspruch gegen Zensus-Bescheid ein

Widerspruch gegen den Zensus-Bescheid: In einer Pressekonferenz im Elisabeth-Selbert-Saal im Neustädter Rathaus in Hanau stellten Prof. Dr. Reiner Schnell, Bürgermeister Dr. Maximilian Bieri, Oberbürgermeister Claus Kaminsky, Stadträtin Isabelle Hemsley und Rechtsanwalt Dr. Olaf Otting die Gründe für den Widerspruch vor.